TE Vwgh Erkenntnis 2008/2/29 2007/20/0086

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Veröffentlicht am 29.02.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §10;
AsylG 1997 §11;
AsylG 1997 §44 Abs3;
AsylG 1997 §7 idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §8 Abs1;
AsylG 1997 §8 Abs2;
MRK Art8;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2007/20/0087 2007/20/0089 2007/20/0088

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak sowie den Hofrat Dr. Berger, die Hofrätin Dr. Pollak und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Eder als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hahnl, über die Beschwerden 1. des A (geboren am 11. Jänner 1957), 2. der Z (geboren am 13. Februar 1959), 3. des mj. E (geboren am 22. September 1991) und 4. des mj. IE (geboren am 6. Mai 1995), alle in Wiener Neustadt, alle vertreten durch Dr. Werner Posch, Rechtsanwalt in 2640 Gloggnitz, Hauptstr. 37, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates 1. vom 18. Oktober 2006, Zl. 210.611/17-VI/18/06, 2. vom 18. Oktober 2006, Zl. 210.696/13- VI/18/06, 3. vom 19. Oktober 2006, Zl. 305.355-C1/E1-VI/18/06, und

4. vom 19. Oktober 2006, Zl. 305.356-C1/E1-VI/18/06, betreffend (zu 1.) §§ 7 und 8 Abs. 1 und 2 Asylgesetz 1997 bzw. (zu 2. bis 4.) §§ 10 und 11 Asylgesetz 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der erstangefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des Erstbeschwerdeführers) bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Die Beschwerden gegen den zweit-, dritt- und viertangefochtenen Bescheid werden als unbegründet abgewiesen.

Die zweit-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien haben dem Bund zusammen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 51,50 zu ersetzen.

Begründung

Der Erstbeschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 12. August 1997 in das Bundesgebiet ein, wo er am 18. August 1997 einen (ersten) Asylantrag stellte. Er ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin und der Vater der 1991 bzw. 1995 geborenen gemeinsamen Kinder (dritt- und viertbeschwerdeführende Parteien).

Die Zweitbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihren Kindern schon am 1. April 1997 in das Bundesgebiet ein und stellte am 3. April 1997 einen (ersten) Asylantrag.

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers vom 18. August 1997 mit Bescheid vom 1. September 1997 ab. Den Asylantrag der Zweitbeschwerdeführerin vom 1. April 1997 wies es mit Bescheid vom 3. September 1997 ab.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen wurden zunächst vom Bundesminister für Inneres auf Grundlage des Asylgesetzes 1991 abgewiesen. Dagegen erhoben die erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser wies die Beschwerden nach Inkrafttreten des Asylgesetzes 1997 mit Beschlüssen vom 20. Mai 1999, Zlen. 97/20/0785 und 97/20/0787, gemäß § 44 Abs. 3 leg. cit. zurück, womit die Asylverfahren beim unabhängigen Bundesasylsenat (belangte Behörde) als Berufungsbehörde anhängig waren.

In der vom unabhängigen Bundesasylsenat am 6. März 2003 abgehaltenen gemeinsamen Berufungsverhandlung zogen die erst- und die zweitbeschwerdeführende Partei ihre Asylanträge zurück und erklärten, sie beabsichtigten unter Richtigstellung ihrer Identität und der im Verfahren bisher angegebenen Fluchtgründe neuerlich Asylanträge zu stellen.

In der Folge brachte der Erstbeschwerdeführer mit Schreiben vom 10. März 2003 den verfahrensgegenständlichen (zweiten) Asylantrag ein. Die zweit-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien stellten am 11. April 2003 Asylerstreckungsanträge in Bezug auf den Asylantrag des Erstbeschwerdeführers.

Der Asylantrag des Erstbeschwerdeführers wurde vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 30. August 2006 mangels Glaubwürdigkeit der Verfolgungsbehauptung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.); zugleich wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Erstbeschwerdeführers in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt II.), und der Erstbeschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die dagegen erhobene Berufung hat die belangte Behörde mit dem erstangefochtenen Bescheid "gem. §§ 7, 8 AsylG abgewiesen". Die belangte Behörde kam in der Begründung ihrer - ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung getroffenen - Entscheidung ebenso wie das Bundesasylamt zu dem Ergebnis, die Verfolgungsbehauptung des Beschwerdeführers sei unglaubwürdig.

Die Asylerstreckungsanträge der zweit-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien wurden vom Bundesasylamt mit Bescheiden vom 30. August 2006 gemäß §§ 10 und 11 Asylgesetz 1997 (in der gemäß § 44 Abs. 3 AsylG anzuwendenden Fassung vor der Novelle 2003) abgewiesen. Die dagegen erhobenen Berufungen hat die belangte Behörde mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 18. Oktober 2006 (in Bezug auf die Zweitbeschwerdeführerin) und den dritt- und viertangefochtenen Bescheiden vom 19. Oktober 2006 (in Bezug auf die Dritt- und Viertbeschwerdeführer) gemäß §§ 10, 11 Asylgesetz 1997 abgewiesen, weil dem Ehemann bzw. Vater kein Asyl gewährt worden war.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof - aufgrund des persönlichen und sachlichen Zusammenhanges gemeinsam - erwogen hat:

1. Soweit sich die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers gegen die Beweiswürdigung im erstangefochtenen Bescheid wendet, ist sie nicht erfolgreich, weil die von der belangten Behörde übernommenen Erwägungen des Bundesasylamtes, nach denen auch die im zweiten Asylverfahren aufgestellte Verfolgungsbehauptung des Erstbeschwerdeführers nicht als glaubwürdig zu qualifizieren ist, der - auf eine Schlüssigkeitsprüfung beschränkten - Kontrolle der Beweiswürdigung durch den Verwaltungsgerichtshof standhalten. Auch eine Relevanz allfälliger Verfahrensmängel wird in der Beschwerde nicht aufgezeigt. Der belangten Behörde kann daher vom Verwaltungsgerichtshof nicht entgegen getreten werden, wenn sie vom Fehlen sowohl einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr als auch eines Refoulementhindernisses für den Erstbeschwerdeführer ausgegangen ist. Somit war die Beschwerde des Erstbeschwerdeführers, soweit sie sich gegen die mit dem erstangefochtenen Bescheid vorgenommene Bestätigung der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Da die Gewährung von Asyl durch Erstreckung voraussetzt, dass einem der in § 10 Abs. 2 Asylgesetz 1997 genannten Angehörigen Asyl gewährt wurde, und die gegen Spruchpunkt I. des erstangefochtenen Bescheides gerichtete Beschwerde abzuweisen ist, konnten auch die Beschwerden gegen die zweit-, dritt- und viertangefochtenen Bescheide (mit denen die Erstreckungsanträge im Instanzenzug abgewiesen worden sind) nicht erfolgreich sein. Die Beschwerden der zweit-, dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

3. Die belange Behörde hat jedoch mit der durch den erstangefochtenen Bescheid erfolgten Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides, mit dem der Erstbeschwerdeführer - als einziges Familienmitglied - in den Iran ausgewiesen wurde, die Rechtslage verkannt.

Im vorliegenden Fall hat der unabhängige Bundesasylsenat die erstinstanzliche Ausweisung des Erstbeschwerdeführers bestätigt, der als Ehemann und Vater in Österreich im Familienverband mit seiner Frau und den beiden minderjährigen Söhnen lebt. Die Asylerstreckungsverfahren dieser Familienmitglieder sind zwar - wie oben dargelegt - mittlerweile auch (negativ) beendet. Eine Ausweisung der Familienmitglieder aus dem österreichischen Bundesgebiet wurde mit den zweit-, dritt- und viertangefochtenen Bescheiden jedoch (zutreffend) nicht ausgesprochen; diese hätte nach der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage durch die Fremdenbehörden zu erfolgen.

Da es infolge der (nur) gegenüber dem Erstbeschwerdeführer ausgesprochenen asylrechtlichen Ausweisung möglich erscheint, dass dieser das Bundesgebiet ohne seine Ehefrau und seine Kinder zu verlassen hat, greift eine solche Ausweisung - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 16. Jänner 2008, Zl. 2007/19/0851, ausgesprochen hat - in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben des Erstbeschwerdeführers ein. Aus den in diesem Erkenntnis dargelegten Gründen, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, hätte die belangte Behörde - die auch im vorliegenden Fall nicht dargelegt hat, warum öffentliche Interessen es erfordern würden, dass der Erstbeschwerdeführer Österreich schon vor einer allfälligen Entscheidung der Fremdenbehörden über die Ausweisung der übrigen Familienmitglieder verlassen muss - die erstinstanzliche Ausweisung des Erstbeschwerdeführers ersatzlos beheben müssen.

Daher war der erstangefochtene Bescheid insoweit, als damit Spruchpunkt III. der erstinstanzlichen Entscheidung (Ausweisung des Erstbeschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in den Iran) bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr. 333.

Wien, am 29. Februar 2008

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007200086.X00

Im RIS seit

16.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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