TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/3 2006/18/0496

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Veröffentlicht am 03.03.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
B-VG Art130 Abs2;
FrPolG 2005 §53 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der L V in S, geboren am 27. April 1978, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Rosenkranz, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Plainstraße 23, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg vom 20. November 2006, Zl. Fr-233/12/03, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Salzburg (der belangten Behörde) vom 20. November 2006 wurde die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 53 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ausgewiesen.

Die Beschwerdeführerin habe in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 17. Oktober 2003 u.a. vorgebracht, mit einem seit Geburt in Österreich lebenden und hier arbeitenden serbischen Staatsangehörigen, der um die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht hätte, verheiratet zu sein. Überdies wäre sie im achten Monat schwanger.

Auf Grund des Antrags des Gatten der Beschwerdeführerin auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft sei das Berufungsverfahren im November 2003 mit Bescheid ausgesetzt worden. Dies deshalb, weil von der Beschwerdeführerin bzw. deren Vertreter zugesichert worden wäre, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Ehegatten unmittelbar bevorstünde. Seitdem habe die Beschwerdeführerin mehrmals zugesichert, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ihren Gatten unmittelbar bevorstünde. Da auch fast drei Jahre später die Staatsbürgerschaft (aus welchem Grund auch immer) noch nicht verliehen worden sei, sei die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 in Kenntnis gesetzt worden, dass das ausgesetzte Verfahren fortgesetzt werde. Daraufhin habe der Beschwerdevertreter mitgeteilt, dass dem Gatten der Beschwerdeführerin die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bereits zugesichert worden wäre und sich die Entlassung aus dem serbischen Staatsverband lange hinausziehen würde.

Nach einer aktuellen Information des Landes Salzburg sei der Zeitpunkt der Staatsbürgerschaftsverleihung an den Gatten der Beschwerdeführerin noch nicht absehbar. Die Beschwerdeführerin befinde sich seit 27. September 2000 illegal im österreichischen Bundesgebiet. Dies stelle eine sehr starke Beeinträchtigung der fremdenpolizeilichen Bestimmungen, deren Einhaltung von höchster Bedeutung sei, dar. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung der Ausweisung gemäß § 53 FPG seien gegeben, weil sich die Beschwerdeführerin noch immer illegal im Bundesgebiet aufhalte.

Bei der Prüfung der Frage, ob die Ausweisung im Grund des § 66 Abs. 1 FPG dringend geboten sei, sei zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin bei ihrem legal in Österreich aufhältigen Ehemann wohnhaft und mittlerweile Mutter von zwei im Mai 2001 und im Jänner 2004 geborenen Kindern sei. Durch die Ausweisung werde daher sehr stark in das Privat- und Familienleben eingegriffen. Der langjährige illegale Aufenthalt sei von der Rechtsordnung gravierend verpönt und den familiären und sozialen Bindungen der Beschwerdeführerin überzuordnen. Selbst unter Bedachtnahme auf die familiären Bindungen der Beschwerdeführerin, die sich zur Gänze illegal im Bundesgebiet aufhält, wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Ausweisung schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die persönliche Situation der Beschwerdeführerin. Ex post betrachtet hätten die ständigen Zusagen und Ersuchen um Aussetzung lediglich der Verfahrensverzögerung gedient, um eine Integration im Bundesgebiet erreichen zu können. Der langjährige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet könne keinesfalls zu ihren Gunsten gewertet werden, weil er durchgehend illegal gewesen sei. Mit der Ausweisung werde nicht ausgesprochen, in welches Land die Beschwerdeführerin auszureisen habe. Auch im Bezug auf die Kinder stehe es der Beschwerdeführerin frei, diese mitzunehmen. Die Kinder seien ebenfalls illegal aufhältig, weshalb in Bezug auf die Kinder kein Eingriff in das Familienleben stattfinde. Die Beschwerdeführerin habe während des sechsjährigen illegalen Aufenthalts nichts unternommen, um ihren Aufenthalt bzw. den Aufenthalt ihrer Kinder zu legalisieren. Daraus sei ersichtlich, dass sie nicht gewillt sei, die österreichischen Gesetze einzuhalten, weshalb der Eingriff in das Privat- und Familienleben gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässig sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

1. Da sich die Beschwerdeführerin unstrittig seit sechs Jahren ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhält, begegnet die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, der Tatbestand des § 53 Abs. 1 FPG sei erfüllt, keinen Bedenken.

2. Die Beschwerdeführerin lebt seit sechs Jahren im Bundesgebiet, sie ist mit einem nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren seit Geburt in Österreich lebenden und hier arbeitenden serbischen Staatsangehörigen verheiratet, dem nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin im Verhandlungsverfahren die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft bereits zugesichert worden ist. Die beiden Kinder des Ehepaares wurden nach dem Akteninhalt im Mai 2001 und im Jänner 2004 in Österreich geboren und leben seither im Bundesgebiet.

Auf Grund der Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts wird die aus der Aufenthaltsdauer ableitbare Integration in ihrem Gewicht zwar stark gemindert, kann aber - entgegen der belangten Behörde - nicht zur Gänze unberücksichtigt bleiben. Ebenso unrichtig ist die Ansicht der belangten Behörde, dass "in Bezug auf (die) Kinder kein Eingriff in das Familienleben stattfindet", weil diese mit der Beschwerdeführerin ausreisen könnten, leben die Kinder doch auch mit ihrem Vater im Familienverband.

Die belangte Behörde hat jedoch den mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin zutreffend als "sehr stark" gewertet.

Diesem Eingriff steht die auf Grund des von Anfang an unberechtigten Aufenthalts bewirkte, sehr schwerwiegende Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens (Art. 8 Abs. 2 EMRK) gegenüber. Bei gehöriger Abwägung dieser Interessenlage kann die Ansicht der belangten Behörde, die Ausweisung sei im Grund des § 66 Abs. 1 FPG zulässig, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3.1. § 53 Abs. 1 FPG räumt der Behörde insofern Ermessen ein, als von der Erlassung einer Ausweisung trotz Vorliegens der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen abgesehen werden kann. Nach Art. 130 Abs. 2 B-VG hat die Behörde von dem besagten Ermessen "im Sinne des Gesetzes" Gebrauch zu machen. Sie hat hierbei in Erwägung zu ziehen, ob und wenn ja welche Umstände im Einzelfall vor dem Hintergrund der gesamten Rechtsordnung gegen die Erlassung einer Ausweisung sprechen und sich hiebei insbesondere von den Vorschriften des FPG leiten zu lassen. Es könnten etwa - anders als bei der Beurteilung der Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG - öffentliche Interessen zu Gunsten eines Fremden berücksichtigt werden und bei entsprechendem Gewicht eine Abstandnahme von der Ausweisung im Rahmen der Ermessensentscheidung rechtfertigen. Aber auch persönliche, schon im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit einer Ausweisung nach § 66 Abs. 1 FPG zu berücksichtigende Interessen sind bei der Handhabung des Ermessens nach § 53 Abs. 1 leg. cit. dann zu beachten, wenn dies erforderlich ist, um den besonderen im Einzelfall gegebenen Umständen gerecht zu werden. Die Behörde hat den für ihre Ermessensentscheidung maßgeblichen Sachverhalt festzustellen und in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien des Verwaltungsverfahrens und für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Gesetz erforderlich ist (vgl. aus der ständigen hg. Judikatur zum Fremdengesetz 1997 etwa das Erkenntnis vom 18. Mai 2006, Zl. 2006/18/0034, und zum FPG etwa das darauf verweisende Erkenntnis vom 4. Oktober 2006, Zl. 2006/18/0268).

3.2. Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung entgegen dieser Verpflichtung nicht begründet.

Die Beschwerdeführerin hat - unvorgreiflich des Ergebnisses der behördlichen Ermessensübung - die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufgezeigt, in dem sie - wenngleich inhaltlich vorwiegend unter Heranziehung der bereits für die Beurteilung nach § 66 Abs. 1 FPG bedeutsamen Umstände - ausführlich dargelegt hat, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu ihren Gunsten Ermessen zu üben gehabt hätte (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis, Zl. 2006/18/0268).

4. Da es die belangte Behörde unterlassen hat, eine der Beschwerdeführerin die Verfolgung ihrer subjektiven Rechte vor dem Verwaltungsgerichtshof einerseits und dem Gerichtshof die Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides andererseits ermöglichende Begründung für ihre Ermessensentscheidung im Sinn der vorstehenden Ausführungen zu geben, leidet der angefochtene Bescheid an einem wesentlichen Verfahrensmangel. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den § 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. März 2008

Schlagworte

Ermessen besondere RechtsgebieteBegründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelBegründung BegründungsmangelErmessen VwRallg8Besondere RechtsgebieteBegründung von Ermessensentscheidungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006180496.X00

Im RIS seit

16.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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