Index
E3R E05204020;Norm
31971R1408 WanderarbeitnehmerV Art4 Abs1 lith;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn, Dr. Büsser und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der M GmbH & Co in L, vertreten durch ICON Wirtschaftstreuhand GmbH in 4030 Linz, Voest-Alpine-Straße 7, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Linz, vom 10. Jänner 2006, GZ RV/0383- L/04, betreffend u.a. Dienstgeberbeitrag, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er Dienstgeberbeitrag betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Im Zuge einer bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Lohnsteuerprüfung betreffend die Jahre 1994 bis 1999 wurde vom Prüfer festgestellt, dass die Bezüge von sämtlichen Dienstnehmern, die von der Beschwerdeführerin ins Ausland entsendet worden seien, nicht in die Bemessungsgrundlage zur Berechnung des Dienstgeberbeitrags zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag einbezogen worden seien. Es sei nicht darauf geachtet worden, ob die Bezüge gemäß § 3 Abs 1 Z 10 EStG steuerbefreit - und damit auch dienstgeberbeitragsfrei - seien. Gemäß § 41 FLAG seien ab 1. Jänner 1994 die Bezüge der ins Ausland entsendeten Mitarbeiter auch dann beitragspflichtig gewesen, wenn die Dienstnehmer im Ausland einen Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt hätten. Der Prüfer errechnete eine Nachforderung an Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen in der Höhe von S 4,562.239,-- und eine solche an Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag von S 486.639,--.
Den Prüfungsfeststellungen folgend schrieb das Finanzamt der Beschwerdeführerin Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag vor.
Die Beschwerdeführerin brachte Berufung ein. Sie habe mit verschiedenen Dienstnehmern einen Dienstvertrag für den ausschließlichen Arbeitseinsatz im Ausland abgeschlossen. Es liege daher kein Fall der Entsendung vor, weil diese zur Voraussetzung habe, dass die Arbeitsverhältnisse ihren Schwerpunkt im Entsendungsstaat, somit in Österreich, hätten. Demzufolge habe die Beschwerdeführerin für diese ausschließlich im Ausland beschäftigten Mitarbeiter keine Dienstgeberbeiträge und Zuschläge zum Dienstgeberbeitrag entrichtet. Gemäß § 41 Abs 1 FLAG hätten alle Dienstgeber den Dienstgeberbeitrag zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen würden. Die Beschwerdeführerin verweise auf die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 41 FLAG, wonach dies dann der Fall sei, wenn das Dienstverhältnis im Inland eingegangen worden sei und darauf inländische Rechtsvorschriften anwendbar seien. Entscheidend für die Beurteilung, ob eine Pflicht zur Entrichtung des Dienstgeberbeitrags und des Zuschlags zum Dienstgeberbeitrag vorliege, sei demnach, ob auf das Dienstverhältnis inländische oder ausländische Rechtsvorschriften anzuwenden seien. Diese Frage sei nach § 44 IPRG zu lösen, wonach Arbeitsverträge nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen seien, in dem der Dienstnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichte. Dieses Recht bleibe auch maßgebend, wenn der Arbeitnehmer an einen Arbeitsort in einen anderen Staat entsendet werde. Entscheidend für die Anknüpfung sei damit der gewöhnliche Arbeitsort. Unter gewöhnlichem Arbeitsort sei nach überwiegender Ansicht der nach dem Vertragsinhalt geplante örtliche Schwerpunkt der Arbeitsleistung für den jeweiligen Arbeitgeber zu verstehen. Würden Dienstnehmer ausschließlich zum Zwecke einer Auslandstätigkeit eingestellt und bestehe keine Absicht, das Arbeitverhältnis im Ausgangsstaat (Österreich) fortzusetzen, komme gemäß § 44 Abs 1 IPRG österreichisches Arbeitsrecht nicht zur Anwendung.
Mit Schreiben vom 7. November 2000 ergänzte die Beschwerdeführerin ihre Berufung dahingehend, dass für die Jahre 1998 bis 1999 das seit 1. Dezember 1998 geltende Übereinkommen über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht, kundgemacht in BGBl III 208/1998 (EVÜ ), anzuwenden sei und daher Dienstverträge, welche nach dem 1. Dezember 1998 abgeschlossen worden seien, nach dem EVÜ zu beurteilen seien, wonach (ebenfalls) jenes Recht zur Anwendung komme, in dem der Arbeitnehmer in Erfüllung des Vertrages gewöhnlich seine Arbeit verrichte, außer es sei eine abweichende Rechtswahl getroffen worden. Da die im Zuge der Lohnsteuerprüfung für die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag aufgegriffenen Dienstverhältnisse für den ausschließlichen Arbeitseinsatz im Ausland abgeschlossen worden seien und keine Rechtswahl getroffen worden sei, seien auf diese Dienstverhältnisse die ausländischen Rechtsvorschriften anzuwenden. Der Tatbestand der Entsendung sei daher auch auf Grund der Rechtslage nach Inkrafttreten des EVÜ nicht erfüllt.
In Beantwortung eines Vorhaltes des Finanzamtes teilte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 7. August 2001 mit, dass die Dienstverträge meist am Postweg abgeschlossen worden seien (Zusendung des Vertragsentwurfes, etwaige Änderung von Vertragspunkten telefonisch oder per Fax, Zusendung des Originales zur Unterschrift), teilweise im Ausland (Verhandlung und Unterschrift im Ausland), teilweise im Inland (Verhandlung und Unterschrift in L.). Der Gerichtsstand der Dienstverträge richte sich nach dem Recht des Dienstortes.
Mit einer weiteren Ergänzung zur Berufung legte die Beschwerdeführerin eine Aufstellung jener Bezüge vor, die unter die Steuerbefreiung des § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 fielen.
Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung nur dahingehend Folge, dass es die nach § 3 Abs 1 Z 10 EStG 1988 befreiten Bezüge aus der Beitragsgrundlage ausschied. Weiters wurden die Bezüge des Arbeitnehmers S ausgeschieden, da dieser nach Ansicht des Finanzamtes als einziger nicht den österreichischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit unterliege.
Die Beschwerdeführerin brachte einen Vorlageantrag ein.
Die belangte Behörde gab der Berufung mit dem angefochtenen Bescheid teilweise Folge.
Die Arbeitslöhne derjenigen Arbeitnehmer, bei denen eine begünstigte Auslandstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG vorliege, seien jedenfalls nicht in die Beitragsgrundlage für den Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag einzubeziehen.
Hinsichtlich der restlichen im Ausland tätigen Dienstnehmer sei zu beachten, dass eine Beschäftigung im Bundesgebiet und damit eine Verpflichtung zur Leistung des Dienstgeberbeitrages nach dem FLAG ausdrücklich auch dann vorliege, wenn ein Dienstnehmer zur Dienstleistung ins Ausland entsendet werde. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 41 FLAG ergebe sich, dass eine Auslandsentsendung im Sinne dieser Bestimmung nur vorliege, wenn das Dienstverhältnis im Inland eingegangen sei und darauf inländische Rechtsvorschriften anwendbar seien. Dies bedeute, dass dann, wenn ein Dienstverhältnis ausschließlich für eine Tätigkeit im Ausland eingegangen worden sei und darauf ausländisches Recht anzuwenden sei, keine Verpflichtung zur Entrichtung von Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag bestehe.
Im vorliegenden Fall sei im Hinblick auf den Prüfungszeitraum 1. Jänner 1994 bis 31. Dezember 1999 zu berücksichtigen, dass Österreich mit 1. Jänner 1994 dem EWR und mit 1. Jänner 1995 der EU beigetreten und somit auch im Prüfungszeitraum die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (im Folgenden VO), anzuwenden sei. Mit dieser VO solle die unerwünschte gleichzeitige Anwendung mehrerer Rechtsordnungen vermieden werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH lasse das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedsstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt. Hinsichtlich ihres sachlichen Geltungsbereiches erstrecke sich die VO auch auf Familienleistungen, damit auch auf die österreichische Familienbeihilfe.
Es bestehe ein Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts. Dem Gemeinschaftsrecht widersprechende Regelungen dürften nicht angewendet werden. Verordnungen der EG seien in allen Teilen verbindlich, ihnen komme unmittelbare Geltung zu.
In Titel II der VO seien die Bestimmungen über die anzuwendenden Rechtsvorschriften enthalten. Es werde durch Kollisionsnormen festgelegt, welche Sozialrechtsordnung bei einem grenzüberschreitenden Sachverhalt zur Anwendung komme und welcher Mitgliedsstaat somit Sozialabgaben einheben dürfe.
