TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/27 2005/13/0037

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Veröffentlicht am 27.02.2008
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §115 Abs1;
BAO §119 Abs1;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §20 Abs1 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Pelant, Dr. Mairinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Unger, über die Beschwerde der S in DT, vertreten durch Dr. Michael Vallender, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Paulanergasse 14, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 15. Februar 2005, Zl. RV/1966- W/04, betreffend Einkommensteuer für 2003, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin machte mit ihrer Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für 2003 (Einkommensteuer für 2003) als Werbungskosten die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten in Höhe von 2.100 EUR geltend.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2004 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für 2003 fest, berücksichtigte die geltend gemachten Werbungskosten jedoch nicht und begründete dies damit, dass sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehemann in Wien beschäftigt seien. Die Kosten für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung kämen daher als erhöhte Werbungskosten nicht in Betracht.

In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe seit Geburt (1960) ihren ordentlichen Wohnsitz in der Gemeinde T. (im Südburgenland). Mit einem Bescheid aus dem September 2001 habe der Bundesminister für Inneres festgestellt, dass der Mittelpunkt ihrer familiären und gesellschaftlichen Lebensinteressen in der Gemeinde T. liege, weil dort ihre Eltern, Freunde und Bekannte lebten; mit diesem Bescheid sei ein Einspruch der Gemeinde Wien im Zuge der Volkszählung abgewiesen worden. Auf Grund ihrer Beschäftigung in Wien sei ihr mit Rücksicht auf die Entfernung nicht zuzumuten, täglich rund 320 km zu pendeln. Sie sei daher gezwungen, in Wien einen "gemieteten Wohnsitz zu unterhalten" und nur am Wochenende, im Urlaub und im Falle eines Krankenstandes ihr Eigenheim zu benützen. Die Mietwohnung in Wien habe ein Ausmaß von 50 m2. Sie sei nunmehr seit 23 Jahren in Wien bei einer Körperschaft öffentlichen Rechts beschäftigt und würde eine gleichwertige Beschäftigung in der Umgebung ihres ordentlichen Wohnsitzes auf Grund ihres Alters wohl nicht mehr erhalten, wodurch sie jetzt zum Pendeln gezwungen sei. Weiters hätten ihre Eltern ein entsprechendes Alter erreicht und würde sie ihnen zunehmend helfen müssen.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 31. August 2004 wies das Finanzamt die Berufung mit der Begründung ab. Durch die Errichtung eines Einfamilienhauses in T. im Jahr 1983 nach der Arbeitsaufnahme in Wien im Jahr 1981 sei deutlich zu erkennen, dass für die Wahl eines vom Dienstort unüblich weit entfernten Wohnsitzes ausschließlich Gründe der privaten Lebensführung maßgebend gewesen seien. Aufwendungen, die dadurch erwachsen seien, seien keine Werbungskosten, sondern nicht abziehbare Kosten der privaten Lebensführung. Daran ändere auch nichts, dass die Beschwerdeführerin in der Umgebung ihres freiwillig gewählten Wohnsitzes in T. keine gleichwertige Beschäftigung erhalten würde.

