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L9 Sozial- und GesundheitsrechtNorm
B-VG Art137 / LiquidierungsklageLeitsatz
Abweisung des Hauptbegehrens einer Klage auf Auszahlung eines einmaligen Zuschusses nach dem Wiener Sozialhilfegesetz wegen zwischenzeitig erfolgter Zahlung; teilweise Stattgabe des Zinsbegehrens; Verzug wegen Überschreitung einer angemessenen ErfüllungsfristSpruch
Das Land Wien ist schuldig, dem Kläger zu Handen seines Rechtsvertreters 4 vH Zinsen aus € 199,69 vom 18. März 2003 bis 29. April 2003 binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Kosten werden nicht zugesprochen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Wiener Landesregierung hatte mit Berufungsbescheid vom 24. Dezember 2002, MA 15-II-J 63/2002, dem Kläger zugestellt am 3. März 2003, dem Antrag des Klägers auf Gewährung eines einmaligen Zuschusses von € 199,69 zur Anschaffung von Hausrat (Kindermöbel, Kindermatratze, Kindersitz, Kindertextilien) Folge gegeben.
Diese Entscheidung hatte sich auf §13 Abs6 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. Nr. 11/1973 idgF, gegründet, wonach "[d]er nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ... durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken [ist], deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist".
2. Die vorliegende, auf Art137 B-VG gestützte Klage - beim Verfassungsgerichtshof am 16. April 2003 eingelangt - begehrt, das Land Wien schuldig zu erkennen, dem Kläger den vorgenannten Betrag zuzüglich 4 % Zinsen seit dem 4. März 2003 zu zahlen sowie ihm die mit insgesamt € 166,66 bezifferten Kosten dieses Rechtsstreites binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründend wird dazu ua. folgendes ausgeführt:
"Bei Vorsprache des Klägers bei der MA 12 am 18.03.2003 wurde die Auszahlung des gegenständlichen Betrages verweigert. Als Grund dafür nannte man die Erkrankung der Leiterin des Bezirkssozialreferates. Die Auszahlung hätte jedoch jemand anderer genauso gut vornehmen können. Der Betrag ist längst fällig. Bis dato hat der Kläger jedoch keinerlei Zahlung erhalten."
3. Das Land Wien hat eine Gegenschrift erstattet, worin die Abweisung der Klage beantragt wird. Dazu heißt es:
"Nach Mitteilung der Magistratsabteilung 12 ist die Auszahlung des Herrn W J ... zuerkannten Betrages ... bereits durch die Magistratsabteilung 12, Sozialreferat für den 11. Bezirk am 29.4.2003 persönlich an den Kläger erfolgt, was dieser eigenhändig mit seiner Unterschrift bestätigte."
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Klage ist zulässig.
Gegenstand einer auf Art137 B-VG gestützten Klage können ausschließlich bestimmte vermögensrechtliche Ansprüche (gegen die in Art137 B-VG bezeichneten Rechtsträger, etwa gegen ein Land) sein, die weder im ordentlichen Rechtsweg auszutragen noch durch Bescheid einer Verwaltungsbehörde zu erledigen sind (vgl. zB VfSlg. 7171/1973, 8048/1977, 13.312/1992 und 13.401/1993).
Der Verfassungsgerichtshof hat demnach wiederholt ausgesprochen, daß er gemäß Art137 B-VG zuständig ist, über Liquidierungsbegehren bezüglich besoldungsrechtlicher Ansprüche von Beamten zu entscheiden (vgl. zB VfSlg. 8371/1978, 11.356/1987 und 11.395/1987). Diese Rechtsprechung ist auf den Fall der Liquidierung von Ansprüchen auf Sozialhilfeleistungen sinngemäß anzuwenden (zu Ansprüchen aus der Arbeitslosenversicherung vgl. schon VfSlg. 14.419/1996, 15.718/2000; vgl. auch VwGH 28. November 1995, 94/08/0153). Die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes nach Art137 B-VG ist somit gegeben, da hinsichtlich der Liquidierung solcher Ansprüche weder eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht noch die Erlassung eines Bescheides vorgesehen ist (vgl. VfSlg. 3259/1957, 5732/1968, 6198/1970, 14.618/1996).
2. Die Klage ist nur zum Teil begründet.
2.1. Der Kläger hat den ihm mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 24. Dezember 2002 zuerkannten Betrag am 29. April 2003 ausbezahlt erhalten.
Da die Klage dessen ungeachtet weder zurückgezogen noch auf Zinsen und Kosten eingeschränkt worden ist, war das Hauptbegehren abzuweisen (vgl. VfSlg. 10.006/1984, 13.201/1992, 15.750/2000).
2.2. Wenn das Gesetz - wie hier - nichts Gegenteiliges bestimmt, sind nach der ständigen, mit dem Erkenntnis VfSlg. 28/1919 beginnenden Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes auch bei öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnissen Verzugszinsen zu entrichten, und zwar ab dem Zeitpunkt des Verzuges (vgl. zB auch VfSlg. 3909/1961, 5079/1965, 6924/1972, 10.498/1985, 10.889/1986, 11.064/1986 uva.).
Nach dem WSHG bleibt offen, wie die darin geregelten Leistungen dem Berechtigten auszuzahlen sind. Gemäß §905 Abs2 ABGB sind Geldzahlungen (unter der Voraussetzung, daß Erfüllungsort der zugrunde liegenden Verbindlichkeit der Wohnsitz bzw. der Ort der Niederlassung des Schuldners ist) - im Zweifel - auf Gefahr und Kosten des Schuldners dem Gläubiger an dessen Wohnsitz (Niederlassung) zu "übermachen"; es handelt sich um Schickschulden (vgl. auch VwGH 28. November 1995, 94/08/0153). Taugliche Übersendungsart einer Schickschuld ist insbesondere die Versendung von Bargeld zur Auszahlung. Geldschulden können aber auch Holschulden sein, wenn sich das nach der sinngemäß anzuwendenden Regel des §905 Abs1 ABGB aus der Verabredung, der Natur oder dem Zweck des Geschäftes ergibt (vgl. VwGH 1. Dezember 1992, 92/08/0181).
Aus dem Blickwinkel des vorliegenden Falles braucht aber nicht geklärt zu werden, ob die dem Kläger mit Bescheid vom 24. Dezember 2002 zuerkannte Geldleistung nach dem soeben Gesagten als Schickschuld oder - wovon die beklagte Partei auszugehen scheint - als Holschuld anzusehen ist:
Der Kläger wäre seiner Obliegenheit aus einer Holschuld nämlich durch seine Vorsprache am 18. März 2003 nachgekommen. Als weitere Voraussetzung der Fälligkeit ist zwar dem zur Zahlung Verpflichteten auch eine angemessene Erfüllungsfrist einzuräumen (vgl. zB VfGH 24. September 2002, A7/02, sowie §59 Abs2 AVG bzw. §409 Abs1 ZPO). Ein Verzug der beklagten Partei liegt somit nicht schon seit 4. März 2003, dh. seit dem auf die Zustellung des Bescheides vom 24. Dezember 2002 folgenden Tag vor, wie in der Klage vorgebracht wird. Es ist aber der zwischen dem 4. März 2003 und dem Tag der Vorsprache des Klägers (18. März 2003) liegende Zeitraum von zwei Wochen nach den Umständen des Falles als für eine Erfüllungsfrist (sc. zumindest zur Bereithaltung des Geldes zur Abholung) ausreichend anzusehen, sodaß davon auszugehen ist, daß sich die beklagte Partei seit 18. März 2003 in Verzug befunden hat. Verzugszinsen sind sohin nicht im Sinne des Klagebegehrens schon ab 4. März 2003, sondern erst ab 18. März 2003 bis 29. April 2003, dem Tag der Zahlung des zuerkannten Betrages, zuzusprechen.
Das Mehrbegehren war abzuweisen.
3. Kostenersatzansprüche sind bei Klagen gemäß Art137 B-VG vom Erfolgsprinzip beherrscht; sie hängen demnach vom Prozeßausgang ab (vgl. OGH 31. August 1972, 3 Ob 84/72; 5. Mai 1987, 4 Ob 390/86 uva.). Da der Kläger nach Zahlung des eingeklagten Betrages - trotz Gelegenheit - seine Klage nicht auf Zinsen und Kosten eingeschränkt hat, ist er nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines Anspruches, nämlich mit einem Teil seines Zinsenbegehrens, als obsiegend, im übrigen aber als unterliegend anzusehen (vgl. OGH 2. Oktober 1974, 5 Ob 184/74), sodaß ihm keine Kosten zuzusprechen waren (vgl. §§41, 35 VfGG iVm §43 Abs2 ZPO).
Da das beklagte Land Kosten weder begehrt noch ziffernmäßig verzeichnet hat, waren auch ihm keine Kosten zuzusprechen (zB VfSlg. 9280/1981).
4. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Sozialhilfe, VfGH / Klagen, VfGH / KostenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:A3.2003Dokumentnummer
JFT_09969390_03A00003_00