TE Vwgh Beschluss 2008/3/3 2007/18/0923

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2008
beobachten
merken

Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);

Norm

ABGB §1332;
B-VG Art144 Abs1;
B-VG Art144 Abs3;
VfGG/VwGGNov 1997 §87 Abs3;
VwGG §26 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §61 Abs1;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):2007/18/0924 2007/18/0925 2007/18/0926 2007/18/0930 2007/18/0928 2007/18/0929 2007/18/0927

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über den Antrag 1. der V Z, geboren am 20. Juni 1972, 2. des M A Z, geboren am 16. April 1998, 3. des A S Z, geboren am 13. Dezember 2000 und 4. des A F Z, geboren am 28. Jänner 2002, alle in W, alle vertreten durch Mag. Ulrike Nittmann, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Mariahilferstraße 1b, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen die Bescheide der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien, je vom 19. April 2007, Zlen. E1/112211/2007 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin, hg. Zlen. 2007/18/0923 und 2007/18/0927), E1/112129/2007 (betreffend den Zweitbeschwerdeführer, hg. Zlen. 2007/18/0924 und 2007/18/0928), E1/112170/2007 (betreffend den Drittbeschwerdeführer, hg. Zlen. 2007/18/0925 und 2007/18/0929) und E1/112189/2007 (betreffend den Viertbeschwerdeführer, hg. Zlen. 2007/18/0926 und 2007/18/0930), je betreffend Ausweisung, sowie über die Beschwerde der vier Beschwerdeführer gegen diese Bescheide, den Beschluss gefasst:

Spruch

1. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird nicht stattgegeben.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden vom 19. April 2007 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien die Beschwerdeführer, türkische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 ausgewiesen.

Mit den hg. Beschlüssen je vom 29. Mai 2007, Zlen. VH 2007/18/0120 bis 0123, wurde den Beschwerdeführern die Verfahrenshilfe zur Einbringung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gegen diese Bescheide bewilligt. Der Bestellungsbeschluss und die anzufechtenden Bescheide wurden der Beschwerdevertreterin jeweils am 20. Juni 2007 zugestellt.

Gegen die Bescheide vom 19. April 2007 richtet sich die vorliegende mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen den Ablauf der Beschwerdefrist verbundene Beschwerde, die am 14. Dezember 2007 zur Post gegeben worden ist.

Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führt die Beschwerdevertreterin aus, sie habe nach Zustellung des Bestellungsbeschlusses die Sache studiert und sei zum Ergebnis gekommen, dass eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof sinnvoll sei. Daher habe sie am 1. August 2007 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht, die sie mit einem Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof verbunden habe.

Der Verfassungsgerichtshof habe diese Beschwerde mit dem am 30. November 2007 zugestellten Beschluss vom 29. September 2007 zurückgewiesen, weil die Verfahrenshilfe nicht von diesem Gerichtshof gewährt worden sei.

Die Auslegung, dass die Bewilligung der Verfahrenshilfe durch den Verwaltungsgerichtshof auch eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof abdecke, stelle einen minderen Grad des Versehens dar. Das die rechtzeitige Beschwerdeeinbringung hindernde Ereignis - nämlich das dargestellte Versehen - sei erst mit Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses durch den Verfassungsgerichtshof am 30. November 2007 weggefallen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des minderen Grades des Versehens als leichte Fahrlässigkeit im Sinn von § 1332 ABGB zu verstehen; das Verschulden eines Parteienvertreters ist dem Verschulden der Partei gleichzusetzen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 28. März 2001, Zlen. 2001/04/0005, 0006).

Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Einbringung einer - wenn auch mit einem Abtretungsantrag an den Verwaltungsgerichtshof verbundenen - Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof durch einen vom Verwaltungsgerichtshof zur Einbringung einer Beschwerde bei diesem Gerichtshof bestellten Verfahrenshelfer ein den minderen Grad übersteigendes Versehen dar. Einem Rechtsanwalt muss klar sein, dass dem Verwaltungsgerichtshof nicht die Kompetenz zukommt, die Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs bei einem anderen Gericht zu bewilligen.

Der Wiedereinsetzungsantrag war daher abzuweisen.

Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof eine vom Verfassungsgerichtshof abgetretene - zulässige - Beschwerde zu behandeln, doch bleibt entgegen der Ansicht der Beschwerdevertreterin durch die Einbringung einer - auch mit einem Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof - verbundenen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof die Frist zur Einbringung einer - gesonderten - Verwaltungsgerichtshofbeschwerde nicht offen, kann doch ein an den Verfassungsgerichtshof gerichteter Abtretungsantrag gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG keinesfalls der gesonderten Beschwerdeeinbringung beim Verwaltungsgerichtshof gleichgehalten werden.

Da sich somit die erst am 14. Dezember 2007 zur Post gegebene Beschwerde als verspätet erweist, war sie gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 3. März 2008

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5Versäumung der Einbringungsfrist siehe VwGG §26 Abs1 Z1 (vor der WV BGBl. Nr. 10/1985: lita) sowie Mangel der Rechtsfähigkeit Handlungsfähigkeit Ermächtigung des Einschreiters

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180923.X00

Im RIS seit

16.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten