Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §66 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde des M B, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Bundeskanzleramt vom 1. Dezember 2005, Zl. 126/13-DOK/05, betreffend Teilaufhebung eines Disziplinarerkenntnisses und Neufestsetzung einer Disziplinarstrafe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid wird in seinem Strafausspruch (Spruchpunkt 2.) wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Im Übrigen, das heißt hinsichtlich des Ausspruchs des angefochtenen Bescheides betreffend die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde erster Instanz zur neuen Verhandlung und Entscheidung, wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der 1945 geborene Beschwerdeführer steht als Amtsdirektor i.R. (seit 1. Dezember 2005) in einem öffentlich-rechtlichen Pensionsverhältnis zum Bund. Seine letzte Dienststelle war das Finanzamt X, wo er als Gruppenleiter der Prüfungsabteilung seinen Dienst verrichtete.
Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 8. Juni 2005wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe
1. eine schriftliche Weisung der Amtsvorständin vom 8. Jänner 1998 insofern nicht befolgt, als er Änderungen im Stand der von ihm bekannten Fälle, in denen seine Ehegattin steuerrechtliche Agenden oder Buchhaltungsarbeiten wahrnehme, nicht mitgeteilt und
2. als Gruppenleiter während seiner Dienstzeit jahrelang regelmäßig umfangreiche nicht dienstlich veranlasste Abfragetätigkeiten im Abfrageinformationssystem der Finanzverwaltung über Daten von Klienten seiner als Gewerbliche Buchhalterin tätigen Ehegattin durchgeführt.
Er habe damit schuldhaft gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979 und gegen die mit BMF-Erlass vom 30. Oktober 2000, GZ.66 1009/30-IV/6/00 erteilte Weisung, somit gegen § 44 Abs. 1 BDG 1979 idgF verstoßen und dadurch Dienstpflichtverletzungen im Sinne der § 91 BDG 1979 begangen. Über den Beschwerdeführer wurde hiefür gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 idgF die Disziplinarstrafe des Verweises ausgesprochen (Spruchpunkt I).
In Spruchpunkt II des Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen vom 8. Juni 2005 wurde der Beschwerdeführer ferner von der in Pkt. 3 (richtig: Pkt. 4) des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses der Disziplinarkommission vom 2. Juli 2003 angeführten Anschuldigung, er habe im Rahmen seiner ihm obliegenden Dienstaufsicht die ihm zum Teil bekannt gewesene unerlaubte Nebenbeschäftigung von Prüfern seiner Gruppe geduldet, freigesprochen.
(Das Verfahren über den Anschuldigungspunkt 3 des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses der Disziplinarkommission vom 2. Juli 2003 war bereits mit Beschluss der Berufungskommission vom 18. November 2003 gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 und 2 BDG 1979 eingestellt worden).
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis im Umfange des Freispruchs zu Pkt. 4 des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses und des Strafausspruches erhob der Disziplinaranwalt (vertreten durch seinen Stellvertreter) Berufung.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Dezember 2005 wurde dieser Berufung ohne Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung in der Weise Folge gegeben, dass
1) das angefochtene Disziplinarerkenntnis hinsichtlich des Anschuldigungspunktes 4 des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlussesgemäß § 66 Abs. 2 AVG in Verbindung mit § 105 des BDG 1979 behoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an die Disziplinarkommission erster Instanz zurückverwiesen wurde und
2) über den Beschwerdeführer wegen der (rechtskräftig gewordenen) Schuldsprüche zu Anschuldigungspunkten 1 und 2 des Einleitungs- und Verhandlungsbeschlusses gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 105 des BDG 1979die Disziplinarstrafe der Geldstrafe gemäß § 134 Z. 2 BDG 1979 in der Höhe von EUR 500,-- verhängt wurde.
