TE Vfgh Erkenntnis 2003/6/11 V93/02

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Veröffentlicht am 11.06.2003
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Index

L5 Kulturrecht
L5500 Baumschutz, Landschaftsschutz, Naturschutz

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs5 / Fristsetzung
Tir NaturschutzG 1997 §13 Abs2
Tir NaturschutzG 1997 §21
Verordnung über die Erklärung der "Kranebitter Innau" im Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck zum geschützten Landschaftsteil §3 Abs2

Leitsatz

Keine gesetzliche Deckung eines Betretungsverbotes in einer Verordnung betreffend die Erklärung eines Gebietes zum geschützten Landschaftsteil im Tiroler Naturschutzgesetz

Spruch

§3 Abs2 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck als Bezirksverwaltungsbehörde über die Erklärung der "Kranebitter Innau" im Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck zum geschützten Landschaftsteil (Geschützter Landschaftsteil Kranebitter Innau) (kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel sowie im Boten für Tirol Nr. 1020/1993) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 30. Juni 2004 in Kraft.

Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B760/02 eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol anhängig, mit dem die vom Beschwerdeführer erhobene Maßnahmenbeschwerde gegen seine Festnahme durch Organe der Bergwacht Tirol als unbegründet abgewiesen wurde. Diese Festnahme erfolgte wegen Übertretung des durch §3 Abs2 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck als zuständige Bezirksverwaltungsbehörde über die Erklärung der "Kranebitter Innau" im Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck zum geschützten Landschaftsteil (Geschützter Landschaftsteil Kranebitter Innau) verfügten Betretungsverbots.

1.2. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 12. Dezember 2002 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des §3 Abs2 der genannten Verordnung einzuleiten.

2.1. Diese auf §13 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991, LGBl. Nr. 29, gestützte, mit 14. September 1993 datierte Verordnung, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel sowie im Boten für Tirol Nr. 1020/1993, lautet auszugsweise (die in Prüfung gezogene Bestimmung ist hervorgehoben):

"§1

(1) Das in der Anlage dargestellte, rotumrandete Gebiet im Bereich der Landeshauptstadt Innsbruck wird wegen seiner Bedeutung für den Naturhaushalt, insbesondere zur Erhaltung der heimischen Vogelwelt und einer sich dynamisch entwickelnden Flußau, sowie zur Belebung des Landschaftsbildes zum geschützten Landschaftsteil erklärt (Geschützter Landschaftsteil Kranebitter Innau).

(2) Der westliche Bereich dieses geschützten Landschaftsteiles, für den ein zusätzliches Verbot festgesetzt wird (§3 Abs2), ist in dem die Anlage bildenden Plan gelbgefärbelt ausgewiesen.

(3) Der geschützte Landschaftsteil hat eine Größe von

162.736 m2.

§2

(1) Der geschützte Landschaftsteil umfasst die [...] Grundstücke [...]

(2) Die Grenze des Schutzgebietes hat folgenden Verlauf:

[...]

(3) Der im §1 Abs2 erwähnte Bereich erstreckt sich auf [...]

§3

(1) Im geschützten Landschaftsteil ist verboten:

a) [...]

(2) Das Betreten des im §1 Abs2 erwähnten Bereiches des geschützten Landschaftsteiles ist während der Zeit vom 1. Februar bis 15. Mai jeden Jahres verboten.

(3) [...] Das Betretungsverbot im Sinne des §3 Abs2 gilt nicht für Begehungen durch Amtsorgane in Vollziehung der Gesetze.

§4

Die Entscheidung über ein Ansuchen um Erteilung einer Ausnahmebewilligung von den im §3 festgesetzten Verboten obliegt nach §40 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 der jeweils zuständigen Behörde. Eine naturschutzrechtliche Bewilligung darf nur unter den im §27 Abs2 Tiroler Naturschutzgesetz 1991 normierten Voraussetzungen erteilt werden.

§5

Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen dieser Verordnung werden nach §43 Abs2 litc) des Tiroler Naturschutzgesetzes 1991 bestraft.

§6

(1) Diese Verordnung tritt mit dem Ablauf des Tages der Kundmachung in Kraft.

(2) [...]"

2.2. Das Tiroler Naturschutzgesetz 1991 trat mit Inkrafttreten des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997, LGBl. Nr. 33, - am 1. Juni 1997 - außer Kraft. Die für den vorliegenden Fall maßgebliche Bestimmung über den geschützten Landschaftsteil blieb im Wesentlichen unverändert; diese Bestimmung - §13 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 - lautet:

"§13

Geschützter Landschaftsteil

(1) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann Teile der Landschaft, die weder in einem Schutzgebiet nach den §§10, 11, 20 oder 21 liegen, noch die Voraussetzungen für die Erklärung zum Naturdenkmal (§25) aufweisen, die jedoch für den Naturhaushalt, besonders für das Kleinklima oder für die Tier- und Pflanzenwelt, von Bedeutung sind oder die zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen, durch Verordnung zu geschützten Landschaftsteilen erklären.

(2) In Verordnungen nach Abs1 sind, soweit dies im Einzelfall zur Erhaltung der für die Erklärung zum geschützten Landschaftsteil bedeutsamen Merkmale erforderlich ist, die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Ausführung sonstiger Vorhaben zu verbieten."

3.1. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Prüfungsbeschluss vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und dass er bei seiner Entscheidung §3 Abs2 der genannten Verordnung anzuwenden hat.

3.2. In der Sache hegte der Gerichtshof das Bedenken, dass das mit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung normierte Betretungsverbot im geschützten Landschaftsteil keine gesetzliche Grundlage im Tiroler Naturschutzgesetz 1997 haben dürfte. Begründend wird im Prüfungsbeschluss ausgeführt:

"2.1. Nach §13 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 kann die Bezirksverwaltungsbehörde unter näher umschriebenen Voraussetzungen Teile der Landschaft, die für den Naturhaushalt, besonders für das Kleinklima oder für die Tier- und Pflanzenwelt, von Bedeutung sind oder die zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen, durch Verordnung zu geschützten Landschaftsteilen erklären. §13 Abs2 leg. cit. sieht vor - soweit dies im Einzelfall zur Erhaltung der für die Erklärung zum geschützten Landschaftsteil bedeutsamen Merkmale erforderlich ist - in einem geschützten Landschaftsteil 'die Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen sowie die Ausführung sonstiger Vorhaben zu verbieten'.

In §3 Abs2 der oben zitierten Verordnung, die sich auf §13 Tiroler Naturschutzgesetz stützt, ist nun auch normiert, dass das 'Betreten' eines näher umschriebenen Bereichs des geschützten Landschaftsteils in einem bestimmten Zeitraum jeden Jahres verboten ist.

2.2. Der Begriff 'Ausführung sonstiger Vorhaben' in §13 Abs2 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 mag zwar vom Gesetzgeber im Sinne eines Auffangtatbestandes neben den in derselben Bestimmung exemplarisch genannten Vorhaben, nämlich der 'Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen', gewählt worden sein. Die Auffassung, dass auch das Betreten eine 'Ausführung sonstiger Vorhaben' iSd. §13 Abs2 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 darstellen soll, vermag der Verfassungsgerichtshof aber vorläufig nicht zu teilen. Aus den Regelungen des §21 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 (§21 Abs5 enthält - als einzige Bestimmung dieses Gesetzes - eine ausdrückliche Regelung über ein Betretungsverbot) scheint sich nämlich zu ergeben, dass der Gesetzgeber zwischen dem Betreten eines geschützten Gebietes einerseits und der Ausführung von Vorhaben andererseits unterscheiden dürfte.

