TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/6 2007/09/0142

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Veröffentlicht am 06.03.2008
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Index

L24009 Gemeindebedienstete Wien;
L92059 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Wien;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
23/04 Exekutionsordnung;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

ABGB §140;
ABGB §94;
BDG 1979 §112 Abs4 impl;
DO Wr 1994 §94 Abs4;
DO Wr 1994 §94 Abs8;
DO Wr 1994 §94 Abs9;
ExMinV 2003;
MRK Art6;
SHG Wr 1973;
SHV Richtsätze Wr 1973;
VwGG §39 Abs2 Z6;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der SC in W, vertreten durch Mag. Johannes Schmidt, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Nibelungengasse 8/1/1-3, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 25. Mai 2007, Zl. MA 2/721757 B, betreffend Antrag auf Aufhebung der Bezugskürzung nach der Wiener Dienstordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte betreffend Suspendierung der Beschwerdeführerin wird zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2007/09/0108, verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 19. März 2007, eingelangt bei der belangten Behörde am 20. März 2007, stellte die Beschwerdeführerin den Antrag auf Aufhebung der monatlichen Bezugskürzung, in eventu auf angemessene Minderung der monatlichen Bezugskürzung.

Die belangte Behörde gab dem Antrag der Beschwerdeführerin gemäß § 94 Abs. 4 DO nicht statt.

Die belangte Behörde führte im Wesentlichen unter Nennung des ungekürzten und gekürzten Nettobezuges unter Zugrundelegung der §§ 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG), LGBl. für Wien Nr. 11/1973, idF LGBl. für Wien Nr. 58/2006, sowie der in der Verordnung der Wiener Landesregierung betreffend die Festsetzung der Richtsätze in der Sozialhilfe (SHRS-VO), LGBl. für Wien Nr. 13/1973, idF LGBl. Nr. 60/2006 für den Bezugszeitraum vor dem 1. Mai 2007 und idF LGBl. Nr. 18/2007 für den Bezugszeitraum ab 1. Mai 2007 angeführten Beträge aus, dass das gekürzte Nettoeinkommen über dem Bereich der Beträge liege, die nach dem WSHG und der SHRS-VO als Aufwand für den notwendigen Lebensunterhalt gälten. Die belangte Behörde bezog den Ehegatten der Beschwerdeführerin auf Grund dessen eigenen Einkommens nicht in die Berechnung ein. Die belangte Behörde führte im Einzelnen aus, welche der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Ausgaben aus welchen Gründen nicht dem notwendigen Lebensunterhalt zugeordnet würden. Die belangte Behörde wies auf das Vorliegen von Vermögen hin sowie dass der suspendierten Beschwerdeführerin, die keinen Dienst leiste, eine Einschränkung der bisherigen Lebenshaltung zugemutet werden dürfe. Zu dem aus einer allfälligen Nichtzahlung von Verbindlichkeiten drohenden Schaden führte sie aus, dass mit den Gläubigern für die Dauer der Suspendierung eine Umschuldung, eine Aussetzung des Vertrages bzw. der Rückzahlung oder andere Vereinbarungen getroffen werden könnte, welche die monatliche Zahlungsverpflichtung mindern oder beseitigen würden. In der Regel sei es auch möglich, die Prämienzahlung für Versicherungen über Vereinbarung mit dem Versicherungsunternehmen für einen gewissen Zeitraum auszusetzen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 94 Abs. 4 DO verkürzt sich der Monatsbezug des Beamten - unter Ausschluss der Familienzulage - während der Dauer einer Suspendierung um ein Drittel. Der Magistrat kann auf Antrag des Beamten die Kürzung vermindern oder aufheben, wenn und soweit dies zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist, oder zur Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens erforderlich ist.