Nach Wiedergabe der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses sowie der Berufungsausführungen führte die belangte Behörde zunächst zur Berufung gegen den Freispruch aus, der Disziplinaranwalt bekämpfe die Beweiswürdigung der Disziplinarkommission, indem er vorbringe, der den Beschwerdeführer entlastenden schriftlichen Aussage des Zeugen M. M. vom 26. Mai 2003 könne - entgegen der Ansicht der Disziplinarkommission - gegenüber seiner den Beschwerdeführer belastenden ursprünglichen niederschriftlichen Aussage vom 22. Juni 2003 keine Glaubwürdigkeit zugebilligt werden, und in diesem Zusammenhang darauf verweise, dass die bei einer Ersteinvernahme gemachten Angaben eines Zeugen der Wahrheit erfahrungsgemäß am ehesten entsprächen. Es sei offensichtlich, dass der Zeuge in seinem Schreiben vom 26. Mai 2003 bemüht gewesen sei, den Beschwerdeführer nicht zu belasten. Auch der belangten Behörde seien Zweifel an der Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der Disziplinarkommission insofern erwachsen, als nicht nachvollziehbar erscheine, wieso der Beschwerdeführer seinem eigenen Vorbringen zufolge hätte ausschließen können, dass die betreffenden Prüfer ihre "Pfuschfälle" auch noch selbst geprüft hätten, wenn er gleichzeitig angebe, von solchen "Pfuschfällen" (oder auch nur von deren tatsächlicher Größenordnung) keinerlei Kenntnis gehabt zu haben. Außerdem werde die lapidare Anmerkung der Disziplinarkommission, die Behauptungen des Zeugen in seiner niederschriftlichen Aussage vom 22. Mai 2003 seien "zu allgemein" gehalten gewesen, für nicht ausreichend begründet erachtet. Angesichts der doch auffallenden Diskrepanzen in den Angaben dieses Zeugen hätte die Disziplinarkommission zumindest den Versuch unternehmen müssen diese Widersprüche aufzuklären. Die von ihr getroffene Schlussfolgerung, der Beschwerdeführer habe von "Pfuschtätigkeiten" der ihm dienstlich nachgeordneten Beamten keinerlei Kenntnis gehabt und diese daher auch nicht pflichtwidrig und iSd § 91 BDG 1979 schuldhaft geduldet, sei insgesamt nicht schlüssig und zwingend. Im Sinne der verfahrensrechtlichen Verpflichtung der Disziplinarkommission als Behörde zur amtswegigen Erforschung der materiellen Wahrheit sei somit hinsichtlich dieses Anschuldigungspunktes eine weitere Klärung des Sachverhaltes notwendig. Aufgrund der vorliegenden Sachverhaltsfeststellungen vermöge die Disziplinaroberkommission nämlich nicht abschließend zu beurteilen, ob der beschuldigte Beamte die inkriminierte Dienstpflichtverletzung tatsächlich nicht begangen habe.
Nach Zitierung der §§ 37, 45 Abs. 2, 60 und 66 Abs. 2 AVG vertrat die belangte Behörde die Ansicht, es lägen die Voraussetzungen des § 66 Abs. 2 AVG hinsichtlich des gegenständlichen Spruchpunktes aus folgendem Grund vor, weil zur erforderlichen weiteren Klärung des Sachverhaltes eine neuerliche Vernehmung zumindest des Beschwerdeführers und des Zeugen M. M. unverzichtbar sei. Angesichts der aufgezeigten Ergänzungsbedürftigkeit des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich des vorliegenden Sachverhaltes sei die Durchführung weiterer Erhebungen im Rahmen einer mündlichen Verhandlung somit unvermeidlich. Das Beweisverfahren werde diesbezüglich daher erneut zu eröffnen sein. Da die auf Grund der obigen Ausführungen unerlässliche Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die unmittelbare Beweisaufnahme durch die Disziplinaroberkommission selbst keineswegs mit Ersparnis an Zeit und Kosten verbunden wäre (vgl. § 66 Abs. 3, § 39 Abs. 2 letzter Satz AVG), sei der Berufung in der Weise stattzugeben gewesen, dass das angefochtene Disziplinarerkenntnis hinsichtlich des gegenständlichen Spruchpunktes zu beheben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG iVm § 105 BDG 1979 zur Verfahrensergänzung im Rahmen der Durchführung einer neuerlichen mündlichen Verhandlung und zur Erlassung eines neuen Disziplinarerkenntnisses an die Disziplinarkommission zurückzuverweisen gewesen sei.
Insoweit sich die Berufung im Übrigen ausschließlich gegen die verhängte Disziplinarstrafe richte, seien die Schuldsprüche hinsichtlich der Anschuldigungspunkte 1 und 2 in Rechtskraft erwachsen und seien diese von der belangten Behörde daher nicht mehr aufzugreifen gewesen. Der erkennende Senat werte das von Anschuldigungspunkt 2 umfasste langjährige disziplinäre Fehlverhalten des Beschwerdeführers als die schwerste Dienstpflichtverletzung iSd § 93 Abs. 2 BDG 1979 und den in Anschuldigungspunkt 1 angeführten Weisungsverstoß lediglich als erschwerend.
Der festgestellte Sachverhalt betreffend Anschuldigungspunkt 2 bestehe in dem vom Beschwerdeführer zu verantwortenden jahrelangen und regelmäßigen Tätigen von zum Teil umfangreichen Abfragen aus dem AIS und anderen dienstinternen Datensystemen während der Dienstzeit hinsichtlich einer besonders hohen Zahl von Steuerpflichtigen sowie dem Zurverfügungstellen der entsprechenden Informationen zu Buchhaltungszwecken an seine als gewerbliche Buchhalterin tätige Ehefrau, die zu diesen Kontoabfragen bzw. Buchungsmitteilungen auf andere Weise nicht gekommen wäre. Bei der Beurteilung der Schwere der Verletzung dienstlicher Interessen seien alle Folgen einer Dienstpflichtverletzung für Funktionsfähigkeit und Ansehen des Beamtentums in Betracht zu ziehen. Mit seinem oben dargestellten Vorgehen (dem beharrlichen Ignorieren einer grundlegenden dienstinternen Vorschrift) habe der Beschwerdeführer - abgesehen davon, dass die Einhaltung rechtmäßig und rechtswirksam erteilter dienstlicher Weisungen zu den wichtigsten Pflichten eines jeden Beamten zähle - ein höchst verwerfliches Verhalten gesetzt und zudem eine mögliche Beeinträchtigung seiner dienstlichen Einsatzfähigkeit im Rahmen des Amtes, mit dem er betraut gewesen sei, bewusst in Kauf genommen. Eine nur unbedeutende Verletzung dienstlicher Interessen könne daher nicht angenommen werden. Die Bedeutung der disziplinär verwerflichen Aktivitäten (dieses gravierenden Weisungsverstoßes) des Beschwerdeführers sei für die Funktionsfähigkeit des Dienstbetriebes im Bereich der Finanzverwaltung hoch einzuschätzen. Der aus der Berufung ersichtlichen Intention des Stellvertreters des Disziplinaranwaltes, dass nämlich auch der negativen Außenwirkung des hier inkriminierten Verhaltens des Beschwerdeführers seitens der Disziplinarbehörden eindeutig entgegengetreten werden müsse, um den (möglichen) Eindruck zu unterbinden, dass das unberechtigte Tätigen von AIS-Abfragen von Vorteil sein könnte, werde dem Grunde nach uneingeschränkt zugestimmt. Der in Anschuldigungspunkt 1 umschriebene Verstoß gegen eine dienstliche Weisung seiner Vorgesetzten sei als im Rahmen der Strafbemessung erschwerend heranzuziehen gewesen; weiters fielen der besonders lange Tatzeitraum von mehreren Jahren, die hohe Anzahl (278 Fälle) der - nicht durch dienstliche Interessen begründeten - zum Teil umfangreichen Abfragen aus dem AIS und anderen Datenbanken und der diesbezüglich vorschriftswidrig seiner Ehefrau erteilten Auskünfte strafverschärfend ins Gewicht. Darüber hinaus habe der Beschwerdeführer, der als Gruppenleiter der Prüfungsabteilung zudem eine mit besonderer Vorbildfunktion verbundene Vorgesetztenposition innegehabt habe, auch noch in der mündlichen Verhandlung vor der Disziplinarkommission keinerlei Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seiner Vorgangsweise gezeigt.
Als strafmildernd seien die bisherigen straf- und disziplinarrechtliche Unbescholtenheit des Beschuldigten (sein ordentlicher Lebenswandel) sowie seine stets untadelige und ausgezeichnete Dienstleistung berücksichtigt worden. In Abwägung der Strafmilderungs- und der Erschwerungsgründe, unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse des Beschuldigten (keine Sorgepflichten) und seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (er habe keine laufenden Kredite zu bedienen) gelangte die Disziplinaroberkommission gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 105 BDG 1979 - im Einklang mit von ihr bereits in der Vergangenheit entschiedenen vergleichbaren Disziplinarfällen - insgesamt zu dem Ergebnis, dass auch der Strafberufung des Disziplinaranwaltes insoweit zu folgen sei, als eine Erhöhung der von der Disziplinarkommission verhängten Disziplinarstrafe erforderlich erscheine, um der Ordnungsfunktion des Disziplinarrechtes in ausreichendem Maß Rechnung zu tragen, die Verhängung der Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der ausgesprochenen Höhe der Schwere der in Rede stehenden Dienstpflichtverletzungen ausreichend Rechnung trage und zudem geeignet sei, insbesondere den generalpräventiven Aspekt der Disziplinarstrafe zu erfüllen, um nämlich andere Beamte von der Begehung gleich gelagerter Dienstpflichtverletzungen abzuhalten.
Im Hinblick auf den zwischenzeitig erfolgten Eintritt des Beschwerdeführers in den Ruhestand trete hingegen die spezialpräventive Funktion der Disziplinarstrafe in diesem Fall in den Hintergrund.
Gegen dieses Disziplinarerkenntnis richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher die Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
Für die Entscheidung über die Beschwerde sind vor allem die folgenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2002 (BDG 1979), von Bedeutung:
"Strafbemessung
§ 93. (1) Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist jedoch darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafhöhe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.
(2) Hat der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen und wird über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt, so ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind.
(...)
Verhandlungsbeschluß und mündliche Verhandlung
§ 124. (1) Ist nach Durchführung der notwendigen Ermittlungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat die Disziplinarkommission die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluß) und zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. Die mündliche Verhandlung ist so anzuberaumen, daß zwischen ihr und der Zustellung des Beschlusses ein Zeitraum von mindestens zwei Wochen liegt.
(2) Im Verhandlungsbeschluß sind die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen. Gegen den Verhandlungsbeschluß ist Berufung an die Berufungskommission zulässig.
(...)
Disziplinarerkenntnis
§ 126. (1) Wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, hat die Disziplinarkommission bei der Beschlußfassung über das Disziplinarerkenntnis nur auf das, was in der mündlichen Verhandlung vorgekommen ist, sowie auf eine allfällige Stellungnahme des Beschuldigten gemäß § 125a Abs. 4 Rücksicht zu nehmen. Dies gilt auch für die Disziplinaroberkommission, wenn eine mündliche Verhandlung durchgeführt worden ist.
(2) Das Disziplinarerkenntnis hat auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten und im Falle eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 95 Abs. 3 oder § 115 von einem Strafausspruch abgesehen wird, die Strafe festzusetzen.
(...)
Verhandlung in Abwesenheit des Beschuldigten und Absehen von
der mündlichen Verhandlung
§ 125a. (...)
(2) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Disziplinarsenat kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn der Sachverhalt infolge Bindung an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils eines Strafgerichtes oder eines Straferkenntnisses eines unabhängigen Verwaltungssenates zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung hinreichend geklärt ist.
(3) Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor der Disziplinaroberkommission kann ungeachtet eines Parteienantrages Abstand genommen werden, wenn
1.
die Berufung zurückzuweisen ist,
2.
die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist,
3.
ausschließlich über eine Berufung gegen die Auferlegung eines Kostenersatzes zu entscheiden ist,
4. sich die Berufung ausschließlich gegen die Strafbemessung richtet oder
5. der Sachverhalt nach der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint.
(...)"
Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner Beschwerde sowohl gegen die Trennung der für einen Strafausspruch gemäß § 93 Abs. 2 BDG 1979 maßgeblichen Schuldsprüche durch Ausspruch einer Strafe bei gleichzeitiger Aufhebung des erfolgten Teilfreispruchs, gegen die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung trotz der Annahme der Ergänzungsbedürftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, er macht die Unzulässigkeit der erfolgten Zurückverweisung an die Disziplinarkommission sowie die mangelnde Präzisierung der von der Behörde erster Instanz erwarteten Ergänzungen des Verfahrens geltend und bekämpft die Strafbemessung.
