TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/19 2007/15/0258

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.03.2008
beobachten
merken

Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §308 Abs1;
BAO §308 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde des R in H, vertreten durch Dr. Roland Reichl, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Alpenstraße 102, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Salzburg, vom 4. September 2007, GZ RV/0398-S/07, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Berufung gegen Einkommensteuerbescheide 1994 bis 2002), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Kfz-Mechaniker, hat für Freunde und Bekannte Kfz übernommen, damit bei einem Automobilclub die Überprüfung für das "Pickerl" (vgl § 57a Abs 4 KFG 1967) durchgeführt werde, wobei der Beschwerdeführer "leichtere Mängel", welche die Fahrzeuge aufgewiesen haben, zu Hause repariert hat. Diese Freunde des Beschwerdeführers sind jeweils auch Mitglieder des Automobilclubs gewesen.

Informationen über diese Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit erhielt das Finanzamt anlässlich einer abgabenbehördlichen Prüfung. In der Folge erließ es Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 2002 mit Ausfertigungsdatum 15. Juli 2003. Diese sind in Rechtskraft erwachsen.

Mit Eingabe vom 23. März 2007 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Berufungsfrist betreffend die Einkommensteuerbescheide 1994 bis 2002. Die Behörde habe ihn nicht darüber aufgeklärt, dass ein erheblicher abgabenrechtlicher Unterschied zwischen Umsatz und Gewinn bestehe. Darüber sei er erst am 14. März 2007 von abgabenrechtlich versierten Bekannten aufgeklärt worden. Im weiteren Verfahren erläuterte der Beschwerdeführer, erst diesen Bekannten sei (am 14. März 2007) aufgefallen, dass das Finanzamt bei der Berechnung der Gewinne für 1994 bis 2002 keine Betriebsausgaben in Abzug gebracht habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Wiedereinsetzungsantrag im Instanzenzug zurück.

Zur Begründung wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, am 7. Juli 2003 sei anlässlich einer Nachschau vom Prüfer in einer Niederschrift festgehalten worden, dass der Beschwerdeführer entgeltlich für Freunde und Bekannte die "Pickerlüberprüfung" durchgeführt habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, jährlich ca. 2.000 bis 3.000 EUR aus dieser Tätigkeit zu verdienen.

Auf Basis dieser Angaben habe das Finanzamt mit 15. Juli 2003 datierte Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 2002 erlassen und dabei die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit jährlich

2.500 EUR (34.401 S) in Ansatz gebracht.

Mit 21. Mai 2004 habe der Beschwerdeführer die Einkommensteuererklärung für 2003 unterfertigt und in der Folge mit den Beilagen beim Finanzamt eingereicht. Aus der mit Einnahmen-Ausgaben-Rechnung überschriebenen Beilage gehe die Ermittlung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb hervor. Es seien vom den Erlösen Betriebsausgaben in Abzug gebracht wurden. Der Beschwerdeführer habe angegeben, diese Beilage sei u.a. unter Mithilfe seines Bekannten, des Finanzbeamten X, erstellt worden sei.

Am 7. März 2007 sei die Zustellung einer Strafverfügung erfolgt, mit welcher der Beschwerdeführer der vorsätzlichen Verkürzung von Einkommensteuer für die Jahre 1994 bis 2002 schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe verhängt worden sei. Hinsichtlich des strafbestimmenden Wertbetrag sei auf die rechtskräftigen Abgabenbescheide verwiesen worden.

Am 14. März 2007 habe sich der Beschwerdeführer über die Strafverfügung mit den Personen besprochen, die ihn bei der Erstellung der Einkommensteuererklärungen ab 2003 unterstützt hätten. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers zufolge sei er in diesem Zusammenhang das erste Mal darauf aufmerksam gemacht worden, dass er Betriebsausgaben hätte in Abzug bringen können. Als Ergebnis dieser Besprechung habe der Beschwerdeführer am 23. März 2007 den gegenständlichen Wiedereinsetzungsantrag eingebracht.

Bestehe das unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis iSd § 308 BAO in einem Irrtum, so falle dieses Hindernis weg, sobald die Partei diesen Irrtum als solchen habe erkennen können und müssen. Für den Lauf der Wiedereinsetzungsfrist komme es somit auf den Zeitpunkt der zumutbaren Erkennbarkeit des Irrtums an (Hinweis auf das hg Erkenntnis vom 16. März 2005, 2003/14/0005).

Der Beschwerdeführer habe im Mai 2004 selbst eine Einkommensteuererklärung, nämlich die Einkommensteuererklärung für 2003 eingereicht. Dabei habe er den Gewinn - unterstützt durch abgabenrechtlich versierte Bekannte, insbesondere den Finanzbeamten X - unter Abzuges von Betriebsausgaben ermittelte. Die Erlöse hätten sich der Höhe nach in dem Bereich bewegt, den das Finanzamt für 1994 bis 2002 als Gewinn angesetzt habe. Für die belangte Behörde stehe daher fest, dass dem Beschwerdeführer spätestens im Zusammenhang mit der Erstellung der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2003 auch bewusst geworden sei, dass die Einkünfte in den Vorjahren vom Finanzamt schon auf den ersten Blick erkennbar in Höhe der vermeintlichen Erlöse in Ansatz gebracht worden sein könnten.

Trotzdem habe der Beschwerdeführer keine verfahrensrechtlichen Maßnahmen zur "Sanierung" dieser seiner Einschätzung nach falschen Vorgangsweise eingeleistet. Erst als er mit den finanzstrafrechtlichen Folgen der Abgabenbescheide 1994 bis 2002 konfrontiert worden sei, habe er den Wiedereinsetzungsantrag gestellt.

Damit halte es die belangte Behörde für erwiesen, dass dem Beschwerdeführer der Irrtum und einzige Grund, der von ihm für die Wiedereinsetzung ins Treffen geführt worden sei, spätestens im Mai 2004 bewusst geworden sei. Die dreimonatige Frist des § 308 Abs 3 BAO habe sohin schon fast drei Jahre vor der tatsächlichen Einreichung des Antrages zu laufen begonnen. Der Antrag somit verspätet eingereicht worden. Er sei daher richtigerweise zurückzuweisen.

Die belangte Behörde sei überzeugt, dass dem Beschwerdeführer die "unrichtige" Gewinnermittlung spätestens 2004 bewusst gewesen sei. Das Instrument des Wiedereinsetzungsantrages biete keine Grundlage für eine Korrektur der seinerzeitigen Entscheidung des Beschwerdeführers, die Vorgangsweise der Finanzverwaltung zu akzeptieren und die Rechtsmittelfrist bzw. Frist zur Wiedereinsetzung ungenützt verstreichen zu lassen. Auf die inhaltliche Prüfung des angegebenen Wiedereinsetzungsgrundes habe aus diesem Grund verzichtet werden können.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde - in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

§ 308 Abs 1 BAO lautet:

"Gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt."

§ 308 Abs 3 BAO lautet:

"Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen."

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dem Prüfer des Finanzamtes habe er angegeben, dass er aus seiner selbständigen Tätigkeit in Zusammenhang mit Kfz jährlich ca 2.000 EUR bis 3.000 EUR verdient habe. Tatsächlich habe er aber damit nur die Einnahmen, nicht den Gewinn gemeint. Der Prüfer habe daraufhin für jedes der betroffenen Jahre den Gewinn aus Gewerbebetrieb ermittelt, den Rechenvorgang der Gewinnermittlung aber nicht in der "Niederschrift" dargestellt. Der Prüfer habe die Gebühr von ca 27 EUR, die für die "Pickerlüberprüfung" als solche anfallen, nicht als durchlaufenden Posten berücksichtigt. Im "Nachschaubericht" sei nicht dargestellt worden, welche Erlöse und Betriebsausgaben der Prüfer gegenübergestellt habe. In der Folge seien Einkommensteuerbescheide ergangen, die der Beschwerdeführer als sehr belastend empfunden habe. Erst am 14. März 2007 habe der Beschwerdeführer erkannt, dass die Gebühr für die "Pickerlüberprüfung" sowie Betriebsaugaben nicht abgezogen worden seien. Zu diesem Zeitpunkt habe er nämlich die Steuerbescheide von Bekannten überprüfen lassen. Der Beschwerdeführer verweist weiters darauf, dass er seinerzeit wegen der Geringfügigkeit der Beträge nicht an eine Verkürzung der Abgaben gedacht habe. Es hätte daher keine Abgabenhinterziehung angenommen werden dürfen, sodass von einer Wiederaufnahme der bereits verjährten Jahre 1994 bis 1997 hätte Abstand genommen werden müssen. Angaben zum "nicht gegebenen Hinterziehungsvorsatz" habe das Nachschauorgan aber nicht protokolliert.

Das Vorbringen betreffend das Fehlen des Verkürzungsvorsatzes hat keinen Bezug zur hier allein interessierenden Frage der Fristwahrung. Zum Vorbringen betreffend das Unterbleiben eines Betriebsausgabenabzuges hat die belangte Behörde die Sachverhaltsfeststellung getroffen, dass dem Beschwerdeführer spätestens im Mai 2004 diese Umstände bekannt gewesen seien, sodass der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der Frist des § 308 Abs 3 BAO gestellt worden ist. Dass die belangte Behörde diese Sachverhaltsfeststellung unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen hätte, zeigt die Beschwerde in keiner Weise auf. Im Übrigen klärt der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht auf, aus welchen Gründen er nicht bereits aus den Angaben über die Höhe der Einkünfte in den Einkommensteuererbescheiden 1994 bis 2002 (und auch aus solchen Angaben in der "Niederschrift" über die abgabenbehördliche Prüfung, auch wenn darin den Rechenvorgang der Gewinnermittlung nicht dargestellt sein sollte) erkannt hat, dass von den einbekannten Erlösen Betriebsausgaben nicht abgezogen und durchlaufende Posten nicht ausgeschieden worden sind.

Nach den unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde ist sohin (spätestens) ab Mai 2004 weder der Irrtum über tatsächliche Umstände, auf den sich die Beschwerde stützt, noch ein Rechtsirrtum über die Absetzbarkeit von Betriebsausgaben vorgelegen. Der belangten Behörde kann daher nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie die Frist des § 308 Abs 3 BAO als nicht gewahrt erachtet hat.

Auf das Beschwerdevorbringen betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens war nicht einzugehen, weil der angefochtene Bescheid nicht über die Wiederaufnahme abspricht.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 19. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007150258.X00

Im RIS seit

01.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten