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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallSpruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit € 2.142,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1.1. Der Beschwerdeführer, ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, hat im Jahr 1996 Aktien veräußert und die dabei aufgedeckten stillen Reserven gemäß §12 EStG 1988 (idF des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl. 201) auf die Anschaffungskosten von Forderungen (sonstigen Ausleihungen) übertragen.
1.2. Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 12. Dezember 2002 wurde dem Beschwerdeführer die steuerliche Anerkennung der Übertragung der stillen Reserven versagt, da nach §12 Abs3 EStG 1988, idF des Abgabenänderungsgesetzes 1996, BGBl. 797, die Übertragung von stillen Reserven auf Finanzanlagen ab dem Jahr 1996 nicht mehr zulässig sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der der Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt.
3. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und verzichtete förmlich auf die Erstattung einer Gegenschrift.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Mit Erkenntnis vom 13. März 2003, G334/02, hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "und von Finanzanlagen" in §12 Abs3 EStG 1988, BGBl. 400, idF BGBl. 797/1996, als verfassungswidrig auf.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren - bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung - beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 8. März 2003; mit Erkenntnis vom 13. März 2003 hob der Verfassungsgerichtshof - wie erwähnt - die Wortfolge "und von Finanzanlagen" in §12 Abs3 EStG 1988, idF BGBl. 797/1996, als verfassungswidrig auf. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 29. Jänner 2003 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr iHv € 180,-- und Umsatzsteuer iHv € 327,-- enthalten.
IV. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2003:B208.2003Dokumentnummer
JFT_09969390_03B00208_00