Gemäß §21 Abs2 leg. cit. ist in Sonderschutzgebieten 'jeder Eingriff in die Natur' verboten; Ausnahmen dürfen nur für bestimmte, in dieser Bestimmung näher umschriebene Maßnahmen bzw. Zwecke bewilligt werden. §21 Abs4 zufolge dürfen die 'nach anderen landesrechtlichen Vorschriften erforderlichen Bewilligungen für Vorhaben, die nach Abs2 verboten sind' erst nach Vorliegen einer rechtskräftigen naturschutzrechtlichen Ausnahmebewilligung erteilt werden. §21 Abs5 enthält schließlich die ausdrückliche Ermächtigung, soweit dies jeweils zur Erhaltung des betreffenden Sonderschutzgebietes erforderlich ist, 'entweder für den gesamten Bereich des Sonderschutzgebietes oder für Teile davon das Betreten zu verbieten'. Dieses Verbot gilt jedoch 'nicht für die Ausführung von Vorhaben, für die nach Abs2 eine naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung erteilt worden ist'.

Im Hinblick auf die ausdrückliche Ermächtigung in §21 Abs5 Tiroler Naturschutzgesetz 1997, das Betreten eines Sonderschutzgebietes zu verbieten, dürfte - bei systematischer Interpretation des §13 Abs2 leg. cit. - ein allgemeines Betretungsverbot nicht auf die gesetzliche Ermächtigung, die 'Ausführung sonstiger Vorhaben' zu verbieten, gestützt werden können.

2.3. Zusammengefasst hegt der Verfassungsgerichtshof sohin das Bedenken, dass das mit der in Prüfung gezogenen Bestimmung der Verordnung normierte Betretungsverbot im geschützten Landschaftsteil keine gesetzliche Grundlage im Tiroler Naturschutzgesetz 1997 haben dürfte."

4.1. Die Tiroler Landesregierung hat ihre auf die Verordnung Bezug habenden Akten vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der sie die Gesetzmäßigkeit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung wie folgt verteidigt:

"Die Tiroler Landesregierung kann sich dieser unter Heranziehung der systematischen Interpretation gewonnenen vorläufigen Annahme des Verfassungsgerichtshofes nicht anschließen. Dies aus folgenden Überlegungen:

1 Das Tiroler Naturschutzgesetz 1997 besteht im hoheitlichen Bereich - vereinfachend dargestellt - aus zwei Ebenen. Zur ersten zählen etwa der §5, der bestimmte Vorhaben im gesamten Landesgebiet generell verbietet, und der §6, der die Ausführung bestimmter Vorhaben außerhalb geschlossener Ortschaften einer subsidiären Bewilligungspflicht unterwirft. Weiters sind die §§7 bis 9 zu nennen, mit denen besonders sensible Gebiete außerhalb geschlossener Ortschaften einem speziellen Schutz unterstellt werden. Schließlich gehören dazu noch die Sonderbestimmungen für Werbeeinrichtungen nach §15, der §16 über die Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, die tier- und pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen in den §§22 bis 24, der Schutz von Mineralien, Fossilien und Naturhöhlen nach §26 usw. Allen diesen Regelungen gemeinsam ist ihr weiter Anwendungsbereich, sie gelten (wenn auch teilweise nur subsidiär) im Wesentlichen für das gesamte Landesgebiet und überlagern aufgrund ihres generellen Charakters die zweite Ebene des Gesetzes, insbesondere die Bestimmungen über die Erklärung von Schutzgebieten nach den §§10, 11, 13 und 20 und von Naturdenkmälern nach §25. Beispielsweise ist auch in einem geschützten Landschaftsteil die Durchführung von Motorsportwettbewerben, die Personenbeförderung mit Hubschraubern für touristische Zwecke oder die Verwendung von Motorbooten nach Maßgabe des §5 verboten, und es sind - sofern im geschützten Landschaftsteil Gewässer, Auwälder oder Feuchtgebiete vorkommen - vor der Ausführung der in den §§7 bis 9 genannten Vorhaben die entsprechenden naturschutzrechtlichen Bewilligungen zu erwirken. Die §§10, 11, 13 und 20 verbindet ein beschränkter territorialer und inhaltlicher Anwendungsbereich, sie regeln den Gegenstand unterhalb der ersten Ebene abschließend. Im Bereich der Schutzgebiete herrscht aufgrund des Legalitätsgebotes nach Art18 B-VG ein Typenzwang, es dürfen durch die Vollziehung weder neue Arten von Schutzgebieten geschaffen, noch die Elemente der einzelnen Typen vermengt oder andere als die gesetzlich angeführten Vorhaben an eine naturschutzrechtliche Bewilligung gebunden oder verboten werden.

