TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/3 2006/18/0364

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.03.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §293;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs2 Z4;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §11 Abs5;
NAG 2005 §81 Abs1;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des K O, geboren am 19. September 1974, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Rochusgasse 2, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 22. August 2006, Zl. 146.328/2-III/4/06, betreffend Versagung eines Aufenthaltstitels, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 22. August 2006 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines nigerianischen Staatsangehörigen, vom 22. November 2005 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer habe am 22. November 2005 einen Antrag auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung mit dem Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger" gemäß § 49 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 eingebracht. Das Verfahren über diesen Antrag sei gemäß § 81 Abs. 1 des mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Der Antrag vom 22. November 2005 sei somit als Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" (§ 8 Abs. 1 Z. 2 NAG) zu werten.

Der Beschwerdeführer habe am 7. April 2004 einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Der Verwaltungsgerichtshof habe die Behandlung einer dagegen gerichteten Beschwerde abgelehnt. Am 22. August 2005 habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige geheiratet.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG dürfe der begehrte Titel nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Beschwerdeführers zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Gemäß § 11 Abs. 5 leg. cit. richte sich die Höhe der vom Beschwerdeführer nachzuweisenden Unterhaltsmittel nach den Richtsätzen des § 293 ASVG und betrage somit für ein im gemeinsamen Haushalt lebendes Ehepaar EUR 1.055,99 pro Monat. Das Einkommen der Ehegattin der Beschwerdeführerin, welche derzeit Arbeitslosengeld von täglich EUR 16,97 (monatlich ca. EUR 509,--) beziehe, liege deutlich unter diesem Richtsatz. Da der Beschwerdeführer somit nicht über ausreichende Unterhaltsmittel verfüge, sei es wahrscheinlich, dass sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führe. Dass der Beschwerdeführer möglicherweise eine Arbeit in Aussicht habe und seine Gattin bemüht sei, eine geringfügige Beschäftigung zu erhalten, könne daran nichts ändern. Eine "Einstellungszusage" im Sinn eines Vorvertrages zum Abschluss eines inhaltlich bestimmten konkreten Arbeitsvertrages sei nicht vorgelegt worden.

Ein Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK bestehe. Dem stehe jedoch die Gefahr der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft durch die deutliche Unterschreitung des Richtsatzes gegenüber. Nach der vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 8. Oktober 2003, G 119/03, zitierten Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte bestehe kein unbedingtes Recht auf gemeinsames Familienleben in einem bestimmten Staat. Art. 8 EMRK umfasse nicht das Recht, den geeignetsten Ort für die Entwicklung des Familienlebens zu wählen. Die Vertragsstaaten seien nicht verpflichtet, die Wahl des Familienwohnsitzes anzuerkennen.

Der Beschwerdeführer habe nicht dargetan, dass seine Gattin das gemeinschaftsrechtliche Recht auf Freizügigkeit in Anspruch genommen habe. Er könne sich somit nicht auf ein unmittelbar aus dem Gemeinschaftsrecht abzuleitendes Niederlassungsrecht berufen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bringt gegen den angefochtenen Bescheid u.a. vor, das Familieneinkommen sei im Zeitpunkt der Antragstellung nach der damaligen Rechtslage ausreichend gewesen.

Soweit er damit geltend macht, die belangte Behörde hätte das zum Zeitpunkt der Antragstellung in Geltung stehende Fremdengesetz 1997 anzuwenden gehabt, ist er auf den eindeutigen Wortlaut des § 81 Abs. 1 des mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen NAG zu verweisen, wonach im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes anhängige Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen sind.

2. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass seine österreichische Gattin ihr gemeinschaftsrechtliches Recht auf Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen habe, bringt jedoch vor, dass er schon deshalb nach dem Gemeinschaftsrecht zur Niederlassung berechtigt sei, weil seine Gattin das Recht auf Freizügigkeit in Anspruch nehmen könnte. Darüber hinaus "liege offensichtlich eine unzulässige Inländerdiskriminierung vor".

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Dazu wird auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 30. Oktober 2007,

B 1462/06, und auf das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zlen. 2007/18/0400 bis 0402, verwiesen.

3. Gemäß § 11 Abs. 2 NAG dürfen Aufenthaltstitel einem Fremden nur erteilt werden, wenn u.a. (Z. 4) der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Gemäß § 11 Abs. 3 leg. cit. kann ein Aufenthaltstitel trotz Ermangelung einer Voraussetzung gemäß Abs. 2 Z. 1 bis Z. 6 erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- oder Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. Gemäß § 11 Abs. 5 erster Satz leg. cit. führt der Aufenthalt eines Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (Abs. 2 Z. 4), wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Richtsatz des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) entsprechen.

Der für den Beschwerdeführer und seine Gattin geltende Richtsatz gemäß § 293 ASVG beträgt unstrittig EUR 1.055,99.

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass seine Gattin ein "Übergangsgeld" von EUR 1.055,99 erhalte. Überdies wäre zu berücksichtigen gewesen, dass der Beschwerdeführer eine "Einstellungszusage einer Firma" habe.

Der Beschwerdeführer hat bei seiner niederschriftlichen Einvernahme am 14. Februar 2006 ausgesagt, dass seine Gattin arbeitslos sei. Er selbst arbeite nicht. In der Berufung vom 16. Mai 2006 hat er ausgeführt, dass seine Gattin Arbeitslosengeld von monatlich etwa EUR 509,-- beziehe. Seine Gattin sei krank gewesen. Sie sei jetzt auf dem Weg der Besserung und suche eine Arbeit. Auch er sei aktiv auf der Suche nach Arbeit. Die Vorlage einer Einstellungszusage ist nicht aktenkundig. Im Hinblick darauf handelt es sich beim dargestellten Beschwerdevorbringen um eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG).

Die belangte Behörde ist somit zutreffend zum Ergebnis gekommen, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers zur finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, wobei es nicht darauf ankommt, ob der Beschwerdeführer einen aktuellen Anspruch auf Zahlungen einer Gebietskörperschaft hat.

Die Erteilungsvoraussetzung gemäß § 11 Abs. 2 Z. 4 NAG ist daher nicht erfüllt.

4. Die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels nicht im Sinn von § 11 Abs. 3 NAG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß Art. 8 EMRK geboten sei, ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides unbedenklich.

5. Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006180364.X00

Im RIS seit

21.03.2008

Zuletzt aktualisiert am

19.10.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten