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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §55 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des M, vertreten durch Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 13/II, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Steiermark vom 17. Dezember 2007, Zl. 2F 419/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer, einen ägyptischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 Z 1 "i.V.m." den §§ 86 Abs. 1 und 87 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot. Diese Maßnahme begründete sie vorwiegend damit, dass der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 4. Mai 2006 wegen Brandstiftung mit Todesfolge als Beitragstäter nach den §§ 12 zweiter Fall, 169 Abs. 1 und 3 erster Fall StGB zu einer (im Berufungsweg herabgesetzten) Freiheitsstrafe von acht Jahren und acht Monaten Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf eine Vorverurteilung vom 30. Jänner 2006 verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe zur Verursachung einer Feuersbrunst in einer näher genannten Pizzeria dadurch beigetragen, dass er dort ein Küchenfenster geöffnet und zur Verschleierung der Brandstiftung einen Einbruch vorgetäuscht habe. Weiters habe er Benzin im Keller des Tatobjekts bereitgestellt und an einer "Abschlussbesprechung" teilgenommen. Durch Entzündung des Benzins sei es zu einem explosionsartigen Brandgeschehen gekommen, das den Tod von zwei Minderjährigen zur Folge gehabt habe und wodurch nahezu das gesamte Gebäude vernichtet worden sei. Dieses persönliche Verhalten des Beschwerdeführers beeinträchtige die öffentliche Ordnung und Sicherheit beträchtlich und stelle eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die im Sinn des § 86 Abs. 1 FPG ein Grundinteresse der Gesellschaft berühre.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet, seine Ehefrau sei österreichische Staatsbürgerin und er selbst sei im Bundesgebiet einer Beschäftigung als Koch nachgegangen. Weiters seien auch seine beiden Schwestern mit ihren Familien seit vielen Jahren im Bundesgebiet niedergelassen. Somit komme es durch das Aufenthaltsverbot zu einem schweren und relevanten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers. Im Blick auf die der rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden schwerwiegenden strafbaren Handlung im Bereich der Beitragstäterschaft zu einer vorsätzlichen Brandstiftung mit Todesfolge könne es keinem Zweifel unterliegen, dass zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei. Die Art und Weise der von ihm begangenen gerichtlichen Straftat lasse ein Charakterbild erkennen, das zweifelsohne den Schluss rechtfertige, er sei gegenüber den zum Schutz der Gesundheit bzw. der körperlichen Integrität anderer Personen erlassenen Vorschriften negativ eingestellt und bilde solcherart eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Daraus folge, dass die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer wögen als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei. Im gegenständlichen Fall könne von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (aus Ermessensgründen) nicht Abstand genommen werden.
Zur Tatausführung merkte die belangte Behörde noch an, dass strafgerichtlich ausdrücklich festgestellt worden sei, dass ohne die vom Beschwerdeführer begangenen strafbaren Beitragshandlungen die Brandlegung nicht gelungen und der schließlich eingetretene "Erfolg" (der Tod zweier Kinder im Alter von drei und fünf Jahren, die Verletzung von drei weiteren Personen und ein Sachschaden von EUR 500.000,--) unterblieben wäre.
Wegen des noch viel zu kurzen Zeitablaufes - so die weitere Bescheidbegründung - seit der rechtskräftigen Verurteilung sei die belangte Behörde nicht in der Lage, von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen. Ebenso wenig könne die vom Beschwerdeführer in Haft verbrachte Zeit für die Frage eines allfälligen Wohlverhaltens berücksichtigt werden. Eine zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende positive Prognose könne frühestens nach einem verlässlichen Beobachtungszeitraum ab dem Zeitpunkt der Haftentlassung gestellt werden. Im Zuge der Bewertung des Gesamtfehlverhaltens sei auch darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer bereits im März 2005 wegen des Vergehens der Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen und bringt vor, dass er sich seit Ende des Jahres 2002 in Österreich aufhalte und mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet sei. Er macht geltend, er hätte bei seiner Vernehmung darlegen können, dass er keinerlei existentielle Grundlage in Ägypten aufweise, insbesondere mit allfälligen Verwandten in Ägypten den Kontakt abgebrochen habe und als koptisch-orthodoxer Christ keinerlei Möglichkeit hätte, einer entsprechenden Beschäftigung nachzugehen. Mit dieser Verfahrensrüge zeigt er jedoch nicht auf, warum es ihm nicht möglich gewesen wäre, dieses Vorbringen in seiner Berufung oder in einem ergänzenden Schriftsatz zu erstatten, weshalb dieser Rüge der Erfolg zu versagen ist. Soweit der Beschwerdeführer auf einen "allfälligen" Antrag auf Wiederaufnahme des Strafverfahrens verweist, kommt dem keinerlei Relevanz zu.