2 Sonderschutzgebieten nach §21 kommt als der strengsten aller Schutzgebietskategorien auch eine Sonderstellung zu. Zum Unterschied von den §§10 Abs2, 11 Abs3, 13 Abs2 und 20 Abs2 obliegt die Festlegung der bewilligungspflichtigen bzw. verbotenen Vorhaben nicht der Vollziehung, vielmehr verbietet der Gesetzgeber selbst grundsätzlich jeden Eingriff in die Natur (eine ähnliche Rechtstechnik findet sich nur noch bei Ruhegebieten im §11 Abs2). Wenn nun der Verfassungsgerichtshof die im §21 Abs5 enthaltene Ermächtigung zur Normierung eines Betretungsverbotes zur Auslegung des §13 Abs2 heranzieht, so wird damit nicht nur die soeben dargestellte inhaltliche Exklusivität negiert, sondern diese Bestimmung auch aus ihrem Zusammenhang gerissen. Der Ermächtigung zur Festlegung eines gänzlichen oder teilweisen Betretungsverbotes in Sonderschutzgebieten kommt lediglich ein 'Antwortcharakter' in Bezug auf das Verbot eines jeden Eingriffs in die Natur zu, weil ja nicht von vorneherein klar ist, ob das bloße Betreten geeignet ist, einen solchen verbotenen Eingriff zu bewirken. In den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (Nr. 1 der Beilagen zu den Protokollen des Tiroler Landtages, XII. GP., 1. Sitzung der 9. Tagung) wird auf diese Frage dezidiert eingegangen: 'Das bloße Betreten eines Gebietes bildet für sich allein nur in Ausnahmefällen einen Eingriff in die Natur. Soll die Allgemeinheit aus besonderen Gründen keinen Zugang zu einem Sonderschutzgebiet erhalten, so kann nach §21 Abs5 eine entsprechende Verordnung erlassen werden.'

3 Bei richtigem Verständnis der Strukturen des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 verbietet es sich daher, Inhalte von Bewilligungs- oder Verbotstatbeständen der einen Schutzgebietskategorie zur Auslegung des Begriffsinhaltes einer anderen heranzuziehen.

4 Aufgrund der Geschlossenheit der einzelnen Schutzgebietsregime ist die Frage, ob das in einer Verordnung über die Erklärung eines Gebietes zum geschützten Landschaftsteil enthaltene - partielle und temporäre - Betretungsverbot eine Deckung im Tiroler Naturschutzgesetz 1997 findet, allein aus der Formulierung des §13 Abs2 zu beantworten.

5 Es fällt auf, dass der Verfassungsgerichtshof zur Auslegung der Worte 'Ausführung sonstiger Vorhaben' primär die systematische Interpretation heranzieht, obwohl die Verbalinterpretation und die grammatikalische Interpretation in seiner Rechtsprechung einen hohen Stellenwert einnehmen (vgl. etwa die Erkenntnisse VfSlg 12.322, 13.197, 14.179, 14.827, 14.861, 15.058 und 15.231). Nach der 'eigentümliche Bedeutung der Worte' im Sinne des §6 ABGB hat das Substantiv 'Vorhaben' den Inhalt von 'etwas, was jemand zu tun beabsichtigt' (Duden, Bedeutungswörterbuch, Band 10) oder 'was jemand vorhat' (Duden, das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Auflage, 1995). Daraus ergibt sich auch, dass der Ausdruck 'Ausführung sonstiger Vorhaben' nicht der Auffangtatbestand zur 'Errichtung, Aufstellung und Anbringung von Anlagen' sein kann, sondern verbal und grammatikalisch den Überbegriff für sämtliche - nicht nur anlagenbezogene - Verhaltensweisen des Menschen, die einen möglichen Eingriff in die Natur bewirken können, darstellt.