§ 125 a BDG in der Fassung der Novelle BGBL. I Nr. 123/1998, sieht in Abs. 3 Z. 2 vor, dass die Disziplinaroberkommission - ungeachtet eines Parteienantrages - von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen kann, wenn die Angelegenheit an die erste Instanz zu verweisen ist. Dieser Tatbestand umfasst jedenfalls kassatorische Entscheidungen im Sinne des § 66 Abs. 2 AVG, die daher im Disziplinarverfahren grundsätzlich zulässig sind (dazu vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 13. Oktober 1994, Zl. 92/09/0376, und vom 26. September 1991, Zl. 91/09/0103).
Im vorliegenden Fall erachtete die belangte Behörde die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung gemäß § 66 Abs. 2 AVG als gegeben, weil - auch wenn die von der Behörde erster Instanz gezogenen Schlussfolgerungen zutreffend sein könnten - diese Erwägungen der Disziplinarbehörde in nachvollziehbarer Weise dargelegt werden müssten, um eine Entscheidung tragen zu können. Dazu bedürfe es einer weiteren Klärung des Sachverhaltes, was ohne Mitwirkung der im Tatzeitraum bei der Dienstbehörde des Beschwerdeführers beschäftigt gewesenen Beamten nicht geschehen könne. Damit war die belangte Behörde insbesondere im Hinblick darauf im Recht, dass eine Vernehmung des Zeugen M. M. durch die Disziplinarkommission im Rahmen der von ihr durchgeführten mündlichen Verhandlung bisher noch nicht stattgefunden hat, es aber zur Begründung der erstbehördlichen Entscheidung und ihrer Überprüfung durch die belangte Behörde unverzichtbar ist, sich mit dessen divergierenden Angaben auseinander zu setzen. Dies konnte nicht durch die Berufungsbehörde geschehen, ohne den Instanzenzug für den Beschwerdeführer in unzulässiger Weise zu verkürzen.
Insoweit daher die Beschwerde sich gegen die Aufhebung des Bescheides der Disziplinarkommission und die Zurückverweisung der Rechtssache an diese wendet, ist sie unbegründet, weshalb sie in diesem Umfange gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Insoweit sich die Beschwerde hingegen gegen die Strafbemessung richtet, ist sie berechtigt:
§ 93 Abs. 2 BDG 1979 normiert, dass im Falle mehrerer Dienstpflichtverletzungen nur eine einheitliche Disziplinarstrafe auszusprechen ist, die sich an der schwersten Dienstpflichtverletzung zu orientieren hat. Die belangte Behörde erachtete im vorliegenden Beschwerdefall die vom Beschwerdeführer (insoweit rechtskräftig) zu verantwortenden unzulässigen Datenabfragen (laut Anschuldigungspunkt 2) für die gravierendste Dienstpflichtverletzung, während den jeweils unter Anschuldigungspunkten 1 und 3 umschriebenen Dienstpflichtverletzungen lediglich erschwerende Wirkung zu komme. Nach § 93 Abs. 1 dritter Satz BDG 1979 sind die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides lässt sich entgegen dieser Bestimmung jedoch nicht mit Sicherheit entnehmen, dass die bereits ausgesprochene Gesamtstrafe auch im Falle eines Schuldspruches in dem Anschuldigungspunkt, der von der Teilaufhebung betroffen ist, unverändert bliebe, dass insbesondere ein (weiterer) Erschwerungsgrund (im Falle eines Schuldspruchs nach Vornahme der aufgetragenen Ergänzung des Verfahrens) nicht mehr zu berücksichtigen wäre. Nur unter diesem Aspekt wäre aber ein Strafausspruch trotz unvollständiger Erledigung aller gegen den Beschuldigten gerichteter Anschuldigungen zulässig gewesen.
Da die belangte Behörde erkennbar in Verkennung der Rechtslage dennoch einen Strafausspruch tätigte, belastete sie ihren Bescheid in diesem Umfange mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Insoweit wird der Beschwerdeführer mit seinen Ausführungen gegen die Strafbemessung auf dieses Ergebnis verwiesen.
Der angefochtene Bescheid war daher in seinem Strafausspruch gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 6. März 2008
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete Organisationsrecht Instanzenzug VwRallg5/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006090021.X00Im RIS seit
18.04.2008Zuletzt aktualisiert am
06.08.2008