TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/27 2007/11/0202

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Veröffentlicht am 27.03.2008
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Index

43/01 Wehrrecht allgemein;

Norm

WehrG 1990 §36a Abs1 Z2;
WehrG 2001 §26 Abs1 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Schick, Dr. Grünstäudl und Mag. Samm als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des C in W, vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in 3500 Krems, Gartenaugasse 3, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 30. August 2007, Zl. P855897/1-PersC/2007, betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des am 16. Jänner 2003 der Stellung unterzogenen und für tauglich befundenen Beschwerdeführers vom 6. Juni 2007 auf befristete Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 des Wehrgesetzes 2001 (WG) abgewiesen.

Zur Begründung führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, der am 15. September 1985 geborene Beschwerdeführer habe seinem Antrag zu Grunde gelegt, dass er eine Einzelhandelsfirma eröffnet habe, die auf den Verkauf von Angelgeräten und -zubehör spezialisiert sei. In diesem Tätigkeitsbereich sei er in den letzten drei Jahren als Einzelhandelskaufmann ausgebildet worden. Der Beschwerdeführer habe ersucht, ihn aufgrund "der erforderlichen Leitung des Geschäftes" befristet (für die Zeit von "mindestens einem Jahr") vom Grundwehrdienst zu befreien. Er sei seit dem 21. Mai 2007 im Besitz einer Handelsgewerbeberechtigung für einen näher genannten Standort in Wien 22 und verkaufe dort ausschließlich Fischereibedarf. Nach einer Stellungnahme der Wirtschaftskammer Wien vom 26. Juni 2007 wäre es für ihn kein gravierender Nachteil, wenn er am 3. September 2007 - für welchen Termin ihm bereits ein Einberufungsbefehl zugestellt worden sei - einrücken müsse, weil erfahrungsgemäß die Umsätze im Fischereigeschäft in den Wintermonaten nicht besonders hoch seien. Eine Einberufung im März oder April des nächsten Jahres sei für ihn jedoch mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden, weil ihm unter Bedachtnahme auf den Beginn und die Dauer der Fischereisaison in diesem Fall erhebliche Umsätze entgehen können. Zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme aufgefordert habe der Beschwerdeführer in seiner Äußerung vom 16. August 2007 keine Einwände erhoben. Die belangte Behörde verwies ferner darauf, dass der Beschwerdeführer zunächst von der Einberufung zum Grundwehrdienst auf Grund seiner Schulausbildung an der HTL Krems ex lege ausgeschlossen war. Diese Schulausbildung habe er am 2. Juli 2004 abgebrochen. Über seinen Antrag vom 8. Dezember 2004 sei außerdem der Antritt des Grundwehrdienstes mit Bescheid des Militärkommandos Wien vom 13. Juli 2005 bis 1. August 2007 zum Zwecke der laufenden Berufsvorbereitung als Lehrling aufgeschoben worden. In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer ferner vorgebracht, er mache auch "private" (also offensichtlich familiäre) Gründe geltend, weil über das Vermögen des Unternehmens seiner Eltern das Konkursverfahren eröffnet worden sei und die Eltern auf seine finanzielle Unterstützung angewiesen seien. Außerdem müsse er seine Schwester in ihrem Studium finanziell unterstützen.

In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde - zusammengefasst - aus, der Beschwerdeführer mache für die beantragte Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes zunächst wirtschaftliche Interessen geltend. Besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen lägen jedoch nicht vor, weil er der ihn treffenden Harmonisierungspflicht nicht nachgekommen sei. Seit seiner Tauglichkeitsfeststellung am 16. Jänner 2003 hätte der Beschwerdeführer die Planung und Gestaltung seiner privaten wirtschaftlichen bzw. beruflichen Angelegenheiten so gestalten müssen, dass er in der Lage ist, die öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes zu erfüllen und für den Fall der zu erwartenden Einberufung Schwierigkeiten vermieden oder möglichst verringert würden. Selbst wenn die "Firmengründung", wie der Beschwerdeführer geltend mache, eine "einmalige Gelegenheit" darstellte, wäre der Beschwerdeführer nach der herrschenden Rechtsprechung zur Harmonisierung der oben genannten Interessen verpflichtet gewesen. Es lägen im Beschwerdefall auch keine besonders rücksichtswürdigen familiären Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 vor, weil nicht hervorgekommen sei, dass Familienmitglieder des Beschwerdeführers in ihrer Gesundheit oder in sonstigen lebenswichtigen Interessen gefährdet seien, wenn der Beschwerdeführer den Grundwehrdienst ableistet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Folgende Bestimmungen des Wehrgesetzes 2001 (WG) sind im Beschwerdefall von Bedeutung:

"Befreiung und Aufschub

§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien

2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern.

(2) Anträge auf Befreiung nach Abs. 1 Z 2 dürfen beim Militärkommando eingebracht werden und darüber hinaus

1. hinsichtlich des Grundwehrdienstes auch im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission und

2. während einer Präsenzdienstleistung auch bei jener militärischen Dienststelle, der der Wehrpflichtige zur Dienstleistung zugeteilt ist.

…"

Der Beschwerdeführer macht zunächst wirtschaftliche Interessen für die Befreiung von der Leistung des Grundwehrdienstes geltend und beruft sich im Wesentlichen darauf, es habe sich, nachdem ihm im Feber 2007 der Einberufungsbefehl für den 3. September 2007 zugestellt worden sei, für ihn unvorhergesehen die Gelegenheit ergeben, ein Unternehmen für Anglerbedarf zu eröffnen und auch den Kundenstock, den er sich in der Zeit seiner Lehre aufgebaut habe, zu übernehmen. Dies sei für seinen beruflichen Werdegang und seine finanzielle Zukunft eine einmalige Chance gewesen. Es sei schwierig, "an einem ganz bestimmten Ort" ein Geschäftslokal inklusive eines umfangreichen Warenlagers zu finden. Damit zeigt er jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2004, Zl. 2003/11/0173, mit weiteren Nachweisen) ist der Wehrpflichtige gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen so zu treffen, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Unterlässt es ein Wehrpflichtiger, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, so können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des Wehrgesetzes angesehen werden. Ist dem Wehrpflichtigen nämlich bekannt, dass er seiner Präsenzdienstpflicht werde nachkommen müssen, so ist er gehalten, seine wirtschaftlichen Dispositionen (Beginn der Geschäftstätigkeit, Vorsorge für Ersatzpersonal etc.) so zu gestalten, dass er in der Lage ist, seiner Präsenzdienstpflicht nachzukommen.

Dem Beschwerdeführer war seit der Feststellung seiner Tauglichkeit im Jänner 2003 bekannt, dass er den Grundwehrdienst ableisten werde müssen. Wenn er sich im Rahmen seiner Lehre (bis zu deren Abschluss im August 2007 ihm Aufschub gewährt wurde), wie er in der Beschwerde behauptet, einen "Kundenstock" aufbaute, hätte er in seine Überlegungen mit einbeziehen müssen, dass er diesen nicht unmittelbar nach Beendigung seiner Lehrzeit würde übernehmen können. Der Beschwerdeführer hat zwar seinen Antrag darauf gestützt, dass die Eröffnung des Geschäftes eine "einmalige Chance" dargestellt habe, er hat jedoch nicht durch konkretes Vorbringen dargetan, dass die sofortige Geschäftseröffnung die einzige Möglichkeit gewesen sei, seine wirtschaftliche Existenz zu sichern, und er nicht noch die für ihn im Hinblick auf den schon vorher zugestellten Einberufungsbefehl vorhersehbare Zeit bis zum Ende des zu leistenden Grundwehrdienstes hätte zuwarten können. Welche konkreten wirtschaftlichen Nachteile ihm dadurch erwachsen wären, zeigt er nicht auf.

Wenn schon der Beschwerdeführer von der Geschäftseröffnung noch vor dem Antritt des Grundwehrdienstes nicht Abstand nehmen wollte, hätte er für eine geeignete Vertretung für die Zeit ab dem Einberufungstermin sorgen müssen, zumal die angesprochene Harmonisierungspflicht mit einschließt, für eine erforderliche Vertretung zu sorgen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/11/0022). Dass ihm dies nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre, hat der Beschwerdeführer nicht dargetan. Es hilft somit seinem Standpunkt auch nicht, wenn er bestreitet, seine Eltern könnten ihn in seinem Unternehmen für die Dauer des Grundwehrdienstes unterstützen. Nach der dargestellten Rechtslage hat daher die belangte Behörde zu Recht das wirtschaftliche Interesse des Beschwerdeführers an einer Befreiung nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der eingangs genannten Bestimmung angesehen.

Auch soweit der Beschwerdeführer familiäre Interessen an seiner Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes behauptet, ist die Beschwerde nicht zielführend. Denn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegen besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser wegen der Ableistung des Wehrdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. erneut das hg. Erkenntnis vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/11/0022, mit weiteren Nachweisen). Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren darauf gestützt, er müsse seine Eltern nach dem Konkurs ihres Unternehmens finanziell unterstützen und das Studium seiner Schwester finanzieren, und verwies auf eine Herzerkrankung des Vaters. Weder im Verwaltungsverfahren noch in seiner Beschwerdeschrift konkretisiert der Beschwerdeführer aber durch sachverhaltsbezogenes und durch Beweise untermauertes Vorbringen, dass allein er die Unterstützung seiner Eltern und seiner Schwester bewirken kann, und seine Angehörigen im Falle der Ableistung des Grundwehrdienstes durch ihn in ihrer Existenz oder sonstigen lebenswichtigen Interessen bedroht seien. Soweit der Beschwerdeführer die Herzerkrankung seines Vaters anspricht, liegt kein Anhaltspunkt dafür vor, ausschließlich der Beschwerdeführer sei in der Lage, für seinen Vater zu sorgen, und es könnten nicht auch die übrigen Familienmitglieder für die notwendige Betreuung des Vaters sorgen.

Es erweist sich der angefochtene Bescheid somit frei von Rechtsirrtum.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007110202.X00

Im RIS seit

18.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

12.07.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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