6 Dieses Ergebnis wird durch eine Vielzahl anderer Beispiele im Tiroler Naturschutzgesetz 1997 gestützt. So gelten insbesondere auch

a) nach §6 die dauernde Bereitstellung von Grundstücken zur Ausübung des Motorsports (litg), die Verwendung von Kraftfahrzeugen (litj) und die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen (litl),

b) in Auwäldern nach §8 jede Intensivierung der Weidenutzung (litd),

c) in Feuchtgebieten nach §9 das Einbringen von Material (lita) und die Verwendung von Kraftfahrzeugen (litg),

d) in Landschaftsschutzgebieten nach §10 die Durchführung von Außenlandungen und Außenabflügen mit motorbetriebenen Luftfahrzeugen (litf), jede erhebliche Lärmentwicklung (litg) und die Verwendung von Kraftfahrzeugen (liti),

als bewilligungspflichtige Vorhaben bzw. als Vorhaben, für die durch Verordnung eine Bewilligungspflicht festgelegt werden kann. Diese Lebenssachverhalte haben regelmäßig mit der Errichtung, Aufstellung oder Anbringung von Anlagen nichts zu tun. Unter 'Anlage' ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nämlich alles zu verstehen ist, was durch die Hand des Menschen zweckbestimmt erstellt (angelegt) wird (vgl. die Erkenntnisse vom 10. September 1964, 1847/63, 970/64 und 974/64 und vom 4. November 2002, 2001/10/0026).

7 Da die Ermächtigung im §13 Abs2 'Ausführung sonstiger Vorhaben' im Wege der verbalen und grammatikalischen Interpretation als Überbegriff zu den anlagenbezogenen Tätigkeiten als etwas, 'was jemand zu tun beabsichtigt' verstanden werden muss, könnten nach Ansicht der Tiroler Landesregierung in einem geschützten Landschaftsteil sehr wohl z.B. auch die Verwendung von Kraftfahrzeugen oder Fahrrädern, die erhebliche Lärmentwicklung, die Verwendung von Hänge- und Paragleitern unterhalb einer bestimmten Höhe, das freie Laufenlassen von Hunden, das Baden, das Lagern oder eben das Betreten verboten werden. Dass die Normierung eines Betretungsverbotes im §3 Abs2 der verfahrensgegenständlichen Verordnung zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes fachlich nicht gerechtfertigt wäre, wird im Einleitungsbeschluss nicht behauptet.

8 Sollte der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsmeinung nicht teilen, so möge für die Aufhebung der in Prüfung stehenden Bestimmung eine Frist von wenigstens einem Jahr gesetzt werden, weil zur Aufrechterhaltung eines aus naturschutzfachlicher Sicht unerlässlichen Betretungsverbotes gesetzliche Vorkehrungen im Sinne des Art139 Abs5 B-VG erforderlich sind."

4.2. Die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck hat die Verordnungsakten vorgelegt. Sie vertritt in ihrer - verspäteten - Äußerung die Auffassung, dass die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung durch §13 Abs2 des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997 gedeckt ist. Begründend wird dazu u.a. ausgeführt:

"Bezüglich der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, dass das Verbot der Ausführung sonstiger Vorhaben nicht auch das Verbot des Betretens beinhalte, erlaubt sich die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck dazu Folgendes auszuführen:

'Vorhaben' bedeutet laut Duden 'etwas was man zu tun beabsichtigt'. Das heißt eine Verhaltensweise die darauf ausgerichtet ist, etwas Bestimmtes durchzuführen, etwas Bestimmtes zu erledigen, sich in einer bestimmten Weise mit etwas zu beschäftigen.

Dass mit dem Begriff 'Vorhaben' lediglich die Errichtung, Anbringung oder Änderung von 'Anlagen' verknüpft werden kann, kann nach ha. Ansicht nicht abgeleitet werden. Insbesondere kann nicht jede menschliche Verhaltensweise die einen Eingriff in die Natur bewirkt bzw. können nicht alle Maßnahmen die einen Eingriff in die Natur bewirken und der Zielsetzung der einzelnen Schutzgebietskategorien zuwider laufen als 'Anlage' verstanden werden.

Eine dieser Ansicht folgende vergleichbare Bestimmung enthält im Übrigen das Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz. Nach §2 Abs2 leg.cit. ist hienach unter Vorhaben die Errichtung einer Anlage oder ein sonstiger Eingriff in Natur und Landschaft sowie sämtliche damit in einem räumlichen Zusammenhang stehende Maßnahmen zu verstehen.

Mit dem Terminus 'Eingriff' hat sich bereits der Verwaltungsgerichtshof in mehreren Erkenntnissen befasst. Insbesondere im Erkenntnis Slg. Nr. 7594/A/1968 wurde ausgesprochen, dass darunter nur eine Maßnahme zu verstehen ist, die eine Veränderung des bis dahin gegebenen Zustandes bewirkt.

Das wiederum würde bedeuten, dass jegliche menschliche Verhaltensweise - also auch das bloße Betreten eines bestimmten Bereiches - die eine Veränderung des gegebenen Zustandes bewirkt (Störung der Brutvögel), als Eingriff in die Natur und sohin auch als 'sonstiges Vorhaben' qualifiziert werden könnte.

Zusammenfassend vertritt daher die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck die Ansicht, dass die Erlassung eines Betretungsverbotes von der Verordnungsermächtigung des §13 Abs2 des Tiroler Naturschutzgesetzes gedeckt ist, unter dem Überbegriff 'Ausführung sonstiger Vorhaben' subsumiert werden kann und sohin keine gesetzwidrige Verordnung der Bezirksverwaltungsbehörde vorliegt."

II. 1. Im Verfahren ist nichts hervorgekommen, was den vorläufigen Annahmen über die Zulässigkeit des Anlassbeschwerdeverfahrens bzw. über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmung entgegenstehen könnte. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen gegeben sind, erweist sich das Verfahren als zulässig.

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat im Prüfungsbeschluss das Bedenken gehegt, dass das mit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung normierte Betretungsverbot im Tiroler Naturschutzgesetz 1997 keine Deckung finde: Im Hinblick auf die ausdrückliche Ermächtigung in §21 Abs5 leg. cit., das Betreten eines Sonderschutzgebietes unter bestimmten Voraussetzungen zu verbieten, dürfte nämlich - bei systematischer Interpretation des §13 Abs2 leg. cit. - ein allgemeines Betretungsverbot im geschützten Landschaftsteil nicht auf die gesetzliche Ermächtigung zum Verbot der "Ausführung sonstiger Vorhaben" gestützt werden können.

2.2. Die Tiroler Landesregierung führt dazu in ihrer Äußerung aus, dass Sonderschutzgebiete nach §21 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 die "strengsten aller Schutzgebietskategorien" darstellen. Die Festlegung der bewilligungspflichtigen bzw. verbotenen Vorhaben obliege dabei - anders als etwa nach §13 Abs2 leg. cit. - nicht der Vollziehung, vielmehr verbiete der Gesetzgeber selbst grundsätzlich jeden Eingriff in die Natur. Die ausdrückliche Ermächtigung zur Normierung eines Betretungsverbots in §21 Abs5 leg. cit. sei deshalb erforderlich, weil "nicht von vorneherein klar ist", ob das bloße Betreten geeignet ist, einen - durch §21 Abs2 leg. cit. verbotenen - "Eingriff in die Natur" zu bewirken.

"Bei richtigem Verständnis der Strukturen des Tiroler Naturschutzgesetzes 1997" verbiete es sich daher, "Inhalte von Bewilligungs- oder Verbotstatbeständen der einen Schutzgebietskategorie zur Auslegung des Begriffsinhaltes einer anderen heranzuziehen". Ob das mit der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung normierte Betretungsverbot im geschützten Landschaftsteil eine Deckung im Tiroler Naturschutzgesetz 1997 findet, sei daher allein aus der Formulierung des §13 Abs2 leg. cit. zu beantworten. Die "Ausführung sonstiger Vorhaben" iS dieser Bestimmung stelle "verbal und grammatikalