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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
BVergG 2006 §312 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, in der Beschwerdesache der S GmbH in B, vertreten durch Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen den Bescheid des Bundesvergabeamtes vom 11. Jänner 2008, Zl. N/0007-BVA/05/2008- EV15, betreffend Versagung einer einstweiligen Verfügung nach dem Bundesvergabegesetz 2006 (mitbeteiligte Partei: Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, 1030 Wien, Kundmanngasse 21), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Schriftsatz vom 3. Jänner 2008 beantragte die beschwerdeführende Partei bei der belangten Behörde die Nichtigerklärung einer näher genannten Zuschlagsentscheidung der mitbeteiligten Auftraggeberin und die Erlassung einer einstweiligen Verfügung mit dem Inhalt, der Mitbeteiligten die Fortsetzung des Vergabeverfahrens, in eventu die Erteilung des Zuschlages zu untersagen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Jänner 2008 wurde der genannte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß den §§ 328 und 329 Bundesvergabegesetzes 2006 - BVergG 2006 abgewiesen. In der Begründung wurde u.a. darauf hingewiesen, dass das Nachprüfungsverfahren betreffend die Zuschlagsentscheidung noch längere Zeit dauern werde.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der die beschwerdeführende Partei einleitend darauf hinweist, dass die mitbeteiligte Auftraggeberin am 14. Jänner 2008 den Zuschlag an eine andere Bieterin erteilt habe. Dies ändere jedoch nach Auffassung der beschwerdeführenden Partei an der Zulässigkeit der vorliegenden Beschwerde nichts, weil der angefochtene Bescheid gemäß § 329 Abs. 4 BVergG 2006 einem Vollzug zugänglich sei. Bei Aufhebung des angefochtenen Bescheides würde das Provisorialverfahren in den Stand vor Erlassung des angefochtenen Bescheides zurückversetzt. Nach Ansicht der beschwerdeführenden Partei würde daher (ex tunc) die Wirkung des § 328 Abs. 5 BVergG 2006 wieder eintreten und nach der Z. 1 dieser Bestimmung der mittlerweile erteilte Zuschlag nichtig.
Die Bestimmungen des BVergG 2006 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 86/2007 lauten:
"3. Abschnitt
Einstweilige Verfügung
Antragstellung
§ 328. (1) Das Bundesvergabeamt hat auf Antrag eines Unternehmers, dem die Antragsvoraussetzungen nach § 320 Abs. 1 nicht offensichtlich fehlen, durch einstweilige Verfügung unverzüglich vorläufige Maßnahmen anzuordnen, die nötig und geeignet erscheinen, um eine durch die behauptete Rechtswidrigkeit einer gesondert anfechtbaren Entscheidung entstandene oder unmittelbar drohende Schädigung von Interessen des Antragstellers zu beseitigen oder zu verhindern.
...
(3) Wenn noch kein Nachprüfungsantrag zur Bekämpfung der geltend gemachten Rechtswidrigkeit gestellt wurde, ist der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung nur zulässig, wenn er vor Ablauf der in § 321 festgelegten Frist für die Geltendmachung der betreffenden Rechtswidrigkeit eingebracht wird.
(4) Wird ein Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zwar rechtzeitig gestellt, in weiterer Folge aber bis zum Ablauf der in § 321 bezeichneten Frist kein zulässiger Nachprüfungsantrag zur Bekämpfung der im Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung bezeichneten Rechtswidrigkeit gestellt oder ein bereits gestellter Nachprüfungsantrag nach Ablauf der Antragsfrist wieder zurückgezogen, ist das Verfahren zur Erlassung der einstweiligen Verfügung formlos einzustellen. Eine allenfalls erlassene einstweilige Verfügung tritt in diesem Fall mit Ablauf der in § 321 bezeichneten Frist bzw. mit dem Zeitpunkt der Zurückziehung des Nachprüfungsantrages außer Kraft. Der Antragsteller und der Auftraggeber sind vom Außer-Kraft-Treten der einstweiligen Verfügung zu verständigen.
(5) Das Bundesvergabeamt hat den betroffenen Auftraggeber vom Einlangen eines Antrages auf einstweilige Verfügung, mit dem die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung der Erklärung des Widerrufs oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehrt wird, unverzüglich zu verständigen. Anträgen auf einstweilige Verfügung, die die Untersagung der Erteilung des Zuschlages, die Untersagung der Erklärung des Widerrufs oder die Unterlassung der Angebotsöffnung begehren, kommt ab Zugang der Verständigung vom Einlangen des Antrages bis zur Entscheidung über den Antrag aufschiebende Wirkung zu. Der Auftraggeber darf bis zur Entscheidung über den Antrag
1. bei sonstiger Nichtigkeit den Zuschlag nicht erteilen,
...
4. Abschnitt
Feststellungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 331. (1) Ein Unternehmer, der ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages hatte, kann, sofern ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist, die Feststellung beantragen, dass
...
2. wegen eines Verstoßes gegen dieses Bundesgesetz oder die hierzu ergangenen Verordnungen oder wegen eines Verstoßes gegen unmittelbar anwendbares Gemeinschaftsrecht der Zuschlag nicht gemäß den Angaben in der Ausschreibung dem Angebot mit dem niedrigsten Preis oder dem technisch und wirtschaftlich günstigsten Angebot erteilt wurde, oder
...
