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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, in der Beschwerdesache der Bundespolizeidirektion Villach in 9500 Villach, Trattengasse 34, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 10. Dezember 2007, Zl. 7-G-VER-290/15/2007, betreffend Vorschreibung von Überwachungsgebühren (mitbeteiligte Partei: Verein Villacher Kirchtag in 9500 Villach, Rathaus), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 22. März 2005 wurden "die für die Überwachung des Villacher Kirchtages 2004 in der Zeit vom 7.8.2004/8.8.2004 in der Zeit von 19 Uhr bis 3 Uhr angefallenen Kosten" gemäß § 19 Abs. 1 und 2 iVm § 31 Abs. 2 K-VAG 1997 und § 5a SPG iVm §§ 1 und 2 der Sicherheitsgebührenverordnung mit insgesamt EUR 6.699,33 bestimmt und ausgesprochen, dass gemäß § 35 Abs. 1 K-VAG 1997 die Kosten dieser Überwachung der mitbeteiligte Verein zu tragen habe.
Der dagegen erhobenen Berufung der Bundespolizeidirektion Villach gab die Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 29. Dezember 2005 Folge, bestimmte diese Kosten in der Gesamthöhe von EUR 15.578,65 und trug dem mitbeteiligten Verein deren Entrichtung auf.
Mit hg. Erkenntnis vom 21. März 2007, Zl. 2006/05/0034, wurde der dagegen erhobenen Beschwerde des mitbeteiligten Vereines Folge gegeben und der Berufungsbescheid der Kärntner Landesregierung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Bundespolizeidirektion Villach gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 22. März 2005 keine Folge gegeben.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde der Bundespolizeidirektion Villach. Gestützt wird die Beschwerde auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG. Die Bundespolizeidirektion Villach erachtet sich "in ihrem Recht verletzt, die ihr gemäß § 5a SPG
zustehenden Überwachungsgebühren ... zu erhalten". Sie macht
Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Die Beschwerde ist unzulässig.
Art. 131 Abs. 1 und 2 B-VG lautet (auszugsweise):
"(1) Gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde kann wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben:
1. wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges;
2. in den Angelegenheiten der Art. 11, 12, 14 Abs. 2 und 3 und 14a Abs. 3 und 4 sowie in jenen Angelegenheiten, in denen dem Bescheid eines Landes- oder Bezirksschulrates ein kollegialer Beschluss zu Grunde liegt, der zuständige Bundesminister, soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können;
3. in den Angelegenheiten des Art. 15 Abs. 5 erster Satz die zuständige Landesregierung gegen Bescheide des zuständigen Bundesministers.
(2) Unter welchen Voraussetzungen auch in anderen als den in Abs. 1 angeführten Fällen Beschwerden gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden wegen Rechtswidrigkeit zulässig sind, wird in den die einzelnen Gebiete der Verwaltung regelnden Bundes- oder Landesgesetzen bestimmt.
..."
Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG regelt die Parteibeschwerde. Sie ist nur zulässig, wenn die Beschwerdeführerin durch den Bescheid in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein kann (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2005, Zl. 2005/07/0162).
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem mitbeteiligten Verein Überwachungsgebühren für die Überwachung der Veranstaltung "Villacher Kirchtag 2004" gemäß § 5a SPG vorgeschrieben. Die Überwachung dieser Veranstaltung wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 15. Juli 2004 gemäß § 19 Abs. 2 K-VAG 1997 iVm § 31 Abs. 2 lit. b K-VAG 1997 angeordnet und von den zuständigen Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 21. März 2007, Zl. 2006/05/0034).
Bezüglich der Kosten der Überwachung von Veranstaltungen enthält § 35 Kärntner Veranstaltungsgesetz 1997 - K-VAG 1997 folgende Regelung:
"(1) Die Kosten der Überwachung hat nach Maßgabe des 76 AVG der Veranstalter zu tragen.
(2) Soweit es sich um Kosten für die besonderen Überwachungsdienste von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes handelt, gelten die Bestimmungen des Sicherheitspolizeigesetzes, BGBl. Nr. 599/1991, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 12/1997.
..."
Das Sicherheitspolizeigesetz, BGBl. Nr. 566/1991 in der hier
maßgeblichen Fassung BGBl. Nr. 12/1997 (in der Folge: SPG) enthält
hiezu folgende Anordnungen:
"Überwachungsgebühren
§ 5a. (1) Für besondere Überwachungsdienste durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, die auf Grund der Verwaltungsvorschriften für Vorhaben mit Bescheid angeordnet oder bewilligt werden, sind Überwachungsgebühren einzuheben, wenn es sich um die Überwachung von Vorhaben handelt, die - wenn auch nur mittelbar - Erwerbsinteressen dienen, oder um Vorhaben, für die die Zuseher oder Besucher ein Entgelt zu entrichten haben oder die nicht jedermann zur Teilnahme offen stehen.
...
Entrichtung der Überwachungsgebühren
§ 5b. (1) Die Überwachungsgebühren sind, wenn sie nicht ohne Weiteres entrichtet werden, von jener Behörde vorzuschreiben, die die Überwachung anordnet oder bewilligt. Sie fließen der Gebietskörperschaft zu, die den Aufwand der mit der Überwachung betrauten Organe zu tragen hat.
(2) Der mit der Führung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betrauten Behörde kommt im Verfahren gemäß Abs. 1 Parteistellung zu, soferne sie nicht selbst zur Bescheiderlassung zuständig ist.
(3) Die Verpflichtung zur Entrichtung von Überwachungsgebühren trifft denjenigen, der das Vorhaben, dessen Überwachung bewilligt oder angeordnet wurde, durchführt. Wurde die Überwachung von einer anderen Person beantragt oder durch das Verschulden einer anderen Person verursacht, so sind die Überwachungsgebühren von dieser zu tragen. Treffen die Voraussetzungen auf mehrere Beteiligte zu, so trifft alle die Verpflichtung zur Entrichtung zu ungeteilter Hand.
..."
§ 5a und § 5b SPG wurden mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201/1996 in das SPG eingefügt. In den Erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage (RV 72 Art. 68 Z. 2 GP XXII) wird zur Regelung des § 5b Abs. 2 SPG ausgeführt:
"Da die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes durch die Anordnung einer Überwachung in personeller und organisatorischer Hinsicht belastet werden, ist es zweckmäßig, der mit der Führung dieser Organe betrauten Behörde Parteistellung im Gebührenfestsetzungsverfahren einzuräumen; dies jedoch nur dann, wenn sie nicht selbst die vorschreibende Behörde ist.
Behörde im Sinne des § 5b Abs. 2 sind die Dienstbehörden nach § 2 DVG. Dies sind bei Überwachungsdiensten der Bundesgendarmerie in aller Regel die Landesgendarmeriekommanden, bei solchen von Angehörigen der Gemeindewachen die jeweiligen Gemeinden."
Den in § 5b Abs. 2 SPG bezeichneten Dienstbehörden kommt somit die Stellung einer Organpartei zu (vgl. hiezu Pürstl/Zirnsack, SPG (2005), Anm. 7 zu § 5b, S. 29).
Subjektive Rechte sind der beschwerdeführenden Behörde in den dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Normen nicht eingeräumt. Die Begründung einer Parteistellung durch das Gesetz (hier nach § 5b Abs. 2 SPG) vermittelt nicht ohne weiteres die Beschwerdelegitimation vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 22. Dezember 2005, Zl. 2005/07/0162). Fehlt es an der Behauptung, in der eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein, oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung, außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen (vgl. insbesondere Art. 131 Abs. 1 Z. 2 und 3 B-VG), einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, Zl. 2006/04/0175).
Nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG kommt es also darauf an, ob die Beschwerdeführerin als Organpartei durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein kann. Die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte stellen subjektiv-öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung die Organpartei in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG geltend machen kann. Subjektiv-öffentliche Rechte des materiellen Rechtes könnten der Organpartei nur auf Grund einer Regelung des Materiengesetzgebers zustehen. Solche sind aber, wie oben ausgeführt, in dem von der belangten Behörde angewendeten § 5b Abs. 2 SPG der mit der Führung der Organe des Sicherheitsdienstes betrauten Behörde nicht eingeräumt.
Die Beschwerdeführerin, der im Verwaltungsverfahren als Organpartei keine eigene Interessenssphäre zukam, ist also nur insoweit beschwerdelegitimiert, als dies zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse erforderlich ist. Nur die sich aus der ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte (u.a. Recht auf Bescheidzustellung, auf Akteneinsicht, auf Berufung, auf Parteiengehör, auf Ladung zur öffentlichen Verhandlung) stellen subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführerin als Organpartei dar, deren Verletzung in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG geltend gemacht werden kann (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, Zl. 2006/04/0175). Eine solche Verletzung in den dargestellten Rechten wird jedoch in der Beschwerde nicht behauptet.
Gleichfalls mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996 wurde die Berechtigung zur Erhebung einer Amtsbeschwerde gegen Bescheide nach § 5b SPG, die im Instanzenzug nicht mehr mit Berufung bekämpft werden können, angefügt. Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:
"Amtsbeschwerde
§ 91. ...
(2) Das oberste, mit der Führung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betraute Organ kann gegen Bescheide gemäß § 5b, die der Abänderung im Instanzenzug nicht mehr unterliegen, wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Die Beschwerdefrist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung an die Behörde."
Diese - vom Gesetzgeber als konsequente Fortsetzung der Rechtsstellung der mit der Führung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betrauten Behörden (§ 5b Abs. 2) bezeichnet (siehe die bereits erwähnten Erläuterungen zur RV 72, XXII. GP des Strukturanpassungsgesetzes 1996) - eingeräumte Möglichkeit der Erhebung einer Amtsbeschwerde nach Art. 131 Abs. 2 B-VG ist im Unterschied zur Parteistellung nach § 5b Abs. 2 SPG nicht einer Behörde, sondern dem obersten, mit der Führung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betrauten Organ zugesprochen.
Nach § 5 Abs. 1 SPG versehen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes für die Sicherheitsbehörden den Exekutivdienst. Gemäß § 4 Abs. 1 leg. cit. ist oberste Sicherheitsbehörde der Bundesminister für Inneres. Im Beschwerdefall ist das oberste, mit der Führung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes betraute Organ im Sinne des § 91 Abs. 2 SPG daher der Bundesminister für Inneres (vgl. hiezu auch Pürstl/Zirnsack, SPG (2005), Anm. 10 zu § 91 sowie Hauer/Keplinger, Sicherheitspolizeigesetz, 3. Aufl., S. 951 f).
Daraus folgt, dass die Bundespolizeidirektion Villach nicht beschwerdelegitimiert ist, weshalb sich ihre Beschwerde als unzulässig erweist. Sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
Wien, am 4. März 2008
Schlagworte
Parteibegriff - Parteienrechte Allgemein diverse Interessen RechtspersönlichkeitMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH AllgemeinParteibegriff Tätigkeit der BehördeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008050028.X00Im RIS seit
16.06.2008Zuletzt aktualisiert am
08.01.2013