TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/31 2005/21/0026

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Veröffentlicht am 31.03.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §61 Abs1;
FrG 1997 §69 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des P, vertreten durch Dr. Georg Hesz, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Graf Starhemberggasse 39/15, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 30. September 2004, Zl. UVS- 01/42/7581/2004/3, betreffend Schubhaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 12. August 2004 ordnete die Bundespolizeidirektion Wien gegen den Beschwerdeführer, einen nach seinen Behauptungen sudanesischen Staatsangehörigen, gemäß § 61 Abs. 1 des (bis 31. Dezember 2005 in Geltung gestandenen) Fremdengesetzes 1997 - FrG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, der Zurückschiebung oder der Abschiebung an. Dies wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer am 11. August 2004 in Wien 22 betreten worden sei und die Bundespolizeidirektion Salzburg (richtig: Wien) ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen gehabt hätte. Die Verhängung der Schubhaft sei notwendig, weil zu befürchten sei, dass sich der Beschwerdeführer dem weiteren fremdenrechtlichen Verfahren bzw. (fremdenrechtlichen) Maßnahmen zu entziehen trachten werde, zumal er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Schubhaftbeschwerde als unbegründet ab und erklärte die Fortsetzung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft für rechtmäßig. Der Beschwerdeführer sei am 12. August 2004 festgenommen worden, nachdem er bereits vom 3. März 2004 bis 5. April 2004 inhaftiert gewesen sei. Er sei damals entlassen worden, weil seine Abschiebung in den Sudan nicht möglich gewesen sei. In der Schubhaftbeschwerde sei geltend gemacht worden, dass seit der Entlassung nur fünf Monate vergangen wären und sich in dieser Zeit kaum Entscheidendes geändert haben könnte; außerdem würde der Beschwerdeführer nach wie vor im Sudan verfolgt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der Asylantrag des Beschwerdeführers mit Berufungsbescheid vom 21. September 1999 rechtskräftig abgewiesen worden sei; die dagegen erhobene Beschwerde habe der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 2001 als unbegründet abgewiesen. Mit zweitinstanzlichem Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 19. Oktober 1999 sei gegen den Beschwerdeführer ein befristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Die dagegen an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde sei erfolglos geblieben (Zl. 2000/21/0085). Am 9. Juni 2000 sei der Beschwerdeführer wegen Suchtmittelstraftaten rechtskräftig zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Bundespolizeidirektion Wien habe mit rechtskräftigem Bescheid vom 11. Oktober 2001 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Rechtlich folgerte die belangte Behörde, dass es zum Zeitpunkt der Schubhaftnahme nicht notwendig sei, das Ergebnis eines allfälligen Verfahrens zur Verifizierung eines Abschiebungsverbotes nach § 57 FrG bereits vorher zu wissen. Ein Aufenthaltsverbot könne rechtswirksam erlassen werden, ohne dass zwangsweise eine Abschiebung in das Land folgen müsse, in dem eine Verfolgung behauptet werde oder tatsächlich stattfinde. Da ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer erlassen worden sei und aus den Verwaltungsakten und seinem Vorbringen kein Anhaltspunkt zu entnehmen sei, dass er unverzüglich aus dem Bundesgebiet ausreisen wolle, sei die Schubhaft grundsätzlich zulässig. Da es bekannt sei, dass die Abschiebung eines Fremden mit vermutlich nigerianischer Staatsbürgerschaft erst nach einer langwierigen Korrespondenz mit dem jeweiligen Abschiebestaat möglich sei, gingen die Ausführungen des Beschwerdeführers zu der seines Erachtens überlangen Schubhaftdauer ins Leere. Aus dem Akt gehe hervor, dass die Bundespolizeidirektion Wien unverzüglich nach der Inschubhaftnahme mit der Republik Nigeria zum Zweck der Abschiebung des Beschwerdeführers in Kontakt getreten sei. Der Umstand, dass dessen Abschiebung zu früheren Zeitpunkten nicht möglich gewesen sei, berechtige nicht zur Annahme, dass eine solche in Hinkunft nicht mehr durch die Behörde angestrebt bzw. versucht werden dürfe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:

Soweit der Beschwerdeführer aus seiner Entlassung am 29. November 2004 den Schluss ziehen möchte, dass der Sicherungsbedarf bereits bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr gegeben gewesen sei, kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Angesichts der Umstände, dass gegen ihn (zweimal) ein durchsetzbares und rechtskräftiges Aufenthaltsverbot erlassen wurde, er (nach seinen Angaben in der Niederschrift vom 3. März 2004 vor der BPD Salzburg) versucht hat, mit angeblich gefundenen gefälschten Dokumenten am 31. Jänner 2004 in die Schweiz zu gelangen, im Bereich der Suchtmittelkriminalität strafbar wurde und nicht die geringsten Anzeichen für eine Integration im Inland aus dem Akt ersichtlich sind oder von ihm behauptet wurden, kann die behördliche Ansicht in keiner Weise in Zweifel gezogen werden, dass ein Sicherungsbedarf gegeben sei.

Dennoch kommt der Beschwerde Berechtigung zu.

Der Beschwerdeführer weist nämlich darauf hin, dass er bereits im Jahr 2004 in Schubhaft gewesen sei, ohne dass eine Abschiebung erfolgen habe können. Aus dem Verwaltungsakt ist ersichtlich, dass bereits am 22. Juni 1999 ergebnislos der Antrag an die sudanesische Botschaft gestellt wurde, ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer auszustellen. Dem gemäß wurde ihm mit Bescheid vom 15. Oktober 1999 ein Abschiebungsaufschub nach § 56 Abs. 2 FrG mit der Begründung erteilt, dass seine Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich sei. Mit Bescheid vom 17. Jänner 2004 wies die Bundespolizeidirektion Wien den Antrag auf Erteilung eines (weiteren) Abschiebungsaufschubes gemäß § 56 Abs. 2 FrG mit der Begründung ab, dass eine Abschiebung in den Sudan nicht beabsichtigt sei, weil es sich nach Mitteilung der sudanesischen Botschaft beim Beschwerdeführer nicht um einen sudanesischen Staatsbürger handle.

Dennoch wurde wieder am 4. März 2004 nach Inschubhaftnahme des Beschwerdeführers der Antrag an die Botschaft der Republik Sudan gestellt, für den Beschwerdeführer ein Heimreisezertifikat auszustellen. Laut Aktenvermerk der BPD Salzburg erfolgte die Entlassung des Beschwerdeführers am 5. April 2004, weil die sudanesische Botschaft neuerlich mitgeteilt habe, dass es sich beim Beschwerdeführer nicht um einen Staatsbürger der Republik Sudan handle.

Das Bundespolizeikommissariat Donaustadt hielt in einem Schreiben an die Bundespolizeidirektion Wien am 12. August 2004 nach neuerlicher Schubhaftnahme des Beschwerdeführers in einem Aktenvermerk fest, es dürfe "darauf hingewiesen werden, dass die Identität der in Schubhaft genommenen Person geklärt werden konnte". (Erst) am 9. September 2004 stellte die Bundespolizeidirektion Wien an die Botschaft der Bundesrepublik Nigeria den Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats, wobei sie Identität und Herkunft des Beschwerdeführers als ungeklärt bezeichnete, ihn (jedoch ohne weitere Begründung) als nigerianischen Staatsbürger vermerkte und als Geburtsort aber wieder den vom Beschwerdeführer (etwa bei der bereits zitierten Vernehmung am 3. März 2004 vor der BPD Salzburg) behaupteten, im Sudan gelegenen Ort anführte. Dieses Ersuchen wurde am 3. November 2004 urgiert. Eine Antwort der nigerianischen Botschaft befindet sich nicht im Akt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits ausgesprochen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. November 2005, Zl. 2005/21/0019), dass eine Schubhaft dann nicht rechtmäßig sei, wenn sich die Behörde mit der Frage der Durchführbarkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers trotz massiver Anhaltspunkte für deren Unmöglichkeit nicht beschäftigt habe, obwohl bereits in der Vergangenheit eine Abschiebung nicht zu bewerkstelligen gewesen sei und nunmehr nichts für eine Änderung der Verhältnisse ins Treffen geführt worden sei. Aus den §§ 61 Abs. 1 und 69 Abs. 2 erster Satz FrG ergebe sich nämlich klar, dass eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nur dann rechtens sein könne, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage komme. Daran vermöge der Umstand, dass ein Fremder durch falsche Angaben zu seiner Identität und Staatsangehörigkeit selbst für die Nichterlangung von Reisedokumenten (und damit für die Vereitelung seiner Abschiebung) verantwortlich sein könnte, nichts zu ändern, zumal der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zukommt.

Vorliegend hat weder die Bundespolizeidirektion Wien noch die belangte Behörde auch nur in irgendeiner Weise begründet, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse nun auf eine nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers geschlossen werden und warum die Erlangung eines Heimreisezertifikates dieses Staates als möglich in Betracht kommen könnte.

Aus diesen Erwägungen musste der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufgehoben werden.

Die beantragte Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der verzeichnete Aufwand für eine Verhandlung nicht angefallen ist.

Wien, am 31. März 2008

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005210026.X00

Im RIS seit

08.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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