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25/02 Strafvollzug;Norm
StVG §103 Abs2 Z1a;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des K W, derzeit Justizanstalt G, vertreten durch Mag. Johannes Schröttner, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 6/II, gegen den Bescheid der Vollzugskammer beim Oberlandesgericht Graz vom 16. Oktober 2006, Vk 36/06-2, betreffend eine Angelegenheit gemäß StVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Strafgefangener der Justizanstalt G und verbüßt auf Grund mehrerer Verurteilungen eine Freiheitsstrafe im Gesamtsausmaß von 18 Jahren. Das errechnete Strafende fällt auf den 19. Juli 2018.
Der Beschwerdeführer erhob mit Schreiben vom 10. Juli 2006 an die Anstaltsleitung (bei dieser eingegangen am 10. Juli 2006) Beschwerde gegen seine Anhaltung in "Einzelhaft". Er befinde sich seit dem 2. Juli 2005 in Einzelhaft. Dies geschehe gegen seinen Willen und sei nicht vom Vollzugsgericht angeordnet worden und auch nicht terminisiert worden. Sein Zusammenkommen mit Mithäftlingen beschränke sich auf eine Stunde Spaziergang zusammen mit einigen als sehr schwierig eingestuften Mithäftlingen. Ein Anschluss finde nur statt, wenn ein anderer Mithäftling auch daran teilnehme. Dies stehe im Widerspruch zu § 103 Abs. 2 Z. 1a bzw. § 125 Abs. 2 StVG.
Die belangte Behörde gab dieser Beschwerde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge. Sie führte dazu im Wesentlichen aus, dass die Anstaltsleitung der Justizanstalt G in ihrer Stellungnahme vom 19. Juli 2006 darlege, dass der Beschwerdeführer nicht in Einzelhaft gemäß § 125 StVG angehalten werde, sondern auf Grund des Vorliegens eines der im § 103 Abs. 1 StVG beschriebenen Gefahrenmomente eine besondere Sicherheitsmaßnahme im Sinne des § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG gegenüber dem Beschwerdeführer angeordnet worden und dieser daher in der Abteilung "erhöhte Sicherheit ..." (vormals C1) untergebracht sei.
Die belangte Behörde stellte fest, dass der Beschwerdeführer am 2. Juli 2005 in der Justizanstalt G einen Fluchtversuch unternommen habe. Wie aus der Vollzugsinformation über den Beschwerdeführer zu entnehmen sei, habe dieser Ausbruchsvorbereitungen in den Jahren 2001 (Justizanstalt St. Pölten), 2002 (Justizanstalt Wr. Neustadt) und 2003 (Justizanstalt Garsten) getätigt. Des Weiteren habe er bereits 1971 einen Ausbruchsversuch in der Außenstelle Favoriten unternommen und im Jahre 1981 sei ihm die Flucht aus der Justizanstalt Hirtenberg gelungen.
Der Beschwerdeführer zeige vor allem während der derzeitigen Haft (seit dem Jahre 2000) durch sein Verhalten einen starken und bereits mehrere Jahre andauernden, ungebrochenen Willen, sich dem weiteren Vollzug seiner Freiheitsstrafe durch Flucht zu entziehen. Es sei daher beim Beschwerdeführer von einer permanenten und durch den letzten Fluchtversuch am 2. Juli 2005 wiederum bestätigten Fluchtgefahr im Sinne des § 103 Abs. 1 StVG auszugehen.
Auf Grund des Vorliegens dieses Gefahrenmomentes und des oben angeführten Fluchtversuches am 2. Juli 2005 sei die Unterbringung des Beschwerdeführers auf der Abteilung "erhöhte Sicherheit ..."
als besondere Sicherheitsmaßnahme im Sinne des § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG vom Anstaltsleiter der Justizanstalt G angeordnet worden.
Werde ein Strafgefangener aus Sicherheitsgründen in einem Einzelhaftraum gemäß § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG angehalten, so habe er, sofern er nicht zumindest zwei Stunden täglich mit anderen Insassen arbeite oder über den gleichen Zeitraum die Freizeit gemeinsam verbringe, das subjektiv-öffentliche Recht, während zumindest zweier Stunden pro Tag in Gemeinschaft angehalten zu werden.
Wie aus den Beilagen zur Stellungnahme des Anstaltsleiters der Justizanstalt G hervorgehe, werde der Beschwerdeführer täglich in der Zeit von 7.30 Uhr bis 9.35 Uhr (eine Stunde in einem Freizeitraum und eine Stunde bei der Bewegung im Freien) in Gemeinschaft angehalten und entspreche dies den Vorgaben der angeführten Bestimmung. Die Dauer dieser Anhaltung unterliege, sofern die Gründe, die zu dieser Anordnung geführt hätten, weiterhin andauern und bestehen, keinen zeitlichen Höchstgrenzen. Der Beschwerdeführer sei nicht, wie von diesem moniert, in Einzelhaft gemäß § 125 StVG.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall ist das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG) in der Fassung der Novelle, BGBl. I Nr. 113/2006 (die Novelle BGBl. I Nr. 102/2006 nur insoweit, als sie am Tag nach der Kundmachung am 26. Juni 2006 in Kraft getreten ist), anzuwenden.
Gemäß § 103 Abs. 1 StVG sind gegen Strafgefangene, bei denen Fluchtgefahr, die Gefahr von Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen oder die Gefahr eines Selbstmordes oder der Selbstbeschädigung besteht oder von denen sonst eine beträchtliche Gefahr für die Sicherheit oder Ordnung ausgeht, die erforderlichen besonderen Sicherheitsmaßnahmen anzuordnen.
Als besondere Sicherheitsmaßnahmen, die eine zusätzliche Beschränkung der Lebensführung des Strafgefangenen mit sich bringen, kommen u.a. in Betracht:
"1a. die Unterbringung eines Strafgefangenen, der entweder während der täglichen Arbeit oder während einer täglichen Freizeit von mindestens zwei Stunden in Gemeinschaft angehalten wird, für die verbleibende Zeit in einem Einzelhaftraum".
Gemäß Abs. 5 dieser Bestimmung sind besondere Sicherheitsmaßnahmen aufrecht zu erhalten, soweit und solange dies das Ausmaß und der Fortbestand der Gefahr, die zu ihrer Anordnung geführt hat, unbedingt erfordern.
Gemäß § 124 Abs. 1 StVG sind die Strafgefangenen bei Tag so lange wie möglich in Gemeinschaft mit anderen, während der Zeit der Nachtruhe möglichst einzeln unterzubringen. Soweit es nach der Art des Vollzuges und den sonstigen Umständen zweckmäßig ist, hat die Unterbringung in Wohngruppen oder sonst ohne Verschließung der Haft- oder Aufenthaltsräume bei Tag zu erfolgen.
Gemäß § 125 Abs. 1 StVG muss ein Strafgefangener, wenn er aus welchem Grund immer bei Tag und bei Nacht einzeln untergebracht (Einzelhaft) ist, - soweit er keine Besuche erhält (§ 93) - mindestens einmal täglich von einem geeigneten Vollzugsbediensteten aufgesucht werden.
Gemäß Abs. 2 erster und dritter Satz dieser Bestimmung darf ein Strafgefangener gegen seinen Willen über vier Wochen hinaus ununterbrochen in Einzelhaft nur auf Anordnung des Vollzugsgerichtes angehalten werden, das hierüber auf Antrag des Anstaltsleiters zu entscheiden hat. Über sechs Monate hinaus darf ein Strafgefangener nur auf sein Verlangen und nur mit Zustimmung des Anstaltsarztes ununterbrochen in Einzelhaft angehalten werden.
Nach Ansicht des Beschwerdeführers handle es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Anhaltung im Sinne des § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG, da der Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit habe, sich täglich zwei Stunden in Gemeinschaft aufzuhalten. Er habe täglich die Möglichkeit, über einen Zeitraum von einer Stunde im Hof mit zwei Mithäftlingen, die selbst gemäß § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG angehalten würden, zu verbringen und über einen Zeitraum von einer Stunde in einem Freizeitraum mit einer weiteren Person. Auch bei letzterer handle es sich um eine Person, die gemäß § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG angehalten werde. Der Verwaltungsgerichtshof habe ausgesprochen, dass die Teilnahme an der Bewegung im Freien dann als Anhaltung in Gemeinschaft anzusehen sei, wenn diese nicht abgesondert von anderen Strafgefangenen oder Untergebrachten erfolge (Hinweis auf das Erkenntnis vom 30. Oktober 1985, Zl. 85/01/0016, 0017). § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG sehe zwingend vor, dass der Beschwerdeführer, ohne von den sonstigen Strafgefangenen abgesondert zu werden, für zwei Stunden mit anderen Häftlingen in Gemeinschaft verbringen könne.
Diesem Vorbringen ist Folgendes entgegenzuhalten:
Soweit der Beschwerdeführer erstmals in der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof vorbringt, dass er den einstündigen Aufenthalt im Freizeitraum lediglich mit einer Person verbringe, handelt es sich um ein neues Vorbringen, das im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot nicht mehr berücksichtigt werden kann. In der Beschwerde vor den Strafvollzugsbehörden hat der Beschwerdeführer geltend gemacht, dass sich sein Zusammenkommen mit Mithäftlingen bei dem einstündigen Spaziergang auf einige als sehr schwierig eingestufte Mithäftlinge beschränke.
Aus der Regelung in § 124 Abs. 1 StVG über die Unterbringung von Strafgefangenen in Gemeinschaft kann abgeleitet werden, dass darunter ein Aufenthalt eines Strafgefangenen mit jedenfalls zwei weiteren Strafgefangenen zu verstehen ist. Aus der Anordnung in § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG, dass die Anhaltung mindestens während zwei Stunden in Gemeinschaft zu erfolgen habe, lässt sich nichts dazu ableiten, dass es sich dabei um bestimmte Strafgefangene handeln muss, etwa wie der Beschwerdeführer meint, keine Strafgefangenen, für die eine Sicherungsmaßnahme gemäß § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG vorgesehen ist. Auch Strafgefangene, die einer solchen Maßnahme unterliegen, sind als "andere" Strafgefangene im Sinne des § 124 Abs. 1 erster Satz StVG zu verstehen. Aus den vorgelegten Akten ergibt sich, dass die Bewegung im Freien für den Beschwerdeführer in einer Gruppe von insgesamt vier Strafgefangenen stattfindet, die selbst gemäß § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG angehalten werden. Nach dem Vorbringen in der Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof verbringt er täglich eine Stunde mit Bewegung im Freien und eine Stunde im Freizeitraum (dass ihm nur eine Stunde täglich eine andere Anhaltung als die im Einzelhaftraum ermöglicht werde, wird nicht mehr behauptet). Dies gilt in gleicher Weise für die Benützung des Freizeitraumes durch den Beschwerdeführer. Dem Recht des Beschwerdeführers auf eine tägliche Freizeit von mindestens zwei Stunden in Gemeinschaft wurde somit entsprochen. Es liegt daher eine zulässige Sicherheitsmaßnahme gemäß § 103 Abs. 2 Z. 1a StVG und nicht eine Einzelhaft gemäß § 125 StVG vor.
Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, er sei nach Erhebung seiner Beschwerde vor den Strafvollzugsbehörden nicht mehr gehört worden, insbesondere sei ihm die Stellungnahme der Anstaltsleitung nicht vorgehalten worden.
Dem hält die belangte Behörde zutreffend entgegen, dass der Anstaltsleiter im vorliegenden Beschwerdefall im Auftrag der belangten Behörde die von der Anstaltsleitung erstattete Stellungnahme dem Beschwerdeführer am 19. Juli 2006 zur Kenntnis gebracht und ihm drei Tage zur schriftlichen Gegenäußerung eingeräumt hat. Dies belegt eine entsprechende vom Beschwerdeführer am 19. Juli 2006 unterschriebene, im Akt einliegende Erklärung. Eine Stellungnahme ist vom Beschwerdeführer nicht erstattet worden. Dass dem Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid bezogenen Beilagen nicht vorgehalten worden wären, bringt er nicht vor.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007060069.X00Im RIS seit
16.05.2008Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008