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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des Ing. P V in W, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Wohllebengasse 18/16, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 29. Juni 2006, Zl. MA 16 - 31/Mi/2006, betreffend Interessenbescheid gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG (mitbeteiligte Partei: C I AG in W, vertreten durch Dr. Hannes Jarolim, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3, 1. OG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Mitbeteiligte beantragte mit Schriftsatz vom 15. März 2005 (beim Magistrat der Stadt Wien eingelangt am 22. März 2005) die Erlassung eines Interessenbescheides gemäß § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG. Dies wurde damit begründet, dass sich auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft im 3. Wiener Gemeindebezirk im Hof ein Lager mit einer Fläche von etwa 300 m2 und ein Gartenhaus mit ca. 40 m2 befinde. Straßenseitig bestehe auf diesem Grundstück ein 4-stöckiges Zinshaus. Bei der restlichen Liegenschaftsfläche im Hof handle es sich um Kfz-Stellplätze und um Grünflächen. Die Mitbeteiligte beabsichtige im Hofraum die Errichtung eines Wohnhauses im Widmungsbereich der Bauklasse III mit einer Nutzfläche von 1740 m2 . Es seien 26 neue Mietwohnungen mit einer Größe zwischen 50 und 70 m2 in den Regelgeschoßen und Wohneinheiten im Dachgeschoß mit einer Größe von rund 110 m2 geplant. Je nach Lage und Stockwerk sei ein Betrag an Nettomiete zwischen EUR 9,-- und EUR 11,-- pro m2 vorgesehen. An der geplanten Errichtung eines Wohnhauses mit der Schaffung von 26 Mietwohnungen bestehe ein öffentliches Interesse. Mit diesen Wohnungen könnte eine Beseitigung oder doch zumindest eine Milderung des im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes bzw. des qualitativen Wohnfehlbestandes herbeigeführt werden.
Der Beschwerdeführer nahm zu dem Antrag mehrfach Stellung. Im Schriftsatz vom 10. November 2005 führte er insbesondere aus, dass er in dem Gebäude an der Straße im Erdgeschoss das Geschäftslokal für sein Teppich- und Polstermöbelreinigungsunternehmen (auch "Autokosmetik"), 3 Kfz-Stellplätze im Hof und das im Hof gelegene Lager seit 1984 angemietet habe. Die Waschanlage sei im Lager untergebracht. Es sei für den Betrieb von größter Bedeutung, dass sich die Waschanlage, die Kfz-Stellplätze und das Geschäftslokal auf derselben bzw. auf unmittelbar benachbarten Grundstücken befänden. Es sei seine regelmäßige Anwesenheit im Büro erforderlich und er müsse, was die "Autokosmetik" betreffe, die Arbeiten ständig kontrollieren. Die Lage des Standortes sei für seinen Betrieb sehr bedeutend. Viele große Hotels und Unternehmen in der Innenstadt und Umgebung gehörten zu seinen Kunden. Er müsse die Kunden jederzeit möglichst schnell erreichen. Er werde regelmäßig von großen Hotels beauftragt, von Gästen verschmutzte Hotelzimmer zu reinigen. Eine Verlegung des Standortes würde zu einem beträchtlichen Geschäftsrückgang führen, sodass er Mitarbeiter kündigen müsste.
In seiner Stellungnahme vom 18. Jänner 2006 meinte er insbesondere, es treffe nicht zu, dass in der vorliegenden Gegend um die U-Gasse bzw. im 3. Wiener Gemeindebezirk ein großer Bedarf an Wohnungen bestehe. Ein Blick ins Internet würde zeigen, dass gerade in diesem Bezirk hunderte Wohnungen leer stünden und anzumieten bzw. zu kaufen seien. Es würden über die Immobilienplattform www.immobilien.net derzeit 377 im 3. Bezirk gelegene Mietwohnungen sowie 235 im 3. Bezirk gelegene Eigentumswohnungen angeboten. Über die von der Wohnnet Service GmbH betriebene Internetseite www.immonet.at würden derzeit 150 im
3. Bezirk gelegene Miet- und Eigentumswohnungen angeboten. Darüber hinaus gebe es eine Vielzahl weiterer Anbieter, vor allem Immobilienbüros und Banken. Wenn sich die Mitbeteiligte darauf stütze, dass beim Wohnservice Wien derzeit rund 60.000 Personen, bei Wiener Wohnen etwa 16.000 Personen wohnungssuchend gemeldet seien, sei festzustellen, dass die Mitbeteiligte Angaben darüber, woher sie diese Zahlen habe, ebenso schuldig bleibe wie Beweise für diese Behauptungen. Abgesehen davon würden über Wiener Wohnen bzw. das Wohnservice Wien ausschließlich Gemeindewohnungen, d. h. Wohnungen mit einem sehr niedrigen Mietzins (an Personen, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen) vergeben. Personen, die bei diesen Institutionen gemeldet seien, könnten sich Wohnungen mit einem Nettohauptmietzins zwischen EUR 9,-- und EUR 11,-- pro m2 nicht leisten. Es sei weiters unzutreffend, dass er bei dem in dem von ihm angemieteten Geschäftslokal nur eine Teppichannahmestelle betreibe. Es bestehe vielmehr seit 21 Jahren in diesem Geschäftslokal eine namhafte Teppich- und Polstermöbelreinigung sowie eine Autokosmetik. In den von ihm angemieteten Räumlichkeiten im Hof sei eine Waschanlage untergebracht. Diese Räumlichkeiten würden nicht zu Lagerzwecken verwendet. Der Beschwerdeführer legte weiters dar, dass es zwar einige Unternehmen innerhalb des Gürtels gebe, die ausnahmsweise auch Teppiche zur Reinigung übernähmen. Diese würden die übernommenen Teppiche aber an die Firma B. bzw. an seine Firma weitergegeben. Er sei somit das einzige große Teppich- und Polstermöbelreinigungsunternehmen innerhalb des Gürtels.
Der Magistrat der Stadt Wien (MA 64) erkannte mit Bescheid vom 13. März 2006, dass die Errichtung des geplanten Neubaues und die Adaptierung des bestehenden Hauses auf der näher angeführten Liegenschaft, KG L., im öffentlichen Interesse liege. Die Erweiterung der Durchfahrt des Straßentraktes auf der genannten Liegenschaft liege dagegen nicht im öffentlichen Interesse.
In dieser Entscheidung wird insbesondere ausgeführt, dass sich der Antrag auf den Tatbestand der Beseitigung des im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes bzw. des qualitativen Wohnfehlbestandes stütze. Der Beschwerdeführer mache geltend, dass er das Lager auch für Arbeiten verwende und sein Geschäft wesentlich mit diesem Standort verbunden sei. Die Verlegung des Unternehmens wäre existenzgefährdend. Außerdem sei der Bedarf an teuren Mietwohnungen im 3. Bezirk nicht gegeben.
Unbestritten sei, dass nach der Durchführung der geplanten Baumaßnahmen 26 neue Wohnungen der Kategorie A geschaffen würden. Die Größe der geplanten Wohnungen betrage zwischen 50 und 110 m2, die Nettomiete solle nach den Angaben der Mitbeteiligten zwischen EUR 9,-- und EUR 11,-- pro m2 betragen. Es würden somit keine Luxuswohnungen geschaffen. Der Wohnungsfonds Wien (Fonds für Wohnbau- und Stadterneuerung) habe im Verfahren festgestellt, dass durch die geplante Hofverbauung auf Grund der zentrumsnahen Lage des Gebäudes hochwertiger Wohnraum geschaffen werde und die Vorgaben des geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes erfüllt würden. Das öffentliche Interesse an der Errichtung des Neubaues sei somit gegeben. Dem Argument des Beschwerdeführers, das Unternehmen sei standortgebunden, könne nicht gefolgt werden. Eine Teppich- und Polsterreinigung sei kein Gewerbe, das an bestimmten Standorten unverzichtbar sei, und es sei nicht nachvollziehbar, warum Stammkunden nicht auch bei einem Standortwechsel dem Unternehmen treu bleiben sollten. Der Vermieter habe nach dem MRG dem Mieter in einem allfälligen Kündigungsverfahren ein nach Lage und Beschaffenheit angemessenes Ersatzobjekt anzubieten. Selbst wenn man davon ausgehe, dass die vorliegende Bestimmung des MRG im Zweifel restriktiv auszulegen sei, könne das Interesse des Beschwerdeführers, seinen Gewerbestandort nicht an einen anderen Ort zu verlegen, das öffentliche Interesse an der Schaffung von 26 kategoriemäßig ausgestatteten Wohnungen nicht überwiegen. Das öffentliche Interesse an der Realisierung des Projektes, wofür aber die Verbreiterung der Durchfahrt des Straßentraktes nicht erforderlich sei, sei aus den dargelegten Erwägungen gegeben und überwiege das Interesse des Beschwerdeführers, als Mieter diesen Standort aufrecht zu erhalten.
Die belangte Behörde änderte auf Grund der Berufungen der Mitbeteiligten (dieser nur gegen den abweisenden Spruchteil) bzw. des Beschwerdeführers Spruchpunkt I. dahingehend ab, dass nunmehr auch die Erweiterung der Hausdurchfahrt auf der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft als im öffentlichen Interesse gelegen erkannt wurde. Die belangte Behörde führte insbesondere aus, dass für die materielle Beurteilung der Assanierungsbedürftigkeit außerhalb von Assanierungsgebieten gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 Stadterneuerungsgesetz die Tatsache reiche, dass mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken diene. Im Bericht des Bautenausschusses (109 BlgNR 13. GP) zu § 35 StadterneuerungsG werde unter Assanierung die Veränderung des Baubestandes durch Abbruch und Neubau oder durch Umbau von Baulichkeiten verstanden. Eine Beschränkung des neuen Objektes auf Art und Umfang des Altbestandes sei aus dem Ausschussbericht nicht ableitbar. Nach dem Willen des Gesetzgebers sei die einzige Bedingung, dass die Neuerrichtung den geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplänen entspreche. Es sei nach Ansicht der belangten Behörde mittels Analogieschluss im vorliegenden Fall ein Assanierungszweck zu bejahen. Die Verwaltungsbehörde habe zu entscheiden, ob der geplante Neubau zu Assanierungszwecken im öffentlichen Interesse liege.
Bei Verwirklichung der geplanten Hofbebauung würden 26 neue Mietwohnungen einschließlich Tiefgarage und den erforderlichen Pflichtstellplätzen geschaffen. Die Baubewilligung sei mittlerweile von der Bauoberbehörde mit Bescheid vom 27. Februar 2006 erteilt worden. In diesem Verfahren seien sämtliche von den Nachbarn erhobene Einwendungen wegen Gesetzwidrigkeit der gegenständlichen Flächenwidmung W. III. g als unzulässig zurückgewiesen bzw. im Berufungsverfahren als unbegründet abgewiesen worden. Es sei daher davon auszugehen, dass die Herstellung einer den Bebauungsplänen entsprechenden Bebauung im öffentlichen Interesse gelegen sei. Die Verwirklichung des Bebauungsplanes für sich alleine begründe kein öffentliches Interesse. Es lägen allerdings im vorliegenden Fall mehrere Komponenten vor, die für die Annahme eines öffentlichen Interesses sprächen:
Das durch die Neuerrichtung bewirkte teilweise Abdecken der Feuermauern zur benachbarten Liegenschaft führe eine Verbesserung des Stadtbildes herbei und dies stelle ein öffentliches Interesse an dem vorliegenden Bau dar. Weites befinde sich das verfahrensgegenständliche Abbruchsobjekt in einer nach dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausgewiesenen Wohnzone. Nach einer Stellungnahme der MA 19 stehe ein Abbruch der im Hofbereich befindlichen Baukörper der im Flächenwidmungs- und Bebauungsplan ausgewiesenen Schutzzone nicht entgegen. Wohnzonen dienten gemäß § 7a Abs. 1 BauO für Wien aus näher genannten Gründen der Erhaltung des Wohnungsbestandes sowohl im Wohngebiet als auch im gemischten Baugebiet. Es liege daher ein öffentliches Interesse an der Errichtung eines Wohngebäudes im Einklang mit den bebauungsrechtlichen Zweckbestimmungen vor. Dies ergebe auch die Stellungnahme des Wohnfonds Wien vom 23. Mai 2005, wonach durch die geplante Hofverbauung auf Grund der zentrumsnahen Lage des Gebäudes hochwertiger Wohnraum geschaffen werden könnte.
Im Hinblick auf die dargelegten Ausführungen liege der geplante Neu-/Umbau nach Ansicht der belangten Behörde überwiegend im öffentlichen Interesse. Eine weitere Auseinandersetzung mit dem Tatbestand eines bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder qualitativen Wohnfehlbestandes erübrige sich daher.
Zu der nach der Bestimmung geforderten Interessenabwägung des öffentlichen Interesses mit den schutzwürdigen Interessen der betroffenen Mieter stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer die behauptete Umsatzeinbuße im Falle der Verlegung des Standortes des Unternehmens nicht näher dargelegt habe. Die aufgezeigten finanziellen und wirtschaftlichen Nachteile, nämlich ein "beträchtlicher Geschäftsrückgang", seien mangels konkreter Wirtschaftsdaten bzw. Ausführungen nicht nachvollziehbar und könnten daher keine Argumentation für eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Beschwerdeführers darstellen. Mit dem bloßen Hinweis auf den befürchteten Umsatzrückgang lasse das Vorbringen des Beschwerdeführers konkrete, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben vermissen. Daher könne das bloße Vorbringen, eine Standortverlegung führe automatisch zu einem beträchtlichen Geschäftsrückgang, im Falle einer Interessensabwägung des öffentlichen Interesses gegenüber einem privaten Interesse nicht als dementsprechend schutzwürdig "aufgewogen" (offenbar gemeint: beurteilt) werden. Es sei nicht ausreichend glaubhaft dargetan, geschweige denn ziffernmäßig untermauert worden, dass im Falle einer notwendigen Abwanderung ein unverhältnismäßiger Nachteil und in diesem Sinne ein schutzwürdiges Interesse des Beschwerdeführers als Mieter gegeben wäre.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und - wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Mietrechtsgesetz, BGBl. Nr. 520/1981 (MRG) in der Fassung BGBl. I Nr. 113/2003 (Art. I), zur Anwendung.
Gemäß § 30 Abs. 1 MRG kann der Vermieter nur aus wichtigen Gründen den Mietvertrag kündigen.
Gemäß Abs. 2 Z. 15 dieser Bestimmung ist als ein wichtiger Grund anzusehen, wenn ein Miethaus ganz oder in dem Teil, in dem sich der Mietgegenstand befindet, abgetragen oder umgebaut werden soll, mit dem Abbruch (Umbau) die Errichtung eines neuen (geänderten) Baues sichergestellt ist, die Bezirksverwaltungsbehörde auf Antrag des Bauwerbers mit Bescheid erkannt hat, dass selbst unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der bisherigen Mieter der geplante Neubau (Umbau) aus Verkehrsrücksichten, zu Assanierungszwecken, zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfs oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sind, oder aus anderen Gründen im öffentlichen Interesse liegt und dem Mieter Ersatz beschafft wird.
Der Beschwerdeführer verweist zutreffend darauf, dass die belangte Behörde das öffentliche Interesse des geplanten Bauvorhabens insbesondere damit begründet habe, dass
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26 neue Mietwohnungen einschließlich Tiefgarage samt erforderlichen Pflichtstellplätzen geschaffen würden,
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weiters das Stadtbild verbessert würde, weil das Bauvorhaben ein teilweises Verdecken der Feuermauern zur benachbarten Liegenschaft bewirken würde,
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das Vorhaben in einer Wohnzone gelegen sei; Wohnzonen dienten der Erhaltung des Wohnungsbestandes im Wohngebiet als auch im gemischten Baugebiet;
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weiters die Vereinbarkeit des Abbruches wie des Projektes mit dem geltenden Flächenwidmungs- und Bebauungsplan gegeben sei.
Zu dem Argument der Widmung des Grundstückes als Wohnzone ist festzustellen, dass aus dem Umstand einer solchen Widmung, die der Erhaltung des Wohnungsbestandes dient, keine Aussage und keine Zielsetzung für die Schaffung von neuen Wohnungen abgeleitet werden kann. Auch aus der Vereinbarkeit des beabsichtigten Abbruches bzw. des geplanten Neubaues mit dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan kann für die Schaffung des Wohnhauses kein öffentliches Interesse abgeleitet werden. Das durch das Bauvorhaben auch bewirkte Verdecken von bestehenden Feuermauern könnte für sich allein den vorliegenden Eingriff nicht rechtfertigen.
Das zentrale Argument der belangten Behörde war aber die Vermehrung der Wohnungen in diesem Gebiet um 26. Wenn es aber bei einem Umbau bzw. Neubau im Sinne des § 30 Abs. 2 Z. 15 MRG um die Vermehrung von Wohnungen in einem Gebiet geht, erfordert diese Bestimmung, dass diese Wohnungen zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes oder eines qualitativen Wohnfehlbestandes geeignet sein müssen. Mit dem Vorliegen dieser Voraussetzungen hat sich die belangte Behörde aber unzutreffenderweise nicht auseinander gesetzt (vgl. dazu u.a. die hg. Erkenntnisse vom 23. Februar 2001, Zl. 99/06/0131, und vom 23. November 2004, Zl. 2004/06/0111). Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid aber mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes.
Soweit der Bescheid dahin verstanden werden könnte, dass sich die belangte Behörde auch auf Assanierungszwecke beruft (die belangte Behörde spricht diese Problematik an, stützt sich dann aber eigentlich nicht auf dieses Argument, indem sie sich auf die angeführten, als öffentliche Interessen des beabsichtigten Projektes behandelten Argumente stützt), ist dazu Folgendes auszuführen:
Wenn sich die belangte Behörde dabei darauf beruft, es sei die Voraussetzung des § 1 Abs. 2 Z. 2 Stadterneuerungsgesetz vorgelegen, dass mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche Wohnzwecken diene, kann ihr nicht gefolgt werden. Der Begriff der Assanierung in dieser Bestimmung des MRG ist im Sinne des Stadterneuerungsgesetzes, BGBl. Nr. 287/1974 (StEG), auszulegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1989, Zl. 88/01/0183).
Das StEG gilt gemäß § 1 Abs. 2 StEG i.d.F. BGBl. Nr. 340/1987 auch für Gebäude außerhalb von Assanierungsgebieten, sofern
1. sie mit den Bebauungsvorschriften (Flächenwidmungs- und Bebauungsplan) vereinbar sind,
2. mindestens die Hälfte der Gesamtnutzfläche, das ist die Summe der Nutzflächen aller Wohnungen und Geschäftsräume, Wohnzwecken dient,
3.
sie mehr als zwei Wohnungen enthalten und
4.
mindestens die Hälfte der Wohnungen mangelhaft ausgestattet ist (§ 3 Z 10).
Hievon ausgenommen sind landwirtschaftliche Wohnhäuser außerhalb eines geschlossenen Siedlungsgebietes. Z 1 gilt für zum Abbruch bestimmte Gebäude nicht."
Schon auf Grund der unzutreffenden Auslegung des Begriffes "Assanierung" durch die belangte Behörde (die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 StEG müssen kumulativ vorliegen), stellt sich der angefochtene Bescheid auch in dieser Hinsicht als inhaltlich rechtswidrig dar.
Es stellt auch eine wesentliche Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, wenn die belangte Behörde, ohne den Beschwerdeführer noch einmal einzuvernehmen oder zu einem ergänzenden Vorbringen aufzufordern, sein Vorbringen, dass er gravierende Umsatzeinbußen und einen beträchtlichen Geschäftsrückgang im Falle einer Verlegung des Standortes im Hinblick auf seine Kunden, deren Standorte vor allem in der Innenstadt und Umgebung gelegen seien, zu befürchten habe, einfach damit abtut, dass der Beschwerdeführer dazu keine konkreteren, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben vorgetragen habe.
Nicht im Recht ist der Beschwerdeführer allerdings, wenn er meint, dass die Vermehrung von Wohnungen um 26 lediglich eine geringfügige Vermehrung von Wohnungen darstelle.
Da eine inhaltliche Rechtswidrigkeit einer Rechtswidrigkeit wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgeht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 28. Februar 2008
Schlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Besondere RechtsgebieteSachverhalt Sachverhaltsfeststellung Parteivorbringen Erforschung des ParteiwillensEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006060232.X00Im RIS seit
04.04.2008Zuletzt aktualisiert am
04.02.2009