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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §914;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des S E E in K, geboren am 8. Oktober 1978, vertreten durch Edward W. Daigneault, Solicitor in 1170 Wien, Hernalser Gürtel 47/4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. März 2007, Zl. E1/76719/2007, betreffend Zurückweisung einer Berufung gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 18. November 2006 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Mit Bescheid vom 9. März 2007 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) die Berufung des Beschwerdeführers gegen diesen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 iVm § 63 Abs. 5 AVG als verspätet zurückgewiesen.
Der Bescheid der Behörde erster Instanz sei dem Beschwerdeführer persönlich am 28. November 2006 zugestellt worden. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe somit am 11. Dezember 2006 geendet. Der Beschwerdeführer habe mit Schreiben vom 9. Jänner 2007 die Zustellung des Aufenthaltsverbotsbescheid an seinen Vertreter beantragt und sich darauf berufen, bereits mit dem am 21. Dezember 2005 gestellten Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung das aufrechte Vertretungsverhältnis angezeigt zu haben.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 21. Dezember 2005 habe u. a. folgenden Inhalt:
"Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung
In umseits bezeichneter Rechtssache gebe ich bekannt, dass ich mit meiner rechtsfreundlichen Vertretung (den Beschwerdevertreter) beauftragt habe.
Ich ersuche, sämtliche Zustellungen an ihn vorzunehmen."
Auf Grund dieses Schreibens habe die Behörde erster Instanz den Aufenthaltsverbotsbescheid am 29. Jänner 2007 an den Beschwerdevertreter zugestellt. Die Berufung sei am 12. Februar 2007 per Telefax eingebracht worden.
Nach dem eindeutigen Wortlaut des Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 21. Dezember 2005 habe sich das Vertretungsverhältnis ausschließlich auf das Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bezogen. Die Behörde erster Instanz habe den Aufenthaltsverbotsbescheid daher rechtswirksam am 28. November 2006 an den Beschwerdeführer persönlich zugestellt. Die neuerliche Zustellung dieses Bescheides löse keinerlei Rechtswirkungen aus.
Die sich somit als verspätet erweisende Berufung sei daher zurückzuweisen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Beschwerdeführer bringt vor, seinem Vertreter am 19. April 2004 eine Vollmacht u.a. zur Vertretung in allen Rechtsangelegenheiten vor Verwaltungsbehörden erteilt zu haben. Im Antrag vom 21. Dezember 2005 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 49 Fremdengesetz 1997 habe er sich gegenüber der Bundespolizeidirektion Wien durch den Vermerk "Vollmacht erteilt" auf diese Vollmacht berufen. Das Verfahren zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei von der - bis zum Inkrafttreten des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, mit 1. Jänner 2006 - zuständigen Bundespolizeidirektion Wien bis zur Abtretung an die nach dem NAG zuständige Behörde am 18. Jänner 2006 unter demselben Aktenzeichen geführt worden wie das - später auf Grund der Verurteilung vom 1. Juli 2006 eingeleitete - Aufenthaltsverbotsverfahren. Es bestehe daher Verfahrensidentität, zumindest jedoch ein enger Zusammenhang, sei das Bestehen eines Aufenthaltsverbots doch für die Erteilung eines Aufenthaltstitels präjudiziell. Die Behörde hätte Zweifel am Bestehen eines Vertretungsverhältnisses im Aufenthaltsverbotsverfahren durch Rückfrage beim Beschwerdeführer bzw. beim Beschwerdevertreter zu klären gehabt. Aus der Zustellung an den Vertreter nach diesbezüglichem Antrag ergebe sich, dass die Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz an den Beschwerdeführer persönlich nur irrtümlich erfolgt sei.
2. Der Entschluss einer Partei, sich im Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde vertreten zu lassen, erlangt erst durch die Erklärung gegenüber der Behörde Bedeutung. Für welche Angelegenheiten der Gewalthaber benannt worden ist, ist der betreffenden Parteienerklärung, jedoch nicht der Vollmachtsurkunde, zu entnehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. November 2001, Zl. 97/18/0160, mwN).
Der Beschwerdeführer hat nach seinem Vorbringen am 21. Dezember 2005 durch seinen Vertreter einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung bei der Bundespolizeidirektion Wien eingebracht und sich dabei auf die seinem Vertreter erteilte Vollmacht berufen. Dass dabei irgendein Bezug zum - nach dem Beschwerdevorbringen erst auf Grund der Verurteilung vom 1. Juli 2006 eingeleiteten - Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltsverbots hergestellt worden sei, wird in der Beschwerde nicht behauptet.
Nach dem objektiven Erklärungswert ist die Einbringung eines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung durch einen Vertreter unter Berufung auf die erteilte Vollmacht so zu verstehen, dass der Antragsteller im Verfahren über diesen Antrag durch den ausgewiesenen Machthaber vertreten wird.
Das Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels bildet keine Einheit mit dem von derselben Behörde eingeleiteten fremdenpolizeilichen Verfahren zur Verhängung eines Aufenthaltsverbots (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998, Zl. 97/19/1271).
Dass das Verfahren über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung von der zunächst zuständigen Bundespolizeidirektion Wien bis zur Abtretung an die nach dem NAG zuständige Behörde unter demselben Aktenzeichen geführt worden ist wie das später eingeleitete Aufenthaltsverbotsverfahren, kann an der mangelnden Einheit zwischen dem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels und dem Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots nichts ändern (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis, Zl. 97/18/0160). Auch der Umstand, dass das Bestehen eines Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 NAG einen (absolut wirkenden) Grund für die Versagung eines Aufenthaltstitels darstellt, kann nicht dazu führen, dass die beiden Verfahren als Einheit zu betrachten sind.
Da der Beschwerdeführer im - somit gesondert zu betrachtenden - Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltsverbots auch nach dem Beschwerdevorbringen nicht auf ein bestehendes Vollmachtsverhältnis hingewiesen hat, bestand für die belangte Behörde kein Grund, diesbezüglich beim Beschwerdeführer nachzufragen.
3. Mangels Namhaftmachung eines Vertreters im Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots hat die Behörde erster Instanz ihren Bescheid am 28. November 2006 wirksam an den Beschwerdeführer persönlich zugestellt. Die weitere Zustellung dieses Bescheides am 29. Jänner 2007 an den - nunmehr ausgewiesenen - Vertreter löste daher gemäß § 6 Abs. 1 Zustellgesetz keine Rechtswirkungen aus.
Die gemäß § 63 Abs. 5 AVG zweiwöchige Berufungsfrist endete somit am 12. Dezember 2006. Die erst am 12. Februar 2007 per Telefax eingebrachte Berufung wurde von der belangten Behörde daher zutreffend als verspätet zurückgewiesen.
4. Dem mit dem Vorbringen, die belangte Behörde habe es unterlassen, "ihre Sachverhaltsannahme dem Parteiengehör zu unterziehen", gerügten Verfahrensmangel kommt - sollte er vorliegen - jedenfalls keine Relevanz zu, begegnet die Rechtsansicht der belangten Behörde doch - wie aufgezeigt - auch unter Berücksichtigung des Tatsachenvorbringens in der Beschwerde keinen Bedenken.
5. Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2008
Schlagworte
Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang ZustellungAnzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Beginn Vertretungsbefugnis VollmachtserteilungVertretungsbefugnis Inhalt Umfang Vertretungsbefugter ZurechnungAllgemeinIndividuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007180379.X00Im RIS seit
16.04.2008Zuletzt aktualisiert am
25.01.2009