TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/29 2004/04/0179

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Veröffentlicht am 29.02.2008
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973;
GewO 1994 §74 Abs2 Z1;
GewO 1994 §74 Abs2;
GewO 1994 §83;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der B GmbH & Co KG in K, vertreten durch Dr. Gerhard Folk und Dr. Gert Folk, Rechtsanwälte in 8605 Kapfenberg, Lindenplatz 4a, gegen den Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 2. August 2004, Zl. BMWA-323.954/5000-I/9/2004, betreffend Vorkehrungen gemäß § 83 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin betrieb auf Grund der namens des Landeshauptmannes von Steiermark erlassenen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 18. September 1950 und 15. Februar 1951 eine Schlackenseilbahn auf den E. Berg.

Mit namens des Landeshauptmannes von Steiermark erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 5. November 2002 wurden der Beschwerdeführerin gemäß § 83 Abs. 3 GewO 1994, BGBl. Nr. 194/1994 i.d.g.F., für die Auflassung der mit den vorgenannten Bescheiden genehmigten Schlackenseilbahn Vorkehrungen vorgeschrieben, und zwar die Entfernung von Fundamenten für Masten der Schlackenseilbahn und die Verfüllung des Fundamentbereiches und Begrünung desselben. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges, der für die Entscheidung maßgeblichen Bestimmungen und Ausführungen hinsichtlich des Zeitpunktes des Erlöschens der Bewilligung zum Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage führte die erstinstanzliche Behörde aus, sie sei im Jahre 2001 erstmals mit der Aussage konfrontiert worden, dass die von der Betriebsanlageninhaberin getroffenen Vorkehrungen nicht ausreichten, um eine Wahrung der Schutzinteressen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 in Bezug auf die aufgelassene Betriebsanlage zu gewährleisten. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass es durch den Verbleib der Stützenfundamente der Schlackenseilbahn tatsächlich zu einer Behinderung der landwirtschaftlichen Nutzung der Liegenschaften näher genannter Personen komme. Aus dem Gutachten der beigezogenen technischen Amtssachverständigen ergebe sich, dass die durch die aufgelassene Betriebsanlage verursachte Beeinträchtigung in der Nutzung der in Rede stehenden landwirtschaftlichen Grundstücke als äußerst gering anzusehen sei. Es sei der Behörde jedoch - anders als etwa in einem Verfahren zur Vorschreibung zusätzlicher Auflagen im Sinne des § 79 GewO 1994 - im gegenständlichen Verfahren nicht gegeben, wirtschaftliche Erwägungen oder solche der Verhältnismäßigkeit in die zu fällende Entscheidung einfließen zu lassen, weshalb die Entfernung der verbliebenen Betriebsanlagenteile anzuordnen gewesen sei.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.

Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit wies mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. August 2004 die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe der im Verfahren erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen für Landwirtschaftstechnik, wonach im Bereich der Fundamente und der Schüttung des Aushubmaterials eine Mähnutzung der Wiese nicht möglich und dadurch eine Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstückes gegeben sei, sowie des Sachverständigen für Forsttechnik, wonach der entstehende Ernteverlust mit jährlich EUR 2,33 zu beziffern sei, führte die belangte Behörde aus, der von ihr beigezogene gewerbetechnische Amtssachverständige habe die von der Unterbehörde eingeholten Gutachten als schlüssig und nachvollziehbar beurteilt, es bedürfe keiner weiteren Begutachtung; die aufgetragenen Vorkehrungen seien geeignet und ausreichend, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. In weiterer Folge habe der Amtssachverständige sein Gutachten dahingehend ergänzt, dass - soweit aus den Vorakten ersichtlich sei - von den im Boden verbliebenen Fundamenten der ehemaligen Schlackenseilbahn keine Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 ausgingen. Die einzig nachteilige Wirkung sei eine Beeinträchtigung der Nutzung des Grundstückes dadurch, dass im Bereich der Fundamente und der Schüttung des Aushubmaterials eine Mähnutzung der Wiese nicht möglich sei. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, aus den eingeholten Sachverständigengutachten gehe schlüssig und nachvollziehbar hervor, dass die aufgetragenen Vorkehrungen ausreichend seien, um den ursprünglichen Zustand wieder herzustellen. Es sei unstrittig, dass der Betrieb der gegenständlichen Schlackenseilbahn bereits im Jahre 1979 eingestellt worden sei. 1984 seien Masten und anderes entfernt worden, die Stützenfundamente jedoch belassen worden. Wie die Sachverständigen festgestellt hätten, komme es bei der in üblicherweise Weise erfolgenden Nutzung dieser Liegenschaften (insbesondere Mähnutzung) zu Beeinträchtigungen, falls diese Fundamente verblieben. Nach den Erfahrungen des täglichen Lebens könne auch eine erhöhte Unfallgefahr bei Verbleib der Fundamente nicht ausgeschlossen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 83 GewO 1973 - in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399 - hatte folgenden Wortlaut:

"Werden Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Betriebsanlagen aufgelassen, so hat der die Betriebsanlage oder Teile der Betriebsanlage auflassende Inhaber der Betriebsanlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Betriebsanlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und die von ihm anlässlich der Auflassung getroffenen Vorkehrungen der zur Genehmigung der Betriebsanlage zuständigen Behörde anzuzeigen. Trifft der Inhaber der Betriebsanlage nicht die notwendigen Vorkehrungen, so hat ihm die Behörde, bei der die Anzeige zu erstatten ist, die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen."

Mit der am 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen Gewerberechtsnovelle 1988 erhielt § 83 GewO 1973 folgenden Wortlaut:

"Werden Anlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Anlagen aufgelassen, so hat der Inhaber der Anlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Anlage oder den aufgelassenen Teilen der Anlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und seine Vorkehrungen anlässlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Reichen die angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der Inhaber der Anlage anlässlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der gänzlich oder teilweise aufgelassenen Anlage wird die Wirksamkeit dieses bescheidmäßigen Auftrages nicht berührt."

Nach Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 ist dessen Art. I Z. 94 (§ 83 letzter Satz) auf im Zeitpunkt der Kundmachung dieses Bundesgesetzes bereits aufgelassene Betriebsanlagen nicht anzuwenden.

Mit der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, wurde der § 83 der GewO 1994 (wiederum) neu gefasst, u.a. dahin, dass der Anlageninhaber "den Beginn der Auflassung" und seine Vorkehrungen anlässlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde (Genehmigungsbehörde) vorher anzuzeigen hat; weiters sieht der Abs. 6 dieser Gesetzesstelle eine bescheidmäßige Feststellung vor, dass für die Auflassung von Anlagen oder Anlagenteilen die getroffenen Vorkehrungen ausreichen, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten. Mit Eintritt der Rechtskraft dieses Feststellungsbescheides ist "die Auflassung beendet" und erlischt in Fällen der gänzlichen Auflassung der Anlage die Anlagengenehmigung (§ 83 Abs. 6 letzter Satz leg. cit.).

Gemäß 2. Abschnitt Art. III Abs. 3 der Gewerberechtsnovelle 1997 gilt für Auflassungen, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. I dieses Gesetzes erfolgt sind, § 83 GewO 1994 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997.

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen übereinstimmend davon aus, dass die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin die in Rede stehende Betriebsanlage 1979, also jedenfalls vor dem 1. Juli 1997 aufgelassen hat. Im Hinblick auf die vorzitierte Übergangsbestimmung der Gewerberechtsnovelle 1997 ist daher im Beschwerdefall jedenfalls nicht die Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1997 anzuwenden.

Die belangte Behörde ist, wie sich aus der Zitierung der von ihr angewendeten Rechtsvorschrift ergibt, davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall § 83 GewO 1994 in der Fassung nach der Gewerberechtsnovelle 1997 anzuwenden ist. Insofern wurde die Beschwerdeführerin allerdings nicht in ihren Rechten verletzt, weil als "auflassender Inhaber" auch nach der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988 nicht nur derjenige zu verstehen ist, der die Betriebsanlage oder Teile der Betriebsanlage auflässt, sondern jeder, der eine gänzlich oder teilweise aufgelassene Betriebsanlage inne hat, also - unabhängig vom Zeitpunkt der Auflassung - der jeweilige Inhaber der Anlage (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 5. November 1985, Slg. Nr. 11932/A).

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, die angeordneten Vorkehrungen im Grunde des § 83 leg. cit. seien notwendig, weil es bei der üblicherweise Nutzung der Liegenschaften (insbesondere Mähnutzung) im Falle des Verbleibens der Fundamente zu Beeinträchtigungen komme. Weiters könne eine erhöhte Unfallgefahr bei Verbleib der Fundamente nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht ausgeschlossen werden.

Der von der belangten Behörde beigezogene Amtssachverständige hat - worauf die Beschwerdeführerin zu Recht hinweist - in seinem auch im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Gutachten ausdrücklich ausgeführt, dass von den im Boden verbliebenen Fundamenten keine Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 leg. cit. ausgehen und als einzig nachteilige Wirkung eine Beeinträchtigung der Nutzung vorliege, die sich in Übereinstimmung mit dem in erster Instanz beigezogenen Sachverständigen mit jährlich EUR 2,33 berechne.

Nach dem diesbezüglich eindeutigen Wortlaut dieser Bestimmung haben nach § 83 GewO aufgetragene Vorkehrungen dem Zweck zu dienen, die von dem durch die Auflassung geschaffenen Zustand einer Betriebsanlage ausgehenden Einwirkungen auf die Umwelt (im weitesten Sinne) soweit zu beschränken, dass der Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen gewährleistet ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, VwSlg. Nr. 14770A/1997). Eine Gefährdung dinglicher Rechte iS des § 74 Abs. 2 Z. 1 leg. cit. ist nur dann gegeben, wenn deren sinnvolle Nutzung wesentlich beeinträchtigt oder überhaupt nicht mehr möglich ist (vgl. dazu im Übrigen die bei Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO2 (2003) Rz 24 zu § 74 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Auf Basis des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes, dass es sich im Beschwerdefall bloß um eine Einschränkung der Nutzung von EUR 2,33 handelt, hat die belangte Behörde zu Unrecht die Auffassung vertreten, dass die Vorkehrung notwendig wäre, um eine Eigentumsgefährdung hintanzuhalten. Das Zusatzargument, dass eine erhöhte Unfallgefahr nicht ausgeschlossen werden könne, entbehrt gegenständlich - siehe die zitierten Aussagen des gewerbetechnischen Sachverständigen - einer sachlichen Grundlage. Der Hinweis auf "Erfahrungen des täglichen Lebens" ist daher hier für sich allein keine tragfähige Begründung.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 29. Februar 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2004040179.X00

Im RIS seit

09.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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