Im Urteil vom 15.2.2000, Rs C-34/98 (Kommission/Frankreich), habe der EuGH das Verordnungsziel der Vermeidung der Kumulierung von Sozialabgaben für eine Tätigkeit betont und festgehalten, dass die innerstaatliche Qualifikation als Steuer und eine entsprechende Einhebung durch die Finanzbehörden nicht ausreichen würden, um nicht in den Anwendungsbereich der VO zu fallen. Auch der fehlende Anspruch des Abgabenschuldners auf irgendeine unmittelbare und bestimmbare Gegenleistung sei irrelevant. Entscheidend sei letztlich, dass zwischen der fraglichen Abgabe und den Gesetzen, die die von der VO erfassten Zweige der sozialen Sicherheit regelten, ein Zusammenhang bestehe, der unmittelbar und hinreichend relevant sei.
Im Hinblick auf diese Rechtsprechung des EuGH, nach der auch die Finanzierungsvorschriften für alle von der VO erfassten Zweige der sozialen Sicherheit (so auch der Familienleistungen und Familienbeihilfen) in den Anwendungsbereich der VO und folglich unter das Verbot einer unzulässigen doppelten Beitragsleistung fielen, sei eine Leistung bereits dann beitragsabhängig finanziert, wenn sie nur mittelbar durch den Personenkreis aufgebracht werde, dem sie sodann in der Gesamtheit zu Gute komme. Hierbei sei es unerheblich, ob die angesprochene (Familien)Leistung durch eine Abgabe finanziert werde, die innerstaatlich als Steuer geregelt werde (z.B. in Österreich der Dienstgeberbeitrag) bzw. ob der Abgabe Gegenleistungen gegenüberstünden.
Die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass der Dienstgeberbeitrag - ungeachtet der innerstaatlichen Einstufung als Steuer - gemeinschaftsrechtlich als Sozialbeitrag anzusehen sei, für den Titel II der VO zu beachten sei. Wie sich dies aus Abschnitt III des FLAG ergebe, diene der Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen ausschließlich der Aufbringung der Mittel, um die in Art 4 Abs 1 der VO taxativ aufgezählten Familienleistungen (Familienbeihilfen) zu erbringen.
Ungeachtet der innerstaatlichen Regelung, wonach der Dienstgeberbeitrag für alle im Inland beschäftigten Dienstnehmer zu entrichten sei, wobei auch entsendete Dienstnehmer als im Inland beschäftigt gelten würden, sei im Anwendungsbereich der VO der Dienstgeberbeitrag daher nur dann zu entrichten, wenn nach den Vorschriften des Titels II der VO österreichisches Sozialrecht anzuwenden sei. Sei Österreich nach der VO aber nicht berechtigt, Sozialversicherungsbeiträge einzuheben, dann könne auch kein Dienstgeberbeitrag erhoben werden.
Soweit die von der Beschwerdeführerin in den EWR-Raum entsandten Dienstnehmer auf Grund der Art 14 und vor allem 17 der VO weiterhin dem österreichischen Sozialrecht unterlägen, bestehe die Dienstgeberbeitragspflicht zu Recht.
Soweit hingegen die in den EWR-Raum entsandten Dienstnehmer nicht dem österreichischen Sozialrecht unterlägen, oder Entsendungen außerhalb des EWR-Raumes erfolgt seien, sowie generell hinsichtlich des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag sei nach § 41 Abs 1 FLAG zu prüfen, ob dieser Teil der Dienstnehmer als im Bundesgebiet beschäftigt gelte. Diesbezüglich habe die Beschwerdeführerin zu Recht auf die Gesetzesmaterialien zum FLAG verwiesen, wonach eine Auslandsentsendung immer nur vorliege, wenn das Dienstverhältnis im Inland eingegangen sei und darauf inländische Rechtsvorschriften anzuwenden seien. Wenn ein Dienstverhältnis ausschließlich für eine Tätigkeit im Ausland eingegangen werde und darauf ausländisches Recht anzuwenden sei, bestehe keine Beitragspflicht. Ob inländische Rechtsvorschriften auf ein Dienstverhältnis anzuwenden seien, richte sich nach dem IPRG. Arbeitsverträge seien demnach nach dem Recht jenes Staates zu beurteilen, in dem der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich verrichte. Eine andere Rechtswahl müsse ausdrücklich getroffen werden. Für Arbeitsverhältnisse, die nach dem 30. November 1998 geschlossen worden seien, gelte das EVÜ. Mangels abweichender Rechtswahl sei nach dem EVÜ für das Arbeitsverhältnis das Recht jenes Staates maßgeblich, im welchem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichte. Im gegenständlichen Fall gehe aus den Arbeitsverträgen hervor, dass sie für den ausschließlichen Auslandseinsatz abgeschlossen worden seien. Da sohin die Dienstnehmer gewöhnlich ihre Arbeit im Ausland verrichtet hätten, sei für die in Rede stehende Personengruppe die Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages nicht zu Recht erfolgt.
Hinsichtlich des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag gelte dies auch für die Dienstnehmer, die unter die VO fielen, weil diese VO im Bereich des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag nicht gelte. Diese diene nämlich nicht dazu, Familienleistungen zu finanzieren.
Mit Schreiben vom 6. Dezember 2005 habe die belangte Behörde sowohl der Beschwerdeführerin als auch dem Finanzamt eine Aufstellung der Löhne jener im Ausland tätigen Arbeitnehmer übermittelt, deren Bezüge nach den obigen Ausführungen nicht dienstgeberbeitragspflichtig seien. Über die Höhe dieses Betrages bestehe kein Streit. Die Gesamtnachforderung an Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen vermindere sich daher entsprechend. Es entfalle auch der in Rede stehende Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag.
Gegen diesen Bescheid, soweit er Dienstgeberbeitrag betrifft, richtet sich die Beschwerde. Die Beschwerdeführerin rügt die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages durch die belangte Behörde für jene Personen, die - ohne Vorliegen einer Entsendung - den österreichischen Rechtsvorschriften gemäß den Bestimmungen der VO unterliegen. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, dass die genannte VO eine Dienstgeberbeitragspflicht im Inland begründen könne, auch wenn die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 FLAG nicht erfüllt seien, sie lege die zitierten Urteile des EuGH im Umkehrschluss dahingehend aus, dass immer dann, wenn die österreichischen Rechtsvorschriften anzuwenden seien, auch eine Dienstgeberbeitragspflicht gegeben sein müsse. Die belangte Behörde leite aus der VO ab, Österreich würde im Falle eines Leistungsanspruches des Arbeitnehmers auch eine Beitragspflicht auferlegt. Diese Auslegung treffe zwar für jene Bereiche zu, in denen der Leistungsanspruch tatsächlich auf einer Beitragsleistung begründet sei, für jene Bereiche, die (nach nationalem Recht) den Leistungsanspruch nicht an eine Beitragspflicht knüpften, könne die VO keine (zusätzliche) Beitragspflicht normieren. Der EuGH habe keinem Mitgliedstaat vorgeschrieben, dass dieser Beitragsleistungen einzuheben habe, wenn ein Leistungsanspruch bestehe. Die Frage der Finanzierung der Familienleistungen obliege grundsätzlich der Entscheidung der jeweiligen Mitgliedsländer.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 41 Abs.1 FLAG lautet:
"Den Dienstgeberbeitrag haben alle Dienstgeber zu leisten, die im Bundesgebiet Dienstnehmer beschäftigen; als im Bundesgebiet beschäftigt gilt ein Dienstnehmer auch dann, wenn er zur Dienstleistung ins Ausland entsendet ist."
Art 4 Abs 1 der VO lautet:
"(1) Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:
a)
...
h)
Familienleistungen."
Art 1 Buchstabe j der VO definiert den Begriff "Rechtsvorschriften" wie folgt: "In jedem Mitgliedstaat die bestehenden und künftigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in bezug auf die in Artikel 4 Absätze 1 und 2 genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit".
Art 13 der VO bestimmt:
"(1) Ein Arbeitnehmer, für den diese Verordnung gilt, unterliegt den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats. Welche Rechtsvorschriften dies sind, bestimmt sich nach diesem Titel.
(2) Soweit nicht die Artikel 14 bis 17 etwas anderes bestimmen, gilt folgendes:
a) Ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats beschäftigt ist, unterliegt den Rechtsvorschriften dieses Staates, und auch dann, wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats wohnt oder sein Arbeitgeber oder das Unternehmen, das ihn beschäftigt, seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat;
..."
