TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/3 2006/18/0475

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Veröffentlicht am 03.03.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
24/01 Strafgesetzbuch;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §28 Abs3;
SMG 1997 §28 Abs6;
StGB §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des P in G, geboren am 10. Juli 1974, vertreten durch Dr. Anton Cuber, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 53, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 28. April 2006, Zl. Fr-104/4/05, betreffend Erlassung eines Rückkehrverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Bezirkshauptmannschaft Zell am See hat mit Bescheid vom 29. Juni 2005 gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 iVm § 37, § 38, § 39 und § 40 Fremdengesetz 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Über die Berufung des Beschwerdeführers hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (die belangte Behörde) mit Bescheid vom 28. April 2006 wie folgt abgesprochen:

"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (AVG 1991), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, wird Ihre Berufung abgewiesen und der bekämpfte Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Zell am See mit der Änderung bestätigt, dass im Sinne des § 125 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (-FPG, BGBl. I Nr. 100/2005) das gegen sie verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot als Rückkehrverbot gemäß § 62 FPG 2005 zu behandeln ist und sich auf den § 62 Abs. 1 und Abs. 2 FPG 2005 zu stützen hat."

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, dass der Beschwerdeführer in der Berufung im Wesentlichen vorgebracht habe, unschuldig verurteilt worden zu sein und keinesfalls Drogen verkauft zu haben. Er wäre von einem Anderen zu Unrecht beschuldigt worden, weil er während dessen Inhaftierung mit dessen Frau ein Verhältnis begonnen hätte.

Der Beschwerdeführer sei am 6. August 2001 illegal nach Österreich eingereist und habe am darauf folgenden Tag einen Asylantrag gestellt. Dem Beschwerdeführer komme eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz zu.

Mit Urteil vom 11. Mai 2005 sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 vierter Fall, Abs. 3 erster Fall und Abs. 4 Z. 3 Suchtmittelgesetz (SMG) und wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 3,5 Jahren verurteilt worden. Auf Grund einer Berufung der Staatsanwaltschaft habe das Oberlandesgericht die Freiheitsstrafe auf 4,5 Jahre angehoben.

Der Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in zahlreichen Angriffen im August und September 2002 zumindest 100 g Heroin und 50 g Kokain und von September 2002 bis März 2003 zumindest 660 g Heroin und 340 g Kokain gewinnbringend einem Anderen verkauft habe. Darüber hinaus habe er von August 2001 bis Ende August 2004 unbekannte Mengen an Marihuana erworben und besessen. Das vom Beschwerdeführer verkaufte Suchtgift übersteige bei Weitem (um mehr als das 25-fache) die "Grenzmenge".

Auf Grund der von diesen Straftaten ausgehenden eminent hohen Gefahr für die Volksgesundheit sei die Annahme gemäß § 60 Abs. 1 FPG gerechtfertigt.

Weder der Aktenlage noch den Berufungsausführungen sei zu entnehmen, dass sich der Beschwerdeführer auf starke Bindungen im österreichischen Bundesgebiet berufen habe.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte mit Beschluss vom 27. November 2006, B 927/06-13, die Behandlung ab und trat die Beschwerde mit Beschluss vom 12. Dezember 2006, B 927/06-15, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Vor dem Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit einer kurzen Stellungnahme vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zunächst rügt der Beschwerdeführer zutreffend, dass es sich bei der im Spruch des angefochtenen Bescheides zitierten Bestimmung des § 125 Abs. 3 FPG um eine auf den vorliegenden Fall nicht anzuwendende Übergangsbestimmung für bei Inkrafttreten dieses Gesetzes mit 1. Jänner 2006 bereits bestehende Aufenthaltsverbote handelt.

Aus dem oben I. 1. wörtlich wiedergegebenen Spruch des angefochtenen Bescheides ergibt sich jedoch eindeutig, dass die belangten Behörde den Bescheid der Behörde erster Instanz, mit dem auf Grundlage des Fremdengesetzes 1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden war, mit der Maßgabe bestätigt hat, dass gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 FPG ein unbefristetes Rückkehrverbot erlassen wird, und § 125 Abs. 3 FPG offenbar irrtümlich zitiert worden ist.

2. Der Beschwerdeführer wurde unstrittig wegen eines Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 4,5 Jahren rechtskräftig verurteilt. Aus diesem Grund ist der Tatbestand des § 62 Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt.

3. Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer habe in Wahrheit keine Straftaten begangen, steht die Rechtskraft der Verurteilung entgegen. Die im Übrigen nicht bekämpfte Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 62 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, begegnet im Hinblick auf die der Verurteilung zu Grunde liegenden gravierenden Straftaten des Beschwerdeführers keinen Bedenken.

4. Der Beschwerdeführer befindet sich unstrittig seit seiner illegalen Einreise im August 2001 als Asylwerber in Österreich. Er hat im Verwaltungsverfahren vorgebracht, eine österreichische Lebensgefährtin und mit dieser ein im August 2004 geborenes gemeinsames Kind zu haben.

Die belangte Behörde hat - worauf in der Beschwerde zutreffend hingewiesen wird - dieses Vorbringen nicht berücksichtigt und keine Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und Abs. 2 FPG durchgeführt.

Dadurch wurde der Beschwerdeführer jedoch aus folgenden Gründen nicht in Rechten verletzt:

Der Beschwerdeführer hat über einen längeren Zeitraum in zahlreichen Angriffen eine die gemäß § 28 Abs. 6 SMG u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzende "große Menge" um mehr als das 25-fache übersteigende Menge an Heroin und Kokain in Verkehr gesetzt. Aus der Verurteilung auch gemäß § 28 Abs. 3 erster Fall SMG wegen gewerbsmäßiger Vorgangsweise ergibt sich, dass der Beschwerdeführer dabei in der Absicht gehandelt hat, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (siehe § 70 StGB).

Dabei handelt es sich um ein öffentliche Interessen derart schwer beeinträchtigendes Fehlverhalten, dass die belangte Behörde bei gehöriger Interessenabwägung gemäß § 66 FPG nur zu dem Ergebnis hätte gelangen können, dass die Erlassung des Rückkehrverbots zulässig sei. Auf Grund der überaus schwerwiegenden Straftaten des Beschwerdeführers ist die Erlassung des Rückkehrverbots auch bei Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer geltend gemachten privaten und familiären Interessen zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten (§ 66 Abs. 1 FPG); die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wiegen keinesfalls schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 66 Abs. 2 leg. cit).

5. Soweit der Beschwerdeführer schließlich rügt, er hätte von der belangten Behörde auf die Möglichkeit der Beantragung von Verfahrenshilfe - zur Einbringung einer Stellungnahme im Verwaltungsverfahren - hingewiesen werden müssen, ist ihm zu entgegnen, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe im AVG nicht vorgesehen ist.

6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006180475.X00

Im RIS seit

21.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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