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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Rosenmayr und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Prof. Dr. H K in W, vertreten durch Dr. Dieter Altenburger, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/2, gegen den Bescheid des Bundesministers für Soziales und Konsumentenschutz vom 19. Oktober 2007, Zl. BMSK-148874/0002-IV/5/2007, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Aus der Beschwerdeschrift, der ihr angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides und der gemäß § 35 Abs. 2 VwGG eingeholten Stellungnahme der belangten Behörde sowie dem dazu vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich Folgendes:
Mit Schreiben vom 23. Oktober 2006 beantragte die Beschwerdeführerin die "Anerkennung als Opfer der Naziverfolgung, Ausstellung einer Amtsbescheinigung und Gewährung von Rentenleistungen" und brachte dazu im erstinstanzlichen Verwaltungsverfahren im Wesentlichen vor, auf Grund ihrer Abstammung im Sommer 1939 nach Italien geflüchtet und in weiterer Folge dort im Dorf Celico/Provinz Cosenza länger als ein Jahr in einem Lager angehalten worden zu sein.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. November 2006 wurde diesem Antrag gemäß § 1 Abs. 1 lit. e und Abs. 4 sowie § 4 Abs. 1 Opferfürsorgegesetz (OFG) keine Folge gegeben und zusammengefasst damit begründet, dass die gesetzlichen Kriterien einer Freiheitsbeschränkung in Deutschland oder den von Deutschland besetzten Gebieten nicht erfüllt seien, da die (von der Gemeinde Celico in Süditalien bestätigte) Anhaltung der Beschwerdeführerin in einem mit Deutschland verbündeten Staat veranlasst worden sei.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht mit Schreiben vom 4. Dezember 2006 Berufung, worin sie (lediglich) ausführte:
"Gegen den Bescheid vom 15.11.2006 bringe ich fristgerecht Berufung ein. Ich werde diese in späterer Folge mit den entsprechenden Unterlagen und Begründungen ergänzen."
In weiterer Folge kündigte die Beschwerdeführerin in einem (mit AV vom 7. März 2007 festgehaltenen) Anruf bei der Sachbearbeiterin der erstinstanzlichen Verwaltungsbehörde im Wesentlichen an, im Zuge der Berufung auch (erstmals) Gesundheitsschäden anführen zu wollen, die sie auf die Zeit der Verfolgung zurückführte; sie würde sich dazu "in einigen Wochen in einer Klinik durchuntersuchen lassen und diese Befunde mit dem ausführlichen Berufungsantrag einschicken".
Mit einem weiteren, direkt an die Sachbearbeiterin gerichteten Schreiben vom 15. Mai 2007 übermittelte die Beschwerdeführerin einen "ärztlichen Bericht" eines Internisten gleichen Datums und stellte darin (neben Ausführungen über ihre aktuelle Lebenssituation bzw. ihr Bemühen zur Erreichung einer finanziellen Zuwendung aus dem Opferfürsorgegesetz) im Wesentlichen die Frage: "Sagen Sie mir bitte, ob man damit (gemeint dem angeschlossenen Bericht des Arztes) was anfangen kann?".
In einem weiteren (mit AV vom 1. Oktober 2007 festgehaltenen) Anruf bei der Sachbearbeiterin erklärte die Beschwerdeführerin nach Information über den Verfahrensstand, dass "das Schreiben vom
(15.) Mai (2007) ... privat an (die Sachbearbeiterin) ... und nicht als Berufungsbegründung gemeint war."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die von der Beschwerdeführerin eingebrachte Berufung - ohne Erteilung eines Verbesserungsauftrages - gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 16 Abs. 1 OFG als unzulässig wegen Verspätung zurück und begründete dies damit, dass die am 5. Dezember 2006 eingelangte Berufung keinen begründeten Berufungsantrag enthalten habe und ein solcher erst mit Schreiben vom 15. Mai 2007 - sohin nach Ablauf der Berufungsfrist - eingebracht worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem wesentlichen Einwand, dass der gemäß § 13 Abs. 3 AVG geforderte amtswegige Auftrag zur Verbesserung des Berufungsschriftsatzes unterblieben sei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und vertritt in Beantwortung einer gemäß § 35 Abs. 2 VwGG dazu an sie gerichteten Anfrage im Wesentlichen die Auffassung, dass ein Verbesserungsauftrag im Sinne des § 13 Abs. 3 AVG wegen Aussichtslosigkeit nicht erforderlich gewesen sei, zumal sich auch aus dem Schreiben vom 15. Mai 2007 kein neues Argument für den Standpunkt der Beschwerdeführerin (der Anhaltung in Süditalien) ergeben habe; ein Verbesserungsauftrag habe sich auch erübrigt, weil die Beschwerdeführerin in der Berufung selbst angegeben habe, diese "in späterer Folge mit Unterlagen und Begründungen zu ergänzen".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.
Diese gesetzliche Bestimmung verlangt nicht nur einen Berufungsantrag, sondern darüber hinaus auch noch dessen Begründung, das heißt eine Rechtfertigung des Antrags (VwGH 10. Jänner 1990, 89/01/0339; 27. Jänner 1993, 92/03/0262; Walter/Thienel AVG § 63 Anm. 12), wobei an die Begründung der Berufung nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere bei unvertretenen Parteien keine allzu strengen Anforderungen zu stellen sind. Die bloße Anmeldung der Berufung, also die unverbindliche Absichtserklärung, oder ein Vorbehalt, später eine Berufung erheben zu wollen oder die Begründung nachzuliefern, genügt den Mindestanforderungen im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung nicht (VwSlg. 10187A/1980; VwGH 21. Dezember 1993, 93/08/0167; 22. Juni 2001, 98/21/0231).
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG idF der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.
Diese - im vorliegenden Fall maßgebliche - Fassung des § 13 Abs. 3 AVG stellt nicht mehr nur auf Formgebrechen, sondern ganz allgemein auf Mängel schriftlicher Anbringen ab, worunter auch inhaltliche Mängel zu subsumieren sind (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 2005, Zl. 2001/03/0334, mwN). Ein solcher verbesserungsfähiger inhaltlicher Mangel liegt auch im Falle des Fehlens eines begründeten Berufungsantrages vor (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/11/0399, mwN).
Unbestritten ist, dass die vorliegende Berufung vom 4. Dezember 2006 nicht diesen erwähnten Mindestanforderungen einer Berufung entspricht.
Davon ausgehend wäre der Beschwerdeführerin gemäß § 13 Abs. 3 AVG Gelegenheit zur Verbesserung der Berufung zu geben gewesen, wobei das Schreiben der Beschwerdeführerin vom 15. Mai 2007 nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht als nachgereichte Berufungsbegründung gewertet werden kann: Schon allein dessen Adressierung und die (zentrale) Fragestellung an die Sachbearbeiterin spricht objektiv dagegen, dass die Beschwerdeführerin damit die Berufungsbegründung nachholen wollte, auch die weiteren (allgemeinen) Ausführungen lassen nicht ausreichend erkennen, aus welchen Erwägungen die Partei die Entscheidung der Behörde bekämpfen will; dies wird letztlich auch durch die spätere Willenserklärung der Beschwerdeführerin in dem mit AV vom 1. Oktober 2007 festgehaltenen Telefongespräch, wonach das Schreiben vom 15. Mai 2007 "privat und nicht als Berufungsbegründung gemeint" war, gestützt.
Daran vermag auch die Argumentation der belangten Behörde für die Unterlassung eines Verbesserungsauftrages nichts zu ändern:
Insoweit diese einen Verbesserungsauftrag als aussichtslos erachtet, verkennt sie, dass mangels Vorliegens eines als Berufungsbegründung zu wertenden Schriftsatzes, vor allem auch in Ansehung des darin gemäß § 65 AVG zulässigen neuen Tatsachen- oder Beweisvorbringens, nicht von Vornherein feststeht, dass der geforderte Nachweis nicht erbracht werden kann.
Die belangte Behörde hätte somit die Berufung, die keinen begründeten Berufungsantrag enthielt, gemäß § 13 Abs. 3 AVG (ungeachtet allfälliger Ankündigungen der Beschwerdeführerin auf eigenständig nachzubringende Ergänzungen) einem Verbesserungsverfahren zu unterziehen und sie (erst) bei Nichtverbesserung zurückzuweisen gehabt.
Indem die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Hinblick auf das Fehlen eines begründeten Berufungsantrages keinen Verbesserungsauftrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG erteilte, sondern ihre Berufung, ohne einen solchen Auftrag zu erteilen, als unzulässig zurückgewiesen hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Da die in der Beschwerde behauptete Rechtsverletzung bereits aus dem angefochtenen Bescheid entnommen werden konnte, war dieser ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 35 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 6. März 2008
Schlagworte
Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verbesserungsauftrag Bejahung BerufungsverfahrenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007090310.X00Im RIS seit
10.04.2008Zuletzt aktualisiert am
12.07.2008