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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art140 Abs7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler, Dr. Zens und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schiffkorn, über die Beschwerde des SC in Z, vertreten durch Dr. Ronald Rast, Mag. Thomas Rast und Dr. Christian Werner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Lugeck 1/1/4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 27. Februar 2006, Zl. UVS-06/47/3216/2005/12, betreffend Übertretung des Wertpapieraufsichtsgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Finanzmarktaufsicht (FMA) vom 23. März 2003 wurde ausgesprochen, der Beschwerdeführer habe es als ehemaliger Vorstand (nunmehr Geschäftsführer) der I AG (nunmehr I GmbH) zu verantworten, dass die Mitarbeiter dieses Unternehmens S, H, P, Hi und F, im Namen und am Sitz dieses Unternehmens telefonische Werbung für die in § 1 Abs. 1 Z 7 lit. b bis f des Bankwesengesetzes (BWG), BGBl. Nr. 532/1993, genannten Instrumente und für Instrumente, Verträge und Veranlagungen gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG), BGBl. Nr. 753/1996, gegenüber dem Verbraucher AS betrieben hätten, indem diese Mitarbeiter im Dezember 2002 AS mehrmals telefonisch kontaktiert hätten, um ihn zu bewegen, über Vermittlung der I AG Warentermingeschäfte zu tätigen, ohne dass AS vor dem Anruf sein Einverständnis zu solchen Anrufen erklärt hätte. Über den Beschwerdeführer wurde gemäß § 12 Abs. 3 iVm § 27 Abs. 2 WAG iVm § 9 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 3.000,--, im Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von 132 Stunden, verhängt.
Gegen diesen Strafbescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gab die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid der Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG insoweit Folge, als die verhängte Geldstrafe auf EUR 2.500,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 80 Stunden herabgesetzt wurde.
Dabei sah es die belangte Behörde als erwiesen an, dass AS am 30. Juli 2002 von Z telefonisch kontaktiert und gefragt worden sei, ob er mit einem Werbetelefonat einverstanden sei. Im selben Gespräch seien sowohl der Name des Unternehmens als auch die Geschäftstätigkeit der I AG erläutert und die Produkte vorgestellt worden. Anlässlich dieses Ersttelefonates sei AS gefragt worden, ob er mit der Zusendung einer Broschüre und einem weiteren telefonischen Kontakt einverstanden sei. AS habe - auch vor dem 30. Juli 2002 - kein (schriftliches) Einverständnis zu Telefonanrufen zu Werbezwecken erteilt und sei in keinerlei Geschäftsbeziehung zur I AG gestanden. In der Folge sei AS im Herbst 2002 von einem Mitarbeiter der I AG telefonisch kontaktiert und gefragt worden, ob er die Unterlagen erhalten hätte. Anlässlich dieses Telefongespräches sei AS auf die Möglichkeit der Veranlagung in Weizenoptionsgeschäften hingewiesen worden. Zwei bis drei Wochen nach diesem Telefongespräch seien weitere Anrufe durch die I AG erfolgt. Diese seien in immer kürzeren Zeitintervallen erfolgt, zum Teil sei AS auch zweimal am Tag angerufen worden. Im Dezember 2002 sei AS mehrmals von Mitarbeitern der I AG angerufen worden und ihm sei zum Kauf von Weizenoptionen geraten worden. In rechtlicher Hinsicht sah die belangte Behörde hiedurch den Tatbestand des § 12 Abs. 3 WAG als verwirklicht an. Begründend führte sie dazu im Wesentlichen aus, AS sei die Eigenschaft eines Verbrauchers im Sinne des § 12 Abs. 3 WAG zugekommen. Der Erwerb von Optionen auf Weizen stelle weder ein Hauptgeschäft noch ein Hilfs- bzw. Nebengeschäft eines Landwirtes dar, zumal solche Geschäfte nicht der Absicherung allfälliger Ernteausfälle dienten. Da im Telefonat am 30. Juli 2002 sowohl der Name des Unternehmens genannt, als auch die Produkte vorgestellt worden seien, habe die Zustimmung zu künftigen Werbetelefonaten nicht wirksam erteilt werden können. Auch wenn man annehmen würde, AS hätte anlässlich des telefonischen Erstkontaktes mit der I AG am 30. Juli 2002 erklärt, mit der Zusendung von Unterlagen und einem künftigen Werbeanruf einverstanden zu sein, könne damit kein rechtswirksames Einverständnis zu Werbeanrufen im Sinne des § 12 Abs. 3 WAG erteilt werden. Eine anlässlich des Telefonanrufes am 30. Juli 2002 erteilte Zustimmung erfülle nicht die Anforderungen einer Einverständniserklärung im Sinne des § 12 Abs. 3 WAG. Durch die gegenständliche Tat sei das gesetzlich geschützte Interesse am Unterbleiben eines Eindringens in die Privatsphäre von Verbrauchern durch Telefonanrufe, ohne dass dafür zuvor eine Einverständniserklärung abgegeben worden sei, geschädigt worden. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat erweise sich als nicht geringfügig. Auch das Verschulden könne nicht als geringfügig angesehen werden, da nicht anzunehmen sei, dass die Einhaltung der verletzten Verwaltungsvorschrift eine besondere Aufmerksamkeit erfordert hätte. Dem Beschwerdeführer komme der Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit zu Gute, erschwerende Umstände seien keine hervorgekommen. Vor diesem Hintergrund erscheine die herabgesetzte Strafe als tat- und schuldangemessen. Für die Herabsetzung habe auch gesprochen, dass die I AG ihre Geschäftstätigkeit nunmehr eingestellt habe und sich in Konkurs befinde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 2007, Zl. A 2007/0011, wurde gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof (neben Eventualanträgen) der Antrag gestellt, festzustellen, dass die in § 12 Abs. 3 des WAG in der Fassung dieses Absatzes nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 97/2001 enthaltene Folge "Anrufe," verfassungswidrig war.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2007, G 16/07-9, wurde - entsprechend diesem Antrag - festgestellt, dass die in Rede stehende Folge verfassungswidrig war.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
§ 11 Abs. 1 Z 3 lit. b WAG in der Stammfassung dieses Gesetzes BGBl. Nr. 753/1996 lautet:
"Wohlverhaltensregeln
§ 11. (1) Bei der Erbringung von gewerblichen Dienstleistungen, die mit Wertpapieren oder der sonstigen Veranlagung des Vermögens von Kunden in Zusammenhang stehen, sind die Interessen der Kunden bestmöglich zu wahren, und insbesondere die §§ 12 bis 18 zu beachten. Als Dienstleistungen in diesem Sinne gelten:
...
3. der Handel mit
...
b) Verträgen über Edelmetalle und Waren gemäß Z 2 lit. e, 4 und 5 der Anlage 2 zu § 22 BWG ..."
In der Anlage 2 zu § 22 BWG in der Fassung des BGBl. Nr. 753/1996 sind unter Z 5 Warenverträge, ausgenommen Edelmetallverträge, angeführt.
§ 12 Abs. 3, § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 WAG in ihrer im Zeitpunkt der inkriminierten Anrufe in Kraft gestandenen Fassung des BGBl. I Nr. 97/2001 lauten:
"§ 12. ...
...
(3) Anrufe, das Senden von Fernkopien und die Zusendung von elektronischer Post zur Werbung für eines der in § 1 Abs. 1 Z 7 lit. b bis f BWG genannten Instrumente und für Instrumente, Verträge und Veranlagungen gemäß § 11 Abs. 1 Z 3 ist gegenüber Verbrauchern verboten, sofern der Verbraucher nicht zuvor sein Einverständnis erklärt hat. Dem Einverständnis des Verbrauchers steht eine Einverständniserklärung jener Person gleich, die vom Verbraucher zur Benützung seines Anschlusses oder Empfangsgerätes ermächtigt wurde. In allen Fällen kann die erteilte Einwilligung jederzeit widerrufen werden.
...
§ 27....
(2) Wer als Anbieter von Wertpapierdienstleistungen gemäß § 11 die Bestimmungen der §§ 12 bis 18 verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu 20 000 EUR zu bestrafen.
...
§ 28. (1) Für die Verhängung von Verwaltungsstrafen gemäß §§ 26 Abs. 1 und 27 Abs. 1 bis 3b ist in erster Instanz die FMA zuständig."
Gemäß § 34 Abs. 11 und 12 WAG in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001 traten die Bestimmung des § 27 Abs. 2 mit 1. Jänner 2002 und die Bestimmungen des § 12 Abs. 3 und § 28 Abs. 1 WAG mit 1. April 2002 in Kraft.
§ 12 Abs. 3 WAG wurde - nach Ergehen des erstinstanzlichen Straferkenntnisses - durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 62/2004 neu gefasst. Gemäß § 34 Abs. 14 WAG in der Fassung BGBl. I Nr. 62/2004 trat § 12 Abs. 3 WAG in der Fassung dieser Novelle am 1. Oktober 2004 in Kraft.
§ 27 Abs. 2 WAG wurde durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 48/2006 (unter Erhöhung der Strafdrohung) neu gefasst.
§ 101 Telekommunikationsgesetz - TKG 1997, BGBl. I Nr. 100, in der im Zeitpunkt der inkriminierten Anrufe gültigen Fassung BGBl. I Nr. 188/1999 lautet:
"Unerbetene Anrufe
§ 101. Anrufe - einschließlich das Senden von Fernkopien - zu Werbezwecken ohne vorherige Einwilligung des Teilnehmers sind unzulässig. Der Einwilligung des Teilnehmers steht die Einwilligung einer Person, die vom Teilnehmer zur Benützung seines Anschlusses ermächtigt wurde, gleich. Die erteilte Einwilligung kann jederzeit widerrufen werden; der Widerruf der Einwilligung hat auf ein Vertragsverhältnis mit dem Adressaten der Einwilligung keinen Einfluss. Die Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken bedarf der vorherigen - jederzeit widerruflichen - Zustimmung des Empfängers."
§ 104 Abs. 3 Z 24 und Abs. 4 TKG 1997 in der im Zeitpunkt der inkriminierten Anrufe gültigen Fassung (Abs. 3 erster Satz in der Fassung BGBl. I Nr. 32/2002, die Z 24 des Abs. 3 in der Fassung BGBl. I Nr. 188/1999 (Änderung der Ziffernbezeichnung durch das BGBl. I Nr. 26/2000), Abs. 4 in der Stammfassung BGBl. I Nr. 100/1997) lauten:
"Verwaltungsstrafbestimmungen
104. ...
...
(3) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe bis zu 36 336 Euro zu bestrafen, wer
...
24. entgegen § 101 unerbetene Anrufe oder die Zusendung einer elektronischen Post als Massensendung oder zu Werbezwecken tätigt.
(4) Eine Verwaltungsübertretung gemäß Abs. 1 bis 3 liegt nicht vor, wenn die Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist."
Diese Bestimmungen traten mit Inkrafttreten des Telekommunikationsgesetzes 2003, BGBl. I Nr. 70, mit Ablauf des 19. August 2003 - also gleichfalls nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - außer Kraft.
Gemäß § 1 Abs. 2 VStG richtet sich die Strafe nach dem zur Zeit der Tat geltenden Recht, es sei denn, dass das zur Zeit der Fällung des Bescheides in erster Instanz geltende Recht für den Täter günstiger wäre.
Der Beschwerdefall ist Anlassfall für das eben zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Dezember 2007. Vorliegendenfalls war daher die Folge "Anrufe," in § 12 Abs. 3 WAG in der im Zeitpunkt der gegenständlichen Tatanlastungen und auch im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides in Kraft gestandenen Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 97/2001 nicht anwendbar. Damit ist nunmehr aber davon auszugehen, dass die in Rede stehenden Anrufe keinesfalls dem Straftatbestand nach § 12 Abs. 3 in Verbindung mit § 27 Abs. 2 WAG (in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2001) unterstellt und nach diesem sanktioniert werden durften.
Damit bestand aber auch gemäß § 28 Abs. 1 WAG keine Zuständigkeit der erstinstanzlichen Strafbehörde (FMA) zur strafrechtlichen Beurteilung des dem Beschwerdeführer angelasteten Fehlverhaltens. Die Prüfung einer - auf Grund der bereinigten Rechtslage allenfalls in Betracht kommenden - Verantwortlichkeit des Beschwerdeführers nach § 101 in Verbindung mit § 104 Abs. 3 Z 24 TKG 1997 fiele nicht in die Zuständigkeit der FMA.
Auf Grund der bereinigten Rechtslage ist daher davon auszugehen, dass die belangte Behörde als zuständige Berufungsbehörde den erstinstanzlichen Bescheid der FMA wegen Unzuständigkeit aufzuheben gehabt hätte. Der Beschwerdeführer wurde durch den angefochtenen Bescheid daher jedenfalls in seinem Recht auf Einhaltung der Zuständigkeitsordnung verletzt, welches auch ohne ausdrückliche Geltendmachung als Beschwerdepunkt wahrzunehmen war (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 26. Juni 2000, Zl. 2000/17/0001, und vom 24. Februar 2005, Zl. 2003/07/0171).
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 22. Februar 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007170237.X00Im RIS seit
10.04.2008Zuletzt aktualisiert am
01.10.2008