TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/4 2005/05/0203

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Veröffentlicht am 04.03.2008
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82009 Bauordnung Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §8;
BauO Wr §134 Abs3;
BauO Wr §134 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Hinterwirth und Dr. Moritz , im Beisein des Schriftführers Mag. Zykan, über die Beschwerde der H GesmbH in Wien, vertreten durch Dr. Martin Prokopp und Mag. Arno Pajek, Rechtsanwalt in 2500 Baden, Rathausgasse 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 29. September 2004, Zl. BOB 264/04, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Partei: X-G.m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. Josef Krist, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Liebiggasse 4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin betreibt eine gewerbliche Betriebsanlage auf ihrer Liegenschaft in 1220 Wien, Richard Strauss Straße 22. Jenseits ihrer Grundstücksgrenze befindet sich zunächst der Gehweg, dann ein Radweg, dann ein Grünstreifen und daran anschließend die Verkehrsfläche Richard Strauss Straße.

Mit Bescheid vom 20. Februar 2004 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37 (MA 37), der mitbeteiligten Bauwerberin die Baubewilligung (samt Gebrauchserlaubnis, Bewilligung nach der Straßenverkehrsordnung und Gebrauchsabgabenvorschreibung) für die Errichtung eines "City Light Boards" mit einer Werbefläche von 3,48 m Länge und 2,64 m Höhe auf einem Steher mit 2,60 m Bodenabstand. Die Bewilligung wurde gemäß § 71 BauO für Wien auf jederzeitigen Widerruf erteilt; nach den der Bewilligung zu Grunde gelegten Unterlagen erfolgt die Errichtung auf dem Grünstreifen vor dem Grundstück der Beschwerdeführerin. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin, die dem Bauverfahren nicht zugezogen worden war, nicht zugestellt.

Gegenüber der MA 37 erklärte der bestellte Bauführer mit Schreiben vom 26. Februar 2004, dass am 2. März 2004 mit dem Bau begonnen werde.

Mit Schreiben vom 15. April 2004 teilte die Beschwerdeführerin der MA 37 mit, es sei vor kurzem unmittelbar vor ihrer Fabrikseinfahrt von der Mitbeteiligten ein so genanntes "Rolling Board" errichtet worden. Die Beschwerdeführerin sei dem Genehmigungsverfahren nicht beigezogen worden. Es werde daher um Zuerkennung der Parteistellung und um Abwicklung eines "ordentlichen Bauverfahrens" ersucht.

Diesen Antrag wies die MA 37 mit Bescheid vom 27. April 2004 als "verspätet eingebracht" ab. Der Baubeginn sei mit 2. März 2004 angezeigt worden und sei an diesem Tag mit den Bauarbeiten begonnen worden. Die Aufstellung der oberirdischen Teile der Anlage sei am 14. März 2004 erfolgt, sodass die Beschwerdeführerin spätestens in der darauf folgenden Woche, also spätestens am 19. März 2004 die Bauführung bemerkt haben müsse; schon damals hätte sie den Schluss ziehen müssen, dass Parteienrechte nicht gewährt worden seien. Der Antrag auf Parteistellung hätte gemäß § 134 Abs. 4 BauO für Wien bis spätestens 2. April 2004 eingebracht werden müssen.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie erst durch den bekämpften Bescheid von einem Bauverfahren Kenntnis erlangt habe. Die Bauführung hätte konsenslos sein können; auch wäre es möglich, dass ein vereinfachtes Verfahren stattgefunden habe. Jedenfalls sei erst durch die Bescheidzustellung das im Gesetz genannte Hindernis weggefallen.

Die Berufungsbehörde erhob zunächst, dass am 14. März 2004 die Arbeiten abgeschlossen gewesen seien und lediglich die Wiederherstellung der Gehsteigoberfläche noch nicht erfolgt sei. Dazu erwiderte die Beschwerdeführerin unter Vorlage von Fotos, dass die Gehsteigoberfläche noch immer nicht hergestellt worden sei.

Mit Schreiben vom selben Tag, gerichtet an die MA 37, erhob die Beschwerdeführerin Einwendungen und beantragte, die Baubewilligung für die gegenständliche Werbeanlage zu versagen. Durch die Werbeanlage werde nicht der gesetzliche Mindestabstand von 6 m eingehalten, der Abstand zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführerin betrage nur ca. 1,5 m. Die Höhe des Bauwerkes entspreche nicht den Bauvorschriften. Auch die festgelegten Fluchtlinien würden durch die Werbetafeln nicht eingehalten werden. Bestimmungen über den Schutz vor Immissionen, vor allem die Beeinträchtigung durch die künstliche Beleuchtung, würden verletzt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin als unbegründet ab, bestätigte den angefochtenen Bescheid jedoch mit der Maßgabe, dass festgestellt wurde, dass der Beschwerdeführerin im eingangs genannten Bauverfahren keine Parteistellung zukomme. Der Zeitpunkt der Vollendung des Baues, also der 14. März 2004, wäre fristauslösend im Sinne des § 134 Abs. 4 BauO für Wien gewesen. Innerhalb dieser Frist hätte die Beschwerdeführerin zur Wahrung ihrer Parteienrechte Erkundungen bei der Baubehörde erster Instanz durchführen müssen, ob für die bezughabende Baulichkeit um Baubewilligung angesucht oder diese bereits erteilt worden sei. Dies sei nicht fristgerecht geschehen, sodass die Beschwerdeführerin nicht nachträglich Parteistellung im Baubewilligungsverfahren erlangt habe.

Mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Darin bringt sie vor, sie habe erstmals mit Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides vom 27. April 2004, also am 30. April 2004, von dem bei der MA 37 durchgeführten Bauverfahren erfahren. Erst damit sei das Hindernis zur Erhebung von Einwendungen weggefallen. Davor habe die Beschwerdeführerin keine Kenntnis von einem Bauverfahren gehabt, in dem sie hätte Einwendungen erheben können. Unbegründet sei, warum die angebliche Baubeendigung als auslösendes Ereignis anzusehen sei, zumal die Gehsteigoberfläche noch nicht fertig gestellt sei. Es sei auch nicht erkennbar gewesen, ob es sich nicht allenfalls um ein vereinfachtes Baubewilligungsverfahren gemäß § 70a Abs. 7 BauO für Wien gehandelt habe. Es könne nicht sein, dass der bereits übergangenen Partei derartige ungesetzliche Nachforschungspflichten auferlegt würden, damit sie endlich von den ihr zustehenden Parteirechten Gebrauch machen könne. Ausgehend von der erstmaligen Kenntnisnahme am 30. April 2004 seien die von ihr erhobenen Einwendungen rechtzeitig erfolgt.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die Mitbeteiligte, eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unstrittig ist auf Grund der örtlichen Gegebenheiten, dass die Beschwerdeführerin Nachbarin gemäß § 134 Abs. 3 BauO für Wien in der Fassung LGBl. Nr. 61/1998 (BO) ist. Dessen Abs. 4, der die Parteistellung des übergangenen Nachbarn regelt, lautet:

"(4) Weist ein Nachbar der Behörde nach, dass er ohne sein Verschulden daran gehindert war, die Parteistellung nach § 134 Abs. 3 zu erlangen, kann er seine Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die Bauführung auch nach dem Abschluss der mündlichen Bauverhandlung bis längstens drei Monate nach dem angezeigten Baubeginn (§ 124 Abs. 2) vorbringen und ist vom Zeitpunkt des Vorbringens dieser Einwendungen an Partei; eine spätere Erlangung der Parteistellung (§ 134 Abs. 3) ist ausgeschlossen. Solche Einwendungen sind vom Nachbarn binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Bauverhandlung anberaumt hat."

Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung sind Einwendungen binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses für ihre Erhebung bei der Behörde einzubringen, die die Bauverhandlung anberaumt hat. Diese Frist kann somit nur dann zur Anwendung gelangen, wenn die Behörde eine Verhandlung anberaumt hat; solange keine Verhandlung anberaumt wurde, kommt eine Versäumung der (14- tägigen) Einwendungsfrist nicht in Betracht.

Im Beschwerdefall wurde aber auf Grund des Bauansuchens keine Verhandlung anberaumt; die Behörde hat vielmehr ohne Verhandlung die Baubewilligung erteilt. Die beschwerdeführende Nachbarin konnte daher die Frist des § 134 Abs. 4 letzter Satz BO nicht versäumen; aus diesem Grund kann ihr die Parteistellung nicht versagt werden.

Die Beschwerdeführerin hat aber jedenfalls rechtzeitig im Sinne der absoluten Frist des § 134 Abs. 4 BO Einwendungen erhoben. Rechtzeitigkeit liegt hier selbst dann vor, wenn der Beginn dieser Frist mit der (vom Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 2. Oktober 2007, G 4/07, hinsichtlich der Fristauslösung als unsachlich beurteilten) Anzeige der Bauausführung angesetzt wird. Damit hat sie ihre Parteistellung gewahrt.

Da die belangte Behörde somit von einer vom Verwaltungsgerichtshof nunmehr nicht gebilligten Rechtsauffassung ausgegangen ist, belastete sie ihren Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 4. März 2008

Schlagworte

Baurecht Nachbar übergangener Verfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005050203.X00

Im RIS seit

11.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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