Gemäß § 86 Abs. 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige - gemäß § 87 FPG auch gegen Familienangehörige von Österreichern, die ihre Freizügigkeitsberechtigung nicht in Anspruch genommen haben - zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahme begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig.
Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzungen gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2006/21/0243).
Auch wenn der Beschwerdeführer "nur" als Beitragstäter aufgetreten ist, kann es keinen Zweifel daran geben, dass durch sein Verhalten die Voraussetzungen für eine negative Prognose nach § 86 Abs. 1 FPG erfüllt sind. Daran ändert nichts, dass er nach seiner Behauptung als "Musterhäftling" bezeichnet werde. Es ist auch nicht relevant, dass die belangte Behörde offenkundig unrichtig von einer Vorverurteilung wegen Nötigung ausgegangen ist; aus der beigelegten Strafregisterauskunft ergibt sich, dass der Beschwerdeführer nach § 83 Abs. 1 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt worden ist. Jedenfalls ist aber aus dieser Vorverurteilung abzuleiten, dass es sich bei der nachfolgenden Straftat nicht um einen strafrechtlichen Einzelfall gehandelt hat.
Der Beschwerdeführer macht geltend, eine entsprechende Beurteilung seiner Gefährlichkeit könne überhaupt erst nach Haftentlassung getroffen werden. Dem kann nicht gefolgt werden. Zum einen ist nicht erkennbar, warum aus jetziger Sicht im Zeitpunkt der Haftentlassung seine Gefährlichkeit nicht mehr bestehen solle, zumal einem "Wohlverhalten" während der Strafhaft keine maßgebliche Bedeutung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2007/21/0369). Zum anderen ist die Fremdenpolizeibehörde gesetzlich nicht gehindert, ein Aufenthaltsverbot auszusprechen, auch wenn sich der Betroffene (noch) in Haft befindet. Sollten sich die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände geändert haben, steht ohnedies der Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes nach § 65 FPG zur Verfügung.
Gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 FPG ist ein Aufenthaltsverbot, würde dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK (diese Konventionsbestimmung nennt die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung, die Verhinderung von strafbaren Handlungen, den Schutz der Gesundheit und der Moral und den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) genannten Ziele dringend geboten ist. Ein Aufenthaltsverbot darf gemäß § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 2 FPG jedenfalls dann nicht erlassen werden, wenn die Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen und die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen Bedacht zu nehmen.
Bei ihrer Interessenabwägung hat die belangte Behörde ohnehin die für einen Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechenden Umstände berücksichtigt. Auch wenn - wie behauptet - die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers nicht mit diesem nach Ägypten ziehen könne, ändert dies nichts an der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes, weil der Beschwerdeführer und seine Ehefrau im öffentlichen Interesse an der Unterbindung derartiger strafbarer Handlungen eine Trennung in Kauf nehmen müssen.
Soweit der Beschwerdeführer auf eine Bedrohungssituation in Ägypten verweist, kommt dieser Frage bei der Erlassung des Aufenthaltsverbotes keine Relevanz zu.
Die belangte Behörde durfte somit das Aufenthaltsverbot als dringend geboten nach § 66 Abs. 1 FPG und auch als zulässig im Rahmen einer Interessenabwägung nach § 66 Abs. 2 FPG (jeweils iVm § 60 Abs. 6 FPG) werten.
Unter Bedachtnahme auf die rechtskräftige Verurteilung, die nach § 55 Abs. 3 FPG einem Verfestigungstatbestand entgegen stünde, wäre eine Ermessensentscheidung zu Gunsten des Beschwerdeführers nicht im Sinn des Gesetzes gelegen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. August 2007, Zl. 2007/21/0292).
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. März 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008210101.X00Im RIS seit
15.05.2008Zuletzt aktualisiert am
20.06.2009