Index
60/04 Arbeitsrecht allgemein;Norm
AZG §19b;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Eisner, über die Beschwerde der Bietergemeinschaft bestehend aus 1. P und 2. P B beide in W, vertreten durch Wiedenbauer Mutz Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Pfarrplatz/Glasergasse 2, gegen den Bescheid des Vergabekontrollsenates des Landes Wien vom 24. Juni 2005, Zl. VKS - 1330/05, betreffend Nachprüfung eines Vergabeverfahrens (mitbeteiligte Parteien: 1. Stadt Wien p.A. Magistratsabteilung 54 - Zentraler Einkauf, Am Modenapark 1-2, 1030 Wien; 2. B, W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die erstmitbeteiligte Partei hat im Supplement S zum Amtsblatt der Europäischen Union sowie im Amtsblatt der Stadt Wien einen nicht prioritären Dienstleistungsauftrag im Oberschwellenbereich über diverse Leistungen des Bestattungswesens ausgeschrieben. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war der 21. September 2004 festgesetzt. Der Zuschlag sollte auf das Angebot mit dem niedrigsten Preis erfolgen.
Die Beschwerdeführerin, eine Bietergemeinschaft, hat fristgerecht einen Teilnahmeantrag eingebracht. Mit Zuschlagsentscheidung vom 8. April 2004 teilte die erstmitbeteiligte Partei mit, den Auftrag an die Beschwerdeführerin als Bestbieterin erteilen zu wollen.
Mit Schriftsatz vom 20. April 2005 begehrte die zweitmitbeteiligte Partei die Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 24. Juni 2005 erklärte die belangte Behörde die Zuschlagsentscheidung für nichtig. In der Begründung führte sie u.a. aus, in Punkt 2 der allgemeinen Angebotsbestimmungen sei festgehalten, dass über die Bestimmungen der Angebotsunterlagen hinaus auch die "Allgemeinen Angebotsbestimmungen der Stadt Wien für Leistungen" (VD 307) verbindlich seien. In Punkt 8 der allgemeinen Angebotsbestimmungen sei Folgendes verlangt worden:
"Wird die Leistung in Österreich erbracht, hat die Erstellung des Angebotes und die Durchführung des Auftrages unter Berücksichtigung der in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften zu erfolgen. ..."
Nach dem - laut den Angebotsbestimmungen ebenfalls vorzulegenden - Organisationskonzept der Beschwerdeführerin stünden im Rahmen eines 24-stündigen Dienstplanes in der Zeit von 7.30 Uhr bis 16.00 Uhr drei Teams, in der Zeit von 15.30 Uhr bis 24.00 Uhr zwei Teams und in der Zeit von 23.30 Uhr bis 8.00 Uhr ebenfalls zwei Teams zur Verfügung. Die belangte Behörde führte weiter aus:
"Insgesamt bestehen diese Teams jeweils aus zwei Personen, sodass im 24-Stundendienstplan 14 Personen eingesetzt werden. Für Wien ist der Einsatz von 15 fixangestellten Dienstnehmern sowie von 40 geringfügig Beschäftigten vorgesehen. Dazu kommen 8 bis 10 fallweise Beschäftigte. Diese fallweise beschäftigten Dienstnehmer werden aus einem Pool von rund 200 Personen, mit denen entsprechende Rahmenvereinbarungen bestehen, genommen. Sofern in den im Rahmen des 24-stündigen Dienstplanes eingeteilten Teams von je zwei Personen fallweise beschäftigte Dienstnehmer eingesetzt werden, sind diese während der für die einzelnen Teams angeführten Zeit in der Firma anwesend und verrichten dort, wenn sie nicht zum Einsatz kommen, diverse andere Arbeiten. Diese Arbeiten werden mit einem Stundensatz von 7,50 Euro brutto entlohnt. Wenn alle Teams eingesetzt sind, die sich in Bereitschaft zu halten haben, kann ein Team aus dem Kreis der Fixangestellten sofort zum Einsatz gebracht werden. Die Angestellten der (beschwerdeführenden Partei), auch dann wenn sie im Büro tätig sind, sind grundsätzlich mit allen Bestattungsleistungen und Überführungsleistungen vertraut."
Zu den "im Pool befindlichen Dienstnehmern" wurde ausgeführt, dass bei der Diensteinteilung darauf Rücksicht genommen werde, was jeder Einzelne hinsichtlich der Zeiteinteilung wünsche. Üblicherweise erfolge die Meldung, wann ein "fallweise Beschäftigter" in die Rufbereitschaft eingeteilt werden wolle, drei bis vier Wochen vor der Diensteinteilung. Die "fallweise Beschäftigten" könnten jedoch nicht erzwingen, auch tatsächlich eingesetzt zu werden; sollte ein "fallweise Beschäftigter" nicht zum Einsatz kommen, habe er keinen wie auch immer gearteten Lohnanspruch. In weiterer Folge gab die belangte Behörde den Inhalt einer solchen "Rahmenvereinbarung für fallweise Dienstnehmer" wieder. Demnach schließe der "fallweise Dienstnehmer" mit der "Firma P" einen Vertrag folgenden Inhaltes:
"1. Tätigkeit und Entgelt
Soweit der oben genannte Dienstnehmer nach Bedarf als 'fallweiser Dienstnehmer' mit tageweiser Beschäftigung bei der Firma P eingesetzt wird, vereinbaren die oben genannten Parteien grundsätzlich wie folgt:
Bezahlt werden tatsächlich erbrachte und zuvor terminlich
vereinbarte Leistungen, und zwar:
...
2. Bekleidung und Auftreten
Der Dienstnehmer bekommt für den jeweiligen Anlassfall eine Dienstbekleidung von der Firma P bereitgestellt, welche zu tragen und sorgsam zu behandeln ist. Bei seinem Einsatz als fallweiser Dienstnehmer der Firma P hat er insbesondere auf ein gepflegtes und pietätvolles Auftreten seiner Person zu achten.
3. Verhinderung und Sonstiges
Soweit vereinbart wurde, dass der oben genannte Arbeitnehmer als 'fallweiser Dienstnehmer' - zu einem vereinbarten Termin eingesetzt wird und diesen Termin - aus welchen Gründen auch immer - nicht wahrnehmen kann, hat er dies der Firma P rechtzeitig bekannt zu geben, um die Möglichkeit der Beschaffung einer Ersatzkraft zu bieten.
Der Inhalt dieser Vereinbarung ist Grundlage für jede zukünftige fallweise Beschäftigung bei der Firma P. Änderungen der gegenständlichen Rahmenvereinbarungen bedürfen der Schriftform."
Die belangte Behörde führte weiters aus, auf Grund der allgemeinen Angebotsbestimmungen sei zu prüfen gewesen, ob die wiedergegebenen Rahmenvereinbarungen im Einklang mit den arbeitsrechtlichen Bestimmungen stünden, wobei ein Kollektivvertrag für Angehörige von Bestattungsunternehmen nicht bestehe. Nach dem Inhalt der Vergabeakten, den vorgelegten Verträgen und dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Nachprüfungsverfahren sei davon auszugehen, dass diese mit den "von ihr als 'fallweise Dienstnehmer' bezeichneten Personen Arbeitsverträge abschließen wollten". Bei Abschluss eines Arbeitsvertrages sei die Vereinbarung über das Ausmaß der Arbeitsleistung essentiell. Für den Fall der Vereinbarung eines Teilzeitarbeitsverhältnisses seien Ausmaß und Lage der Arbeitszeit festzulegen. In den vorliegenden Rahmenvereinbarungen sei dies nicht enthalten. Eine Bezahlung solle demnach nur im Ausmaß der tatsächlich erbrachten und zuvor terminlich vereinbarten Leistungen erfolgen. Der OGH habe in seiner Entscheidung vom 22. Dezember 2004, 8 ObA 116/04y, Folgendes ausgeführt:
"Bereits vor der gesetzlichen Regelung durch die §§ 19c und 19d AZG wurden bestimmte flexible Teilzeitarbeitsmodelle als sittenwidrig abgelehnt, weil sie das wirtschaftliche Risiko, insbesondere einer ausreichenden Auftragslage - unzulässigerweise auf den Arbeitnehmer verschieben. ... Bei der Arbeit auf Abruf fehlt jede Vereinbarung über eine bestimmte Grundanzahl von Arbeitsstunden, die der Unternehmer auf jeden Fall entlohnen muss; der Vertragspartner verpflichtet sich vielmehr, während eines bestimmten Zeitraumes auf Anforderung des Unternehmers zu arbeiten, wobei die Bereitschaft zur Arbeit während der potentiellen Einsatzzeit nicht gesondert abgegolten werden soll. ... Eine Vereinbarung, die darauf hinausläuft, dass der Arbeitnehmer während des Arbeitsverhältnisses auf den ihm gemäß § 19 c und 19 d AZG zwingend (§ 19 g AZG) eingeräumten Anspruch auf vertragliche Festlegung des Ausmaßes der Arbeitszeit verzichtet, ist unter Beachtung des Zweckes der arbeitszeitrechtlichen Regelungen insoweit unwirksam, als sie Ausmaß und Lage der Arbeitszeit von einem völlig der Willkür des Arbeitsgebers überlassenen Anbot abhängig macht. Insgesamt geht es nicht bloß um die Unvorhersehbarkeit der Lage der Arbeitszeit, sondern auch darum, dass der Arbeitnehmer mit einem bestimmten Entgelt nicht mehr rechnen kann, sofern nicht durch Kollektivvertrag die Bezahlung einer Mindeststundenanzahl vorgeschrieben ist. Im Übrigen besteht die Gefahr, dass die Vorschriften über die Fortzahlung des Entgelts, insbesondere bei Erkrankung des Arbeitnehmers, und über die Tragung des wirtschaftlichen Risikos durch den Arbeitgeber unterlaufen werden. Eine 'Atomisierung' der Arbeitszeitvereinbarung, die letztlich wiederum zu flexiblen Arbeitszeitformen, wie Arbeit auf Abruf und kapazitätsorientierter Arbeitszeit führen kann, ist als unzulässige Umgehung des Gesetzes abzulehnen. Dies gilt erst recht dann, wenn überhaupt keine Grundvereinbarung über die Lage der Arbeitszeit getroffen wurde."
Die von der Beschwerdeführerin vorgelegte Rahmenvereinbarung werde den zwingenden Bestimmungen der §§ 19b ff AZG in keiner Weise gerecht, weil daraus ein Anspruch auf Grundentlohnung oder auf ein Mindestausmaß an Beschäftigung nicht hervorgehe und sich auch aus den Ausführungen des Geschäftsführers in der mündlichen Verhandlung nicht ergebe. Der "fallweise Dienstnehmer" könne demnach eine Beschäftigung nicht erzwingen, sondern sei auf die nicht näher determinierte Bereitschaft des Arbeitgebers, ihn zu einem Arbeitseinsatz einzuteilen, angewiesen. Demnach trage der "fallweise Dienstnehmer" das volle wirtschaftliche Risiko für eine schwache Auftragslage. Durch diese Verletzung des Arbeitszeitgesetzes verstoße die Beschwerdeführerin gegen die Bedingungen der einen integrierenden Bestandteil der Ausschreibung bildenden VD 307.
Selbst wenn man davon ausginge, dass die Rahmenvereinbarung als Erklärung des Dienstnehmers zum Abschluss von befristeten Arbeitsverträgen mit nur kurzer Laufzeit zu werten wäre, würde auch dies gegen arbeitsrechtliche Grundsätze verstoßen. Demnach müsse bei jedem Vertragsabschluss Ausmaß und Lage der Arbeitszeit neu vereinbart werden, sodass es sich dabei nach "ständiger Judikatur der Höchstgerichte um eine Aneinanderreichung mehrerer befristeter Arbeitsverhältnisse ('Kettenarbeitsverhältnisse') handeln würde", die grundsätzlich unzulässig seien. Auch bei einer derartigen vertraglichen Gestaltung würde das Angebot der Beschwerdeführerin gegen Grundsätze des Arbeitsrechtes und damit gegen die Bedingungen der Ausschreibung verstoßen.
Die Beschwerdeführerin erlange durch die von ihr gewählte Vertragskonstellation einen Wettbewerbsvorteil gegenüber den Mitbewerbern, die sich an die arbeitsrechtlichen Vorgaben hielten, weil dadurch deutlich geringere Personalkosten kalkuliert werden könnten. Die Beschwerdeführerin habe damit nicht nur gegen Bestimmungen in den Ausschreibungsunterlagen, sondern auch gegen die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbes verstoßen. Durch die Nichteinhaltung vergaberechtlicher Bestimmungen habe sie einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der zweitmitbeteiligten Partei erlangt, worin eine Verletzung des § 21 Abs. 1 BVergG 2002 zu erblicken sei. Wenn auch die Bestimmung des § 98 Z. 8 BVergG 2002 nicht unmittelbar auf das gegenständliche Verfahren anwendbar sei, könne diese Bestimmung dennoch analog bei der Prüfung, ob ein Verstoß gegen § 21 Abs. 1 BVergG 2002 vorliege, herangezogen werden. Aus diesen Gründen sei dem Antrag auf Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung statt zu geben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Die mitbeteiligten Parteien haben sich am verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht beteiligt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Unterbleiben der Nichtigerklärung der Zuschlagsentscheidung verletzt, insbesondere durch die Ansicht der belangten Behörde, dass es sich bei dem von ihr gewählten Vertragsmodell für die "fallweise Beschäftigten" um einen sittenwidrigen Fall von "Arbeit auf Abruf" handle. Die Annahme der belangten Behörde, dass diese Rechtsverhältnisse unbefristete Dienstverhältnisse darstellten, aus denen den "fallweise Beschäftigten" auch alle daraus entspringenden arbeitsrechtlichen Ansprüche zustünden, sei unzutreffend und realitätsfern. Die belangte Behörde habe auch Feststellungen und Ermittlungen unterlassen, aus denen man ableiten könne, dass die Beschwerdeführerin mit den rund 200 im "Pool" befindlichen "fallweise Beschäftigten" befristete Dienstverhältnisse eingegangen sei.
Damit zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.
Die von der Beschwerdeführerin zum Beleg für die Einhaltung der arbeitsrechtlichen Bestimmungen vorgelegte Rahmenvereinbarung wurde von der belangten Behörde - wie eingangs wiedergegeben - mit ausführlicher Begründung als nicht ausreichende Darlegung der in der Ausschreibung geforderten Einhaltung "der in Österreich geltenden arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften" qualifiziert.
Dieser Ansicht kann der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf die von der belangten Behörde angeführte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht entgegen treten.
Dass diese Rechtsprechung im Beschwerdefall nicht einschlägig sei, wird durch die von der Beschwerdeführerin angeführte Rechsprechung nicht dargetan.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 29. Februar 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005040197.X00Im RIS seit
30.04.2008Zuletzt aktualisiert am
12.07.2008