(4) Wird während eines anhängigen Nachprüfungsverfahrens der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen, ist das Verfahren vor dem Bundesvergabeamt auf Antrag des Unternehmers, der den Nachprüfungsantrag gestellt hat, als Feststellungsverfahren weiterzuführen. Dies gilt auch, wenn ein Bescheid des Bundesvergabeamtes über den Antrag auf Nichtigerklärung einer Auftraggeberentscheidung vom Verfassungsgerichtshof oder vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben wurde und vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes der Zuschlag erteilt oder das Vergabeverfahren widerrufen worden ist. Bis zur Stellung eines Antrages gemäß Satz 1 ruht das Verfahren; wird bis zum Ablauf der Frist nach § 332 Abs. 2 kein Antrag im Sinne dieses Absatzes gestellt, ist das Verfahren formlos einzustellen. § 332 Abs. 2 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht einzurechnen ist."
Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde nach Erschöpfung des Instanzenzuges wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Ausschlaggebend für die Beurteilung der Beschwerdelegitimation ist somit, ob der Beschwerdeführer nach Lage des Falles durch den bekämpften Bescheid - ohne Rücksicht auf dessen Gesetzmäßigkeit - in einem subjektiven Recht überhaupt verletzt sein kann. Fehlt die Möglichkeit einer Rechtsverletzung in der Sphäre des Beschwerdeführers, so fehlt ihm die Beschwerdeberechtigung. Die Rechtsverletzungsmöglichkeit wird immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied macht, ob der Bescheid einer Verwaltungsbehörde aufrecht bleibt oder aufgehoben wird (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 20. Oktober 2004, Zl. 2003/04/0044, mwN).
Wie erwähnt erachtet sich die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid deshalb in subjektiven Rechten verletzt, weil durch diesen die Erteilung des Zuschlages an einen anderen Bieter ermöglicht wurde. Sie meint, dass im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof ihre vormalige Rechtsposition wieder hergestellt würde, weil durch die ex-tunc-Wirkung eines aufhebenden Erkenntnisses die aufschiebende Wirkung des § 328 Abs. 5 zweiter Satz BVergG 2006 ununterbrochen fortbestünde und daher der mittlerweile an den anderen Bieter erteilte Zuschlag gemäß § 328 Abs. 5 Z. 1 BVergG 2006 als nichtig angesehen werden müsste.
Bei diesen Überlegungen geht die beschwerdeführende Partei aus folgenden Gründen unzutreffend von der Prämisse aus, dass ihrem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides neuerlich die aufschiebende Wirkung gemäß § 328 Abs. 5 zweiter Satz BVergG 2006 zukäme:
Wie sich zunächst aus dem angefochtenen Bescheid und der Beschwerde ergibt, war bei der Einbringung der gegenständlichen Beschwerde das über Antrag der beschwerdeführenden Partei eingeleitete und dem gegenständlichen Begehren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung zu Grunde liegende Nachprüfungsverfahren von der belangten Behörde noch nicht entschieden. Durch den mittlerweile erteilten Zuschlag ist dieses Nachprüfungsverfahren gemäß § 331 Abs. 4 BVergG 2006 bei der belangten Behörde nicht mehr als solches weiter zu führen, sondern im Falle eines diesbezüglichen Antrages der beschwerdeführenden Partei (bloß) als Feststellungsverfahren fortzusetzen. Damit ist aber auch die Voraussetzung zur Fortsetzung des Verfahrens betreffend die Erlassung einer einstweiligen Verfügung weggefallen, weil § 328 BVergG 2006, wie sich vor allem aus dessen Abs. 3 und 4 ergibt, für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung das (Weiter-)Bestehen eines zulässigen Nachprüfungsantrages und nicht bloß ein Feststellungsverfahren (zur Abgrenzung dieser Begriffe siehe nunmehr § 312 Abs. 1 BVergG 2006) verlangt. In diesem Sinne führen auch die Erläuterungen zu § 328 BVergG 2006 (RV 1171 BlgNR XXII. GP, 142) aus, dass eine einstweilige Verfügung nur den Sinn haben kann, Schäden zu verhindern, die während eines Nachprüfungsverfahrens eintreten könnten. Ist daher - wie gegenständlich - der Nachprüfungsantrag unzulässig geworden, so hat die Vergabekontrollbehörde das Verfahren auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, sofern sie darüber noch nicht entschieden hat, in (sinngemäßer) Anwendung des § 328 Abs. 4 BVergG 2006 formlos einzustellen.
Für den gegenständlichen Beschwerdefall bedeutet dies, dass auch im Falle der Aufhebung des angefochtenen Bescheides das Verfahren zur Erlassung der beantragten einstweiligen Verfügung seit dem Zeitpunkt der Erteilung des Zuschlages nicht mehr fortgesetzt werden könnte und der beschwerdeführenden Partei daher die aus einem formell noch anhängigen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung resultierende aufschiebende Wirkung im Sinne des § 328 Abs. 5 zweiter Satz BVergG 2006 nicht mehr zu Gute käme.
Da es nach dem Gesagten schon im Zeitpunkt der Einbringung der Beschwerde keinen Unterschied für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei gemacht hat, ob der angefochtene Bescheid aufgehoben wird oder weiterhin dem Rechtsbestand angehört, fehlt der beschwerdeführenden Partei die Beschwerdelegitimation.
Die Beschwerde war daher in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Wien, am 29. Februar 2008
Schlagworte
Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008040019.X00Im RIS seit
06.06.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013