TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/14 2006/10/0221

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.03.2008
beobachten
merken

Index

L92052 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Kärnten;
24/01 Strafgesetzbuch;
25/02 Strafvollzug;

Norm

HeimG Krnt 1996 §1 Abs3;
StGB §21 Abs1;
StGB §21 Abs2;
StVG §158 Abs1;
StVG §158 Abs4;
StVG §164;
StVG §165;
StVG §166 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Köhler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde der pm K, Gesellschaft für psychische und soziale Gesundheit in K, vertreten durch Dr. Manfred Angerer, MMag. Dr. Werner Hochfellner und Mag. Alexander Todor-Kostic, Rechtsanwälte in 9020 Klagenfurt, Neuer Platz 5/III, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 7. September 2006, Zl. 13-AHAL-653/3/2006, betreffend Schließung einer Einrichtung nach dem Kärntner Heimgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 7. September 2006 wurde die Schließung der von der beschwerdeführenden Partei in M. betriebenen Rehabilitationseinrichtung für forensisch-psychiatrische Patienten gemäß § 19 Abs. 4 Kärntner Heimgesetz binnen festgesetzter Frist verfügt. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, im Erdgeschoss des Hauses M. 6 werde von Hermelinde W. eine psychiatrische Pflegestelle betrieben, die mit Bescheid vom 4. Juli 2000 bewilligt worden sei; die Höchstzahl der zu betreuenden Patienten sei mit 7 festgesetzt worden. Eine Unterprüfung habe ergeben, dass in diesem Haus, und zwar sowohl in dem als psychiatrische Pflegestätte bewilligten Erdgeschoss, als auch im Obergeschoss von der beschwerdeführenden Partei forensisch-psychiatrische Patienten betreut würden. Die beschwerdeführende Partei habe dazu mitgeteilt, diese Betreuung erfolge auf Grund einer Vereinbarung mit dem Bundesministerium für Justiz. Hermelinde W. gewähre den forensischen Patienten Unterkunft und Verpflegung. Sie gewähre ihnen weiters die Benutzung der Allgemeinräume und der landwirtschaftlichen Einrichtungen, erbringe aber weder Hilfsnoch Betreuungsleistungen. Diverse Betreuungs- und Hilfsleistungen würden den Patienten vielmehr durch die beschwerdeführende Partei angeboten (medizinische, pflegerische und therapeutische Betreuung bis zur Beschäftigung). Die forensisch-psychiatrischen Patienten bedürften der Betreuung und Hilfe im Sinne des Kärntner Heimgesetzes. Dies werde durch Ausmaß und Umfang des Betreuungsangebotes bestätigt. Die beschwerdeführende Partei betreibe somit in M. 6 eine Einrichtung gemäß § 1 Abs. 1 lit. a des Kärntner Heimgesetzes, ohne allerdings im Besitz der dafür erforderlichen Betriebsbewilligung zu sein. Es sei daher spruchgemäß die Schließung dieser Einrichtung zu verfügen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wurde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 des Kärntner Heimgesetzes gilt dieses Gesetz

a) für Einrichtungen, die volljährigen Personen, die vorübergehend, dauernd oder während eines Teiles des Tages der Betreuung und Hilfe bedürfen, eine Wohnmöglichkeit sowie die entsprechenden Hilfs- und Betreuungsleistungen, während des gesamten Zeitraumes der Aufnahme anbieten (Heime), wie insbesondere Wohnheime für alte Menschen nach § 27 Abs. 2 lit. e des Kärntner Sozialhilfegesetzes 1976, oder sonstige Wohnheime;

b) für Wohnheime für behinderte Menschen sowie für Pflegeheime und Pflegestationen (§ 27 Abs. 2 lit. e und f des Kärntner Sozialhilfegesetzes 1996), und zwar unabhängig vom Alter ihrer Bewohner und unabhängig davon, ob diese Wohnheime auch zur Eingliederung Behinderter bestimmt sind, sowie für Einrichtungen zur Eingliederung Behinderter und zwar unabhängig von ihrem Alter, die den Bedürfnissen der Bewohner entsprechende Betreuungs- und Hilfeleistungen während des gesamten Zeitraumes der Aufnahme anbieten.

Das Kärntner Heimgesetz findet gemäß seinem § 1 Abs. 2 keine Anwendung

a) auf Krankenanstalten nach der Krankenanstaltenordnung 1999, sowie

b) wenn in Familien Hilfsbedürftige bis zum 3. Grad (§ 3 Abs. 7 Kärntner Sozialhilfegesetz 1996) durch Verwandte oder Verschwängerte gepflegt werden.

Gemäß § 1 Abs. 3 Kärntner Heimgesetz werden durch dieses Gesetz bundesgesetzliche Bestimmungen, wie insbesondere die des Ärztegesetzes, des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, des MDT-Gesetzes, des Hebammengesetzes, des Psychotherapiegesetzes, des Arzneimittelgesetzes sowie des Konsumentenschutzgesetzes und des Heimaufenthaltsgesetzes, nicht berührt.

Gemäß § 16 Abs. 1 Kärntner Heimgesetz bedürfen Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 zum Betrieb einer Bewilligung der Landesregierung.

Werden Einrichtungen nach § 1 Abs. 1 ohne Bewilligung oder abweichend von der Bewilligung betrieben, so hat gemäß § 19 Abs. 4 Kärntner Heimgesetz die Landesregierung die Schließung der Einrichtung mit Bescheid zu verfügen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, es handle sich bei der von der beschwerdeführenden Partei in M. 6 betriebenen Einrichtung um eine Einrichtung im Sinne des § 1 Abs. 1 lit. a Kärntner Heimgesetz. Da die beschwerdeführende Partei hiefür über keine Bewilligung verfüge, sei die Schließung dieser Einrichtung gemäß § 19 Abs. 4 Kärntner Heimgesetz zu verfügen gewesen.

Die beschwerdeführende Partei bestreitet nicht, dass die in der erwähnten Einrichtung untergebrachten Personen der Hilfe und Betreuung bedürfen und ihnen hier die entsprechenden Hilfs- und Betreuungsleistungen erbracht werden. Sie hält der Auffassung der belangten Behörde vielmehr entgegen, das Kärntner Heimgesetz sei im vorliegenden Fall nicht anwendbar. "Justizpatienten" (geistig abnorme Rechtsbrecher, die sich im Stadium der Genehmigung von mit Freiheitserprobung verbundenen Vollzugslockerungen, insbesondere der Unterbrechung der Unterbringung gemäß § 167a Abs. 2 StVG befinden) erhielten von Hermelinde W. Unterkunft und Verpflegung, ihre durch § 21 StGB iVm den §§ 164 ff StVG gesetzlich geregelte Betreuung erfolge durch die beschwerdeführende Partei, die dabei in Koordination mit der für die Unterbringung der Patienten zuständigen Anstalt - der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt - und der zuständigen Justizvollzugsanstalt vorgehe. Durch konkrete und individuelle Rehabilitationsmaßnahmen würden straffällig gewordene Menschen auf ein geordnetes Leben in Freiheit vorbereitet und ihnen so der Wiedereinstieg bzw. das Wiedereintreten in das Leben in Freiheit mit erhöhten Resozialisierungschancen ermöglicht. Entsprechend dem von der beschwerdeführenden Partei erstellten und von der Bundesministerin für Justiz akzeptierten Konzept für eine "forensische Wohngemeinschaft" werde die gesamte psychosoziale Betreuungsarbeit von der beschwerdeführenden Partei durchgeführt, die auch die Medikamenteneinnahme durch die Patienten überwache. Als "Justizpatienten" stünden die Betreuten in einem Betreuungsverhältnis primär zur erwähnten Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt, der Unterbringungsanstalt im Sinne der §§ 164 f StVG; diese habe die Betreuungsleistungen der beschwerdeführenden Partei, einem gemeinnützigen Verein, der vor allem im Bereich der extramuralen psychosozialen Betreuung und Rehabilitation von Menschen mit psychischen und psychosozialen Erkrankungen tätig sei, übertragen. Rechtsgrundlage der Unterbringung der "Justizpatienten" im Haus M. 6 sei daher kein Betreuungsvertrag im Sinne des Kärntner Heimgesetzes. Vielmehr beruhe die Unterbringung zum einen auf einem Mietvertrag der beschwerdeführenden Partei mit Hermelinde W. und zum andern auf den Bestimmungen der §§ 164 f StVG. Eine Einrichtung im Sinne des § 1 Kärntner Heimgesetz liege daher nicht vor.

Mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf:

Die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher im Sinne des § 21 StGB ist gemäß § 158 Abs. 1 StVG in den dafür besonders bestimmten Anstalten zu vollziehen, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt wird.

Gemäß § 158 Abs. 4 StVG darf die Unterbringung nach § 21 Abs. 1 StGB (unter bestimmten Voraussetzungen) durch Aufnahme in eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie, die Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB gemäß § 158 Abs. 5 StVG auch in besonderen Abteilungen der Anstalten zum Vollzug von Freiheitsstrafen vollzogen werden.

Für den Vollzug der Unterbringung nach § 21 Abs. 2 StGB gelten gemäß § 166 StVG folgende besondere Bestimmungen:

1. Die Untergebrachten sind zur Erreichung der Vollzugszwecke (§ 164) entsprechend ihrem Zustand ärztlich, insbesondere psychiatrisch, psychotherapeutisch, psychohygienisch und erzieherisch zu betreuen. Soweit danach Abweichungen von den Bestimmungen über den Vollzug der Unterbringung (§ 167) erforderlich sind, hat der Anstaltsleiter diese Abweichungen im Rahmen des § 165 Abs. 1 Z. 1 und 2 anzuordnen.

2. Eine Unterbrechung der Unterbringung darf nur gewährt werden, wenn anzunehmen ist, dass der Untergebrachte während der Zeit der Unterbrechung keine gerichtlich strafbare Handlung begehen wird. Im Übrigen gilt hiefür § 99 dem Sinne nach mit folgenden Maßgaben:

a) Eine Unterbrechung im Sinne des § 99 Abs. 1 Z. 1 ist zulässig, sobald die voraussichtlich noch zu verbüßende Strafzeit drei Jahre nicht übersteigen würde, eine Unterbrechung im Sinne des § 99 Abs. 1 Z. 2, sobald diese Strafzeit ein Jahr nicht übersteigen würde.

b) Eine Unterbrechung darf auch gewährt werden, soweit dies zur Behandlung des Zustandes des Untergebrachten (Z. 1) oder zur Vorbereitung auf das Leben in Freiheit notwendig oder zweckmäßig erscheint. In diesem Fall darf das zeitliche Ausmaß der Unterbrechung bis zu einem Monat betragen. Über eine Unterbrechung bis zu einem Ausmaß von vierzehn Tagen entscheidet der Anstaltsleiter. Soweit es erforderlich erscheint, ist die Unterbrechung nur unter Auflagen oder Bedingungen zu gestatten.

Gemäß § 167a Abs. 1 StVG sind die öffentlichen Krankenanstalten für Psychiatrie verpflichtet, die nach den §§ 158 Abs. 4 und 161 eingewiesenen Personen aufzunehmen und anzuhalten. Unterbrechungen, Ausgänge und Entlassungen sind nur nach Maßgabe der §§ 162 und 166 Z. 2 dieses Bundesgesetzes sowie des § 47 des Strafgesetzbuches zulässig. Im Übrigen gelten für die Vollziehung der Anhaltung die §§ 33 bis 38 des Unterbringungsgesetzes mit näher dargelegten Maßgaben sinngemäß.

Bei der beschwerdeführenden Partei handelt es sich weder um eine zur Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher gemäß § 158 Abs. 1 StVG bestimmte Anstalt noch um eine öffentliche Krankenanstalt für Psychiatrie, an der eine Unterbringung im Sinne des § 158 Abs. 4 StVG vollzogen werden könnte. Es handelt sich vielmehr um einen Verein, der geistig abnorme Rechtsbrecher - während einer Unterbrechung der Unterbringung (in der psychiatrischen Abteilung des Landeskrankenhauses Klagenfurt) - betreut, indem er zum einen für ihre Unterkunft und Verpflegung durch Hermelinde W., mit der er einen entsprechenden Vertrag abgeschlossen hat, sorgt, und ihnen zum anderen psychosoziale Betreuung angedeihen lässt.

Diese Betreuung zielt auf die Rehabilitation der geistig abnormen Rechtsbrecher, die während dieser Zeit der Unterbrechung ihrer Unterbringung zwar im Sinne des § 166 Z. 2 StVG die vorgeschriebenen Bedingungen und Auflagen einzuhalten haben. Diese Betreuung stellt aber keine dem StVG unterliegende Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher in einer nach dem StVG dazu bestimmten Anstalt dar. Eine Ermächtigung der zur Vollziehung des StVG berufenen Organe, Private wie den beschwerdeführenden Verein mit Aufgaben des Strafvollzugs zu betrauen, sieht das Gesetz nicht vor. Vielmehr darf die Unterbringung geistig abnormer Rechtsbrecher ausschließlich in den dafür besonders bestimmten Anstalten sowie in öffentlichen Krankenanstalten für Psychiatrie vollzogen werden. Es besteht daher auch kein Grund für die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, die Unterbringung/Betreuung von "Justizpatienten" im Haus M. 6 sei als Vollziehung des StVG (im Sinne des § 1 Abs. 3 Kärntner Heimgesetz) vom Anwendungsbereich des Kärntner Heimgesetzes ausgenommen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 14. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006100221.X00

Im RIS seit

28.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.01.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten