TE Vfgh Beschluss 2003/6/10 B638/03, KI-2/03

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Veröffentlicht am 10.06.2003
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art138 Abs1 lita
ZPO §63 Abs1 / Aussichtslosigkeit

Spruch

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.

Der Antrag auf Entscheidung eines Kompetenzkonfliktes wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. 1. Der Vorsteher des BG Fünfhaus hat mit Beschluß vom 26.11.2002 gegen den Einschreiter eine Ordnungsstrafe in der Höhe von € 1.250,-- "gemäß §78 Abs4 GOG i.V.m. §220 Abs1 ZPO" verhängt und den Antrag auf Ablehnung einer bestimmten Richterin zurückgewiesen. Grund für die Ordnungsstrafe war die beleidigende Schreibweise des Einschreiters in diesem Ablehnungsantrag im Zusammenhang mit einem Sachwalterschaftsverfahren: Gemäß §78 Abs4 i.V.m. §85 Abs1 GOG sei jeder, der in einer Aufsichtsbeschwerde oder in Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit in Außerstreitsachen in schriftlichen Eingaben die dem Gericht schuldige Achtung durch beleidigende Ausfälle verletze, mit einer Ordnungsstrafe zu belegen.

Das LG für ZRS Wien gab dem dagegen erhobenen Rekurs in einem Senat von drei Richtern teilweise Folge: Die Zurückweisung des Ablehnungsantrages wurde bestätigt, die Höhe der Ordnungsstrafe jedoch mit € 700,-- festgesetzt. Das LG führte aus, daß es sich beim Ablehnungsantrag des Einschreiters nicht um eine Aufsichtsbeschwerde gehandelt habe, weshalb der Vorsteher des BG nicht als Justizverwaltungsorgan gehandelt habe: Die Zitierung des §78 Abs4 GOG sei daher unrichtig, die Ordnungsstrafe sei gem. §85 Abs1 GOG verhängt worden, da es sich bei Erledigung des Ablehnungsantrages durch den Vorsteher des BG um einen Akt der Rechtsprechung handle. Damit liege keine unzulässige Verbindung einer Justizverwaltungsmaßnahme mit einem Akt der Rechtsprechung vor.

2. Der Einschreiter beantragt, ihm für die Einbringung einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gem. Art94 B-VG die Verfahrenshilfe zu bewilligen: Es werde ihm durch das LG eine Entscheidung durch die Verwaltungsbehörden verwehrt; statt einer Verwaltungsbehörde habe ein Zivilgericht endgültig entschieden. Dies sei verfassungswidrig und verstoße gegen Art94 B-VG und die EMRK. Gleichzeitig beantragt der Einschreiter die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Aufhebung des Beschlusses des LG für ZRS Wien, die Abtretung der Anträge auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie auf Aufhebung des Beschlusses an den Verwaltungsgerichtshof; der Einschreiter erhebt auch Säumnisbeschwerde.

3.1. Der Antrag auf Verfahrenshilfe erweist sich als aussichtslos:

Weder Art144 B-VG noch eine andere Rechtsvorschrift räumen dem Verfassungsgerichtshof die Zuständigkeit ein, einen Akt der ordentlichen Gerichtsbarkeit auf Grund eines Rechtsmittels aufzuheben oder sonst auf ein Verfahren vor den ordentlichen Gerichten Einfluß zu nehmen. Ein vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfbarer Verwaltungsakt wurde dem Einschreiter nach eigenen Angaben nicht zugestellt; eine Deutung des vorgelegten Beschlusses des LG für ZRS Wien als beim Verfassungsgerichtshof bekämpfbarer Verwaltungsakt verbietet sich schon aus dem Grund, daß das LG für ZRS als Richterkollegium entschieden hat und eine Deutung als Justizverwaltungssache im formellen (und insoweit für die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes maßgeblichen) Sinne daher von vorneherein nicht in Betracht kommt (vgl. Art87 Abs2 B-VG sowie VfSlg. 7376/1974 mwN).

Auf die übrigen vom Einschreiter gestellten Anträge war nicht näher einzugehen, da die aufschiebende Wirkung nur einer zulässigen Beschwerde gem. Art144 B-VG zuerkannt werden kann; auch die Abtretung gem. Art144 Abs3 B-VG kommt nur im Fall einer solchen Beschwerde in Betracht. Zur Entscheidung über Säumnisbeschwerden fehlt es dem Verfassungsgerichtshof an einer entsprechenden Zuständigkeit.

3.2. Die vom Antragsteller beabsichtigte Rechtsverfolgung durch Erhebung einer Verfassungsgerichtshofbeschwerde erscheint damit als offenbar aussichtslos, zumal der Antragsteller zu gewärtigen hätte, daß der Verfassungsgerichtshof eine solche Beschwerde mangels Zuständigkeit als unzulässig zurückweist (§19 Abs3 Z2 lita VfGG).

4. Da der Antrag somit den Voraussetzungen des §63 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) nicht entspricht, war er abzuweisen.

II. 1. Mit Eingabe vom 7. Mai 2003 stellt der Einschreiter "[e]rgänzend zu [s]einer Beschwerde vom 20.4.2003 wegen Verletzung des Art94 B-VG" den Antrag, der Verfassungsgerichtshof "möge in dieser Sache über den Kompetenzkonflikt zwischen den österr. Gerichten und Verwaltungsbehörden (auch) iSd Art138 (1) lita) ff [B-VG]" entscheiden.

2. Der Antrag ist unzulässig:

2.1. Gemäß Art138 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über Kompetenzkonflikte zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden. Ein bejahender Kompetenzkonflikt liegt vor, wenn ein Gericht und eine Verwaltungsbehörde in derselben Sache ihre Zuständigkeit in Anspruch genommen haben (vgl. §42 Abs1 VfGG), davon eine Behörde zu Unrecht.

2.2. Da das LG für ZRS Wien seine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Rekurs des Einschreiters bejaht hat und in der Sache selbst entschieden hat, könnte allenfalls nur ein bejahender Kompetenzkonflikt vorliegen:

a) Ein bejahender Kompetenzkonflikt zwischen einem Gericht und einer Verwaltungsbehörde, zu dessen Entscheidung gemäß Art138 Abs1 lita B-VG der Verfassungsgerichtshof berufen ist, kann iS des §42 Abs1 VfGG jedoch nur dann entstehen, wenn beide Behörden, also Gericht und Verwaltungsbehörde, die Entscheidung derselben Sache auf Grund derselben Rechtsnorm in Anspruch nehmen, aber nur eine dieser Behörden zuständig ist. Ein bejahender Kompetenzkonflikt kann infolgedessen nur gegeben sein, wenn eine der beiden angerufenen Stellen zu Unrecht ihre Zuständigkeit (in derselben Sache) in Anspruch nimmt (vgl. VfSlg. 9415/1982 mwH).

b) Da im vorliegenden Fall jedoch nur das LG für ZRS Wien seine Zuständigkeit bejaht hat, der Vorsteher des LG für ZRS Wien sich aber weder mit Bescheid noch in anderer Form für zuständig erklärt hat, kann bereits von einem "Kompetenzkonflikt" iS des Art138 Abs1 B-VG nicht die Rede sein (vgl. VfSlg. 12.018/1989)

3. Das Begehren auf Entscheidung eines (bejahenden) Kompetenzkonfliktes war sohin - schon aus diesem Grund - wegen Nichtzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes als unzulässig zurückzuweisen.

4. Dies konnte gemäß §72 Abs1 ZPO (§35 Abs1 VfGG) bzw. §19 Abs3 Z2 lita VfGG ohne weiteres Verfahren und ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Kompetenzkonflikt, VfGH / Verfahrenshilfe, Auslegung eines Antrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:B638.2003

Dokumentnummer

JFT_09969390_03B00638_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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