Im Vorlageantrag brachte die Beschwerdeführerin vor, dem Finanzamt sei seit Jahrzehnten bekannt, dass sie in T. geboren worden sei, ihre Schulausbildung im Südburgenland absolviert und in der Folge einen Arbeitsplatz in Wien gefunden habe. Die Arbeitsaufnahme in Wien sei im Jahr 1981 erfolgt. Im Jahr 1983 habe sie mit ihrem Ehemann in T. ein Haus gebaut, nachdem sie aus einem gemieteten Haus in T. aus gesundheitlichen Gründen (Feuchtigkeit) hätten ausziehen müssen. Sie sei von 1981 bis 1983 sowie danach genauso Pendler wie tausende Südburgenländer auch. Die Errichtung eines Einfamilienhauses im Jahr 1983 sei "vollkommen irrelevant mit der Beschäftigungssituation in Wien", noch dazu, wo die Arbeitsaufnahme davor stattgefunden habe. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass die Beibehaltung des Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblicher Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt werde, niemals durch die Erwerbstätigkeit, sondern immer durch Umstände veranlasst werde, die außerhalb dieser Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten dennoch Werbungskosten darstellen könnten, liege darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Erwerbstätigkeit veranlasst gälten, als dem Erwerbstätigen eine Wohnsitzverlegung in unübliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden könne. Die Kosten der doppelten Haushaltsführung oder wöchentlicher Familienheimfahrten seien für die Beschwerdeführerin derzeit unabdingbar, weil sie wie erwähnt in der Umgebung ihres Wohnsitzes nun in ihrem Alter keinen gleichwertigen Arbeitsplatz finden würde und zum Pendeln nach Wien gezwungen sei. Daher würden die beantragten Werbungskosten zur Erhaltung der Einnahmen dienen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde fest, die Beschwerdeführerin sei verheiratet, ihre Tochter sei 1984 geboren. Die Beschwerdeführerin habe den Meldedaten des zentralen Melderegisters zufolge einen Nebenwohnsitz in Wien und ihren Hauptwohnsitz in T. im Südburgenland. Am Nebenwohnsitz der Beschwerdeführerin hätten der Ehemann der Beschwerdeführerin und ihre im Streitjahr bereits volljährige Tochter ihren Hauptwohnsitz. Der als Nebenwohnsitz gemeldete Wohnsitz der Beschwerdeführerin bestehe aus einer etwa 50 m2 großen Mietwohnung. Der als Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin gemeldete Wohnsitz im Südburgenland sei der Nebenwohnsitz ihres Ehemannes und bestehe aus einem 1983 errichteten Eigenheim. Der Dienstort der Beschwerdeführerin befinde sich seit etwa 23 Jahren in Wien. Im Südburgenland übten weder die Beschwerdeführerin noch deren Ehemann eine Erwerbstätigkeit aus. Letzterer habe seinen Dienstort in Wien. Die Beschwerdeführerin wohne an Werktagen in der Mietwohnung in Wien, das Eigenheim im Südburgenland bewohne sie am Wochenende, im Urlaub und während eines Krankenstandes. Eltern, Freunde und Bekannte der Beschwerdeführerin wohnten im Südburgenland.

Nach rechtlichen Ausführungen zu den §§ 16 und 20 EStG sowie zu § 26 BAO fuhr die belangte Behörde fort, der Beschwerdeführerin stünden für Wohnzwecke ein Eigenheim im Südburgenland und eine Mietwohnung in Wien zur Verfügung. Sie habe persönliche Beziehungen zu ihrem Ehemann, ihrer volljährigen Tochter, ihren Eltern, Freunden und Bekannten. Bei "einem Ehepaar, die Eltern einer volljährigen Tochter" seien, bestünden die stärksten persönlichen Beziehungen zum jeweiligen Ehepartner. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann hätten einen gemeinsamen Wohnsitz in der Mietwohnung in Wien und seien beide in Wien berufstätig. Die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann lebten an den Werktagen in der Mietwohnung in Wien. Beide würden daher mehr Zeit in der Mietwohnung in Wien als im Eigenheim im Südburgenland verbringen. Demzufolge sei Wien der Ort, zu dem die Beschwerdeführerin die stärksten persönlichen Beziehungen habe, weshalb sich der Familienwohnsitz der Beschwerdeführerin in der Mietwohnung in Wien und nicht im Einfamilienhaus im Südburgenland befinde. Wien sei auch der einzige Ort, zu dem die Beschwerdeführerin wirtschaftliche Beziehungen habe, weil sie hier berufstätig sei und im Südburgenland keiner Erwerbstätigkeit nachgehe.

Da sich der Familienwohnsitz und der Beschäftigungsort der Beschwerdeführerin in Wien befänden, sei die tägliche Rückkehr an den Familienwohnsitz zumutbar. An die Entscheidungen anderer Behörden wie etwa des Bundesministers für Inneres mit der Aussage, wo die Beschwerdeführerin ihren Hauptwohnsitz habe, fühle sich die belangte Behörde bei der Beurteilung, wo sich der Familienwohnsitz einer Person befinde, nicht gebunden.

Zur Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung führte die belangte Behörde aus, nach der Rechtsprechung sei eine Wohnsitzverlegung an den Dienstort nicht zumutbar, wenn eine jederzeitige Versetzung an irgend eine Arbeitsstätte des Arbeitgebers abstrakt oder konkret drohe. Die Beschwerdeführerin arbeite seit etwa 23 Jahren für denselben Arbeitgeber in Wien; aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass ihr der Verlust dieses Arbeitsplatzes drohe. Auch das Berufungsbegehren, die Werbungskosten wegen nicht auszuschließender Betreuung der Eltern in den kommenden Jahren anzuerkennen, sei abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 16 Abs. 1 EStG 1988 sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Werbungskosten sind bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind.

Gemäß § 20 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen aufgewendeten Beträge bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden. Nach § 20 Abs. 1 Z 2 lit. e leg. cit. dürfen Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits- (Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. c angeführten Betrag übersteigen, bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden.

In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof erkannt, dass die Beibehaltung eines Familienwohnsitzes aus der Sicht einer Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst ist, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum Aufwendungen für Familienheimfahrten und eine doppelte Haushaltsführung dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass derartige Aufwendungen so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursache insbesondere in der privaten Lebensführung des Steuerpflichtigen oder in einer weiteren Erwerbstätigkeit des Ehepartners haben (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2006/15/0047). Diese Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2007, 2006/14/0038). Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektiven Gewicht ergeben. Momente bloß persönlicher Vorliebe für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes reichen nicht aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. August 2004, 2000/13/0083, mwN).

Familienwohnsitz ist jener Ort, an dem ein verheirateter Steuerpflichtiger mit seinem Ehepartner oder ein unverheirateter Steuerpflichtiger mit seinem in eheähnlicher Gemeinschaft lebenden Partner einen Hausstand unterhält, der den Mittelpunkt der Lebensinteressen dieser Personen bildet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 1996, 96/15/0006).

Die belangte Behörde hat auf Grund der von ihr getroffenen Feststellungen zunächst angenommen, der Familienwohnsitz der Beschwerdeführerin liege in Wien. Im Beschwerdefall kann dahingestellt bleiben, ob diese Annahme zutrifft, weil die belangte Behörde darüber hinaus das - einen Familienwohnsitz im Südburgenland voraussetzende - Fehlen der Unzumutbarkeit, diesen Familienwohnsitz im Südburgenland aufzugeben, annehmen konnte. Sie durfte dabei davon ausgehen, dass nach der Rechtsprechung das Aufgeben eines solchen Familienwohnsitzes nicht unzumutbar ist, soferne der Abgabepflichtige nicht gewichtige dagegen sprechende Umstände vorbringt, und dass die Beschwerdeführerin solche Umstände im Verwaltungsverfahren nicht vorgebracht hat.

Die von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde wie schon im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Umstände, dass sie in T. geboren sei und seither ihren ordentlichen Wohnsitz (Anm.: seit dem Hauptwohnsitzgesetz, BGBl. Nr. 505/1994, Hauptwohnsitz) habe, stellten genauso wenig einen die Unzumutbarkeit der Aufgabe des Familienwohnsitzes bildenden Umstand dar, wie das Eigentum an einem von der Beschwerdeführerin bewohnten Einfamilienhaus.

Mit dem Vorbringen, die Beschwerdeführerin finde in ihrem Alter (im Streitjahr vollendete die Beschwerdeführerin ihr 43. Lebensjahr) keine gleichwertige Beschäftigung in der Umgebung ihres Hauptwohnsitzes im Südburgenland, verkennt sie, dass es nicht auf die Zumutbarkeit der Verlegung des Beschäftigungsortes, sondern des Aufgebens eines Familienwohnsitzes ankommt.

Soweit die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde sei ihrer Verpflichtung nicht nachgekommen, Ermittlungen zu den Ursachen der Unzumutbarkeit vorzunehmen, ist ihr entgegenzuhalten, dass es Sache des Steuerpflichtigen ist, der die Beibehaltung des in unüblicher Entfernung vom Beschäftigungsort gelegenen Familienwohnsitzes als beruflich veranlasst geltend macht, der Abgabenbehörde die Gründe zu nennen, aus denen er das Aufgeben des Familienwohnsitzes als unzumutbar ansieht, ohne dass die Abgabenbehörde in einem solchen Fall verhalten ist, nach dem Vorliegen auch noch anderer als der vom Steuerpflichtigen angegebenen Gründe für die behauptete Unzumutbarkeit zu suchen (vgl. das erwähnte hg. Erkenntnis vom 3. August 2004).

In der Berufung der Beschwerdeführerin, auf welche sie in der Beschwerde hinweist, hat die Beschwerdeführerin jedenfalls keine solchen Umstände aufgezeigt. Die letztlich als bloße Möglichkeit dargestellte und weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde näher konkretisierte Unterstützungsbedürftigkeit ihrer Eltern im Südburgenland in späteren Jahren stellt für das Streitjahr noch keinen Grund dar, aus welchem das Aufgeben des Familienwohnsitzes im Südburgenland als unzumutbar erkannt werden könnte.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005130037.X00

Im RIS seit

20.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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