Die Beschwerdeführerin rügt, die belangte Behörde habe das ihr eingeräumte Ermessen unrichtig ausgeübt. Sie habe nicht berücksichtigt, dass es der Beschwerdeführerin gelungen sei, "einen ordentlichen Lebensstandard zu schaffen", ein "Eigenheim"

anzuschaffen und für eine den "Anlagen und Eignung ... abgestimmte

Bildung" ihrer Kinder zu sorgen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zu der vergleichbaren Bestimmung des § 112 Abs. 4 BDG 1979 - die gleichfalls an der Aufrechterhaltung des "notwendigen Lebensunterhaltes des Beamten und seiner Familienangehörigen, für die er sorgepflichtig ist", orientiert ist - ausgesprochen hat, kommt eine Verminderung oder Aufhebung der Bezugskürzung nicht in Betracht, wenn und soweit sie zur Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes des genannten Personenkreises nicht unbedingt erforderlich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0238, mwN). An die alternative Voraussetzung des § 94 Abs. 4 zweiter Satz DO ("... Vermeidung eines nicht wiedergutzumachenden Schadens erforderlich") ist ein vergleichbar strenger Maßstab anzulegen. Die Aufhebung bzw. Verminderung der Bezugskürzung ist nur als letzter Ausweg zu sehen, einen nicht wiedergutzumachenden Schaden abzuwenden.

Es wäre demnach von der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag ein geeigneter Lebenssachverhalt darzulegen und nachzuweisen gewesen, inwieweit die Aufrechterhaltung des notwendigen Lebensunterhaltes - nicht aber des "geschaffenen Lebensstandards" -

die gänzliche Aufhebung oder Verminderung der Bezugskürzung unbedingt erfordert. Ebenso hätte sie konkret darzulegen gehabt, aus welchen Gründen ihr ein Schaden drohe, der ausschließlich durch die Aufhebung bzw. Minderung der Bezugskürzung abgewendet werden könne.

Des Weiteren entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass einer suspendierten Beamtin, die keinen Dienst leistet, eine Einschränkung der bisherigen Lebenshaltung durchaus zugemutet werden kann (vgl. auch dazu zB. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 99/09/0238). In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde daher u.a. zu Recht ausgeführt, dass die Hortkosten für eine Tochter während der Suspendierung unnotwendige Ausgaben sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat des Weiteren in ständiger Rechtsprechung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186) die Heranziehung der Sätze der Existenzminimum-Verordnung (jetzt 2003, BGBl. II Nr. 125) (ExMinVO), aber auch der Sozialhilferichtsätze als Maßstab für die Berechnung des notwendigen Lebensunterhaltes u.a. im Sinne des § 94 Abs. 4 DO anerkannt. Dass der der Beschwerdeführerin verbleibende verkürzte Monatsbezug die zum Tragen kommenden Sätze nach dem WSHG und der SHRS-VO unterschreite, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.

Sie bringt bloß vor, dass auf Grund des geringeren Einkommens ihres Ehegatten (Facharzt für Orthopädie, EUR 968,54 aus einem Teildienst von 14 Stunden/Woche, angeblich kein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit als Facharzt "einmal/Woche") keine "umfassende Deckung" ihrer Bedürfnisse gegeben sei.

Die Beschwerdeführerin übersieht mit diesem Vorbringen, dass nicht nur sie, sondern auch ihr Ehegatte gegenüber der Familie unterhaltspflichtig ist (zB. §§ 94 "die Ehegatten haben nach ihren Kräften ... gemeinsam beizutragen" und 140 ABGB, "die Eltern haben

... nach ihren Kräften anteilig beizutragen"). Für die Zeit der

Suspendierung ist die Beschwerdeführerin von der Dienstleistung befreit, sie ist demnach zur entsprechenden Mitwirkung im Haushalt verpflichtet; umgekehrt ist ihr Ehegatte verpflichtet, zur Deckung der angemessenen Bedürfnisse der Ehegatten und des Unterhalts der Kinder "nach seinen Kräften" beizutragen, soweit die Beschwerdeführerin zur vollen Bedeckung der Bedürfnisse der Kinder nicht imstande wäre. Dass ein Teildienst von bloß 14 Stunden/Woche und die Arbeit "einmal/Woche bei der PVA auf freiwilliger Basis als Facharzt für Orthopädie" den Kräften des Ehegatten entspräche, ist ohne nähere Begründung durch die Beschwerdeführerin nicht einsichtig, weshalb die diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht als rechtswidrig zu erkennen sind.

Außerdem hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 21. Jänner 1998, Zl. 95/09/0186, ausgesprochen, er halte eine Berechnungsmethode nicht für rechtswidrig, bei der das Einkommen des Ehegatten zum Einkommen der Beschwerdeführerin hinzugerechnet werde und dieses Familieneinkommen mit den Sätzen der ExMinVO oder den Sozialhilferichtsätzen verglichen werde. Diese Berechnungsmethode fiele im vorliegenden Fall auch nicht zu Gunsten der Beschwerdeführerin aus.

Des Weiteren ist die Beschwerdeführerin darauf hinzuweisen, dass auch das Vermögen zur Deckung des Lebensunterhaltes heranzuziehen und zu verwerten wäre (vgl. mit näherer Begründung, auf die gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1999, Zl. 97/09/0118).

Die belangte Behörde hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass die Kreditverbindlichkeiten nicht der Sicherung des Lebensunterhaltes, sondern der Schaffung bzw. Erhaltung von Vermögen (Erwerb eines Eigenheimes) dienen. Auch der von der Beschwerdeführerin geleistete "besondere Pensionsbeitrag" und eine "Zukunftsvorsorge" bei einer Versicherung dient der Schaffung eines Anspruchs auf höhere Bezüge nach Übertritt in den Ruhestand und der Schaffung von zukünftigem Vermögen.

Die Beschwerdeführerin hat ebenfalls nicht aufgezeigt, dass ihr ein nicht wieder gutzumachender Schaden drohe, der nur durch die Aufhebung bzw. Verminderung der Bezugskürzung zu vermeiden sei. Zwar hat die Beschwerdeführerin im Antrag darauf hingewiesen, dass "auf Grund der orbitanten Kreditrückzahlungen" für die zum Erwerb eines Eigenheimes aufgenommenen Kreditverbindlichkeiten

"sowie damit verbundener Zinstilgungen ... bei nicht

fristgerechtem Einzahlen im Falle der Fälligstellung des Kredites mit einem nicht wiedergutzumachenden Schaden zu rechnen" sei, doch hat sie über Aufforderung der belangten Behörde mit Schriftsatz vom 27. April 2007 vorgebracht, sie habe "bisher noch keinen Kontakt mit den Kreditgebern aufgenommen, zumal sie das Suspendierungsverfahren abwartet". Damit hat sie noch überhaupt keine Anstalten gemacht, den von ihr behaupteten Schaden in anderer Weise - etwa durch eine Änderung der Ratenvereinbarung, worauf die belangte Behörde zutreffend hinweist - abzuwenden. Schon deshalb ist die Aufhebung bzw. Verminderung der Bezugskürzung nicht das letzte Mittel. Überdies ist auch in diesem Zusammenhang auf die Verpflichtungen des Ehegatten der Beschwerdeführerin hinzuweisen.

Die Verfahrensrügen der Beschwerdeführerin beruhen im Wesentlichen auf ihrer verfehlten Annahme, dass es auf ihren "Lebensstandard" ankäme, weshalb sie ins Leere gehen.

Der Vorwurf der Beschwerdeführerin, der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, ist angesichts der detaillierten Berechnung des notwendigen Lebensunterhaltes, der Ausführungen, dass die darüber hinaus von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Aufwendungen nicht zum notwendigen Lebensunterhalt zu zählen seien, und der Begründung zur Abwendung eines Schadens durch Änderung der Kreditzahlungsmodalitäten nicht verständlich.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Art. 6 EMRK steht dem nicht entgegen, weil es sich bei der Suspendierung, der in deren Gefolge ex lege eintretenden Bezugskürzung und den daran anschließenden Antrag auf Aufhebung bzw. Verminderung dieser Bezugskürzung nur um eine einen Teil des Disziplinarverfahrens darstellende, bloß vorläufige, auf die Dauer des Disziplinarverfahrens beschränkte Maßnahme handelt, mit der nicht abschließend über eine "Streitigkeit" über ein Recht entschieden wird; ob die Suspendierung dauernde Rechtsfolgen nach sich zieht, hängt vom Ausgang der Disziplinarsache ab (vgl. § 94 Abs. 8 und 9 DO). Demnach kommen die Verfahrensgarantien des Art. 6 EMRK im Verfahren über den im Gefolge einer auf Grund einer Suspendierung ex lege erfolgten Bezugskürzung gestellten Antrag auf Aufhebung bzw. Verminderung eben dieser Bezugskürzung nicht zur Anwendung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. September 2007, Zl. 2007/09/0108).

Wien, am 6. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007090142.X00

Im RIS seit

11.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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