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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §3 Z3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des E, vertreten durch Solicitor Edward W. Daigneault in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 11. Dezember 2007, Zl. Fr 1557/07, betreffend Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 62 Abs. 1 und 2 in Verbindung mit § 60 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot. Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie auf die rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers vom 13. April 2007 nach § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten, davon sieben Monate bedingt nachgesehen, und vom 12. Juli 2007 ebenfalls nach § 27 Abs. 1 und 2 Z 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten. Der Beschwerdeführer habe - diesen Verurteilungen zu Grunde liegend - am 16. Februar 2007 anderen Suchtgift, nämlich eine Kugel Kokain und eine Kugel Heroin, sowie am 25. Juni 2007 drei Kugeln Kokain einem verdeckten Ermittler überlassen. Wegen des gewerbsmäßigen Weiterverkaufs der "harten Drogen Heroin und Kokain" habe der Beschwerdeführer schwer wiegend gegen die österreichische Rechtsordnung verstoßen, weil mit der Suchtmittelkriminalität üblicherweise eine hohe Begleitkriminalität und eine große Wiederholungsgefahr einhergingen. Suchtmittelstraftaten seien in höchstem Maß sozialschädlich, weil dadurch eine Gesundheitsgefährdung im großen Ausmaß entstehen könne, wobei vor allem auch besonders schutzwürdige jugendliche Personen gefährdet seien. Der Beschwerdeführer gefährde somit massiv die öffentliche Ordnung und Sicherheit und es sei die Erlassung eines Rückkehrverbotes nach § 62 Abs. 1 und 2 FPG gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer sei im November 2006 illegal eingereist, sein Asylverfahren befinde sich im Berufungsstadium. Er habe keine familiären und privaten Bindungen in Österreich, sei hier keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen und sei nicht integriert. Auf Grund der großen sozialen Schädlichkeit der Suchtmittelkriminalität würde selbst eine ansatzweise zu erkennende Integration der Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht entgegen stehen. Das Rückkehrverbot sei zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Da der Zeitpunkt des Eintretens eines positiven Gesinnungswandels nicht prognostiziert werden könne - den Beschwerdeführer habe nicht einmal die Verhängung einer teilbedingten Freiheitsstrafe von neuerlichen Suchtgiftverkäufen abschrecken können -, sei die Erlassung eines unbefristeten Rückkehrverbotes unbedingt erforderlich. Es stehe weder die Ermessensbestimmung des § 62 Abs. 1 FPG noch die Beurteilung nach § 66 FPG der Erlassung des Rückkehrverbotes entgegen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) zuwiderläuft (Z 2).
Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen im Sinn des Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14.
Wie im Fall eines Aufenthaltsverbotes ist auch bei der Erstellung der für jedes Rückkehrverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei der Entscheidung, ein Rückkehrverbot zu erlassen, ist Ermessen zu üben, wobei die Behörde vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung auf alle für und gegen das Rückkehrverbot sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, Zl. 2007/21/0206).
Der Beschwerdeführer bringt vor, die Weiterverbreitung problematischer Drogenabhängigkeit sei "nicht in erster Linie dem Erzeuger und dem Händler der Droge sondern der unzureichenden Prävention an den Schulen und der zur sozialen Reintegration ehemaliger oder aktuell problematischer Drogenkonsumenten in die Gemeinschaft unwilligen Gesellschaft" zuzurechnen. Es würde somit durch eine allfällige weitere gleichartige Straftat die Volksgesundheit nicht nachhaltig gefährdet. Eine Prognose könne im Hinblick "auf die Nichtvollstreckbarkeit während meiner Haft derzeit und im Hinblick auf die oben dargestellte Irrelevanz meiner Straftat auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit Österreichs überhaupt nicht vorgenommen" werden.
Dieses Vorbringen kann nur als völlige Uneinsichtigkeit des Beschwerdeführers in die Sozialschädlichkeit seiner Straftaten gewertet werden. In keiner Weise vermag er damit die von der belangten Behörde getroffene Prognose nach § 62 Abs. 1 FPG in Zweifel zu ziehen. Der belangten Behörde kann entgegen der Beschwerdemeinung auch nicht vorgeworfen werden, dass sie mit der Erlassung eines Rückkehrverbotes nicht zugewartet habe, zumal der Beschwerdeführer keine lange Freiheitsstrafe zu verbüßen hat und der Haftaufenthalt allein keine Änderung der Prognose erkennen lässt. Im Übrigen stünde bei einem Wegfall der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers das Rechtsinstitut der Aufhebung des Rückkehrverbotes (§ 65 FPG) zur Verfügung.
Gemäß § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist, würde durch ein Rückkehrverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, dieses nur zulässig, wenn es zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Nach § 62 Abs. 3 iVm § 66 Abs. 2 leg. cit. ist diese Maßnahme unzulässig, wenn deren Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Die Beurteilung der belangten Behörde nach § 66 in Verbindung mit § 62 Abs. 3 FPG wird in der Beschwerde nicht releviert; angesichts des kurzen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und des Fehlens familiärer Bindungen sowie integrationsbegründender Umstände kann die Zulässigkeit des Rückkehrverbotes nach § 66 FPG auch nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden. Es fehlen auch jegliche für den Beschwerdeführer sprechende Umstände, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr eingeräumten Ermessen zu seinen Gunsten Gebrauch zu machen.
Letztlich versucht der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides damit aufzuzeigen, dass er im Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides nicht mehr im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen wohnhaft gewesen sei, sondern sich "bereits in Wien in Gerichtshaft befunden habe". Mit diesem Vorbringen meint der Beschwerdeführer offenkundig, dass durch die Haft ein Wohnsitzwechsel stattgefunden habe. Demgegenüber sprach der Gerichtshof aber bereits aus (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 2004, Zl. 2001/18/0230), dass durch die Haft kein (neuer) Wohnsitz begründet wird. Dass der Beschwerdeführer auf andere Weise seinen Wohnsitz im Sprengel der Bezirkshauptmannschaft Neunkirchen aufgegeben habe, wird in der Beschwerde nicht behauptet. Aus diesem Grund kommt es auf die in der Beschwerde angesprochene subsidiäre Zuständigkeit nach dem Aufenthalt zum Zeitpunkt des ersten behördlichen Einschreitens (§ 6 Abs. 2 FPG) nicht an.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2008
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008210069.X00Im RIS seit
03.04.2008Zuletzt aktualisiert am
09.11.2011