Art 14 der VO lautet auszugsweise:
"Sonderregelungen
(1) Vom Grundsatz des Artikels 13 Absatz 2 Buchstabe a) gelten folgende Ausnahmen und Besonderheiten:
a) i) Ein Arbeitnehmer, der im Gebiet eines Mitgliedstaats von einem Unternehmen beschäftigt wird, dem er gewöhnlich angehört, und von diesem Unternehmen zur Ausführung einer Arbeit für dessen Rechnung in das Gebiet eines anderen Mitgliedstaats entsandt wird, unterliegt weiterhin den Rechtsvorschriften des ersten Staates, sofern die voraussichtliche Dauer dieser Arbeit zwölf Monate nicht überschreitet und er nicht einen anderen Arbeitnehmer ablöst, für den die Entsendungszeit abgelaufen ist;
..."
Art 17 der VO lautet:
"Ausnahme von den Artikeln 13 bis 16
Zwei oder mehr Mitgliedstaaten oder die zuständigen Behörden dieser Staaten können im Interesse bestimmter Arbeitnehmer oder Arbeitnehmergruppen Ausnahmen von den Artikeln 13 bis 16 vereinbaren."
Einleitend ist festzuhalten, dass die VO im Anhang VI des EWR-Abkommen angeführt ist, sodass ihr auch im EWR Geltung zukommt (vgl auch Azizi, in Hummer, Der EWR und Österreich, 107; und Egger, in Hummer (Hrsg.), aaO, 153).
Die nationale Bestimmung des § 41 FLAG, welche die Leistung der Dienstgeberbeiträge durch die Dienstgeber regelt, durch welche wiederum das System zur Leistung der Familienbeihilfen finanziert wird, fällt in den sachlichen Geltungsbereich der VO (vgl Art 4 Abs 1 lit h der VO).
Nach den ErlRV zu § 41 FLAG, 549 BlgNR XI. GP, liegt eine Entsendung ins Ausland im Sinne dieser Vorschrift dann vor, wenn das Dienstverhältnis im Inland eingegangen worden ist und darauf inländische Rechtsvorschriften anwendbar sind. Im Hinblick auf die Anwendbarkeit ausländischer arbeitsrechtlicher Normen auf die betreffenden Dienstverhältnisse hat die belangte Behörde für Dienstnehmer, die nicht im EU-/EWR-Raum tätig sind, die Beitragspflicht nach § 41 FLAG verneint. Die Verpflichtung zur Entrichtung eines Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag nach § 57 Abs 4 und 5 Handelskammergesetz sowie § 122 Abs 7 und 8 Wirtschaftskammergesetz - die beiden Gesetze knüpften für diese Zuschläge an die Beitragsgrundlage des § 41 FLAG an - hat sie für alle im gegenständlichen Verfahren betroffenen Arbeitnehmer der Beschwerdeführerin verneint. Auch dies mit der Begründung, dass keine Entsendung im Sinne des § 41 FLAG vorliege, sodass keine Abgabepflicht bestehe.
Für die im EU-/EWR-Raum tätigen Dienstnehmer hat die belangte Behörde die Beitragspflicht deshalb angenommen, weil der Dienstgeberbeitrag in den Anwendungsbereich der VO falle und sich aus "Artikel 14 und vor allem Artikel 17" der VO ergebe, dass für ihren Anwendungsbereich die Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften Österreichs unterlägen.
Abgesehen davon, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht dartut, aus welchen Gründen sich - getrennt für die einzelnen Arbeitnehmer im Hinblick auf deren konkrete Verhältnisse - aus Art 14 oder Art 17 der VO die Anwendbarkeit der österreichischen Vorschriften ergibt, hat sie auch den normativen Inhalt der VO verkannt. Zum Inhalt der Art 13ff der VO gehört es, die Kumulierung von Rechtsvorschriften (mit der Wirkung mehrfacher Beitragsleistung) zu vermeiden (vgl das Urteil des EuGH vom 15. Februar 2000, Rs C-34/98 (Kommission/Frankreich), Rn 31 und 34). Die genannten Regelungen der VO schaffen aber nicht für sich eine Abgabe- oder Beitragspflicht, die nach nationalem Recht nicht besteht und nach nationalem Recht nicht Voraussetzung für einen Anspruch auf Familienleistungen (hier insbesondere Anspruch auf Familienbeihilfe) darstellt.
Der angefochtene Bescheid ist sohin - im Umfang seiner Anfechtung - mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet und war daher insoweit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 19. März 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2006150115.X00Im RIS seit
24.04.2008Zuletzt aktualisiert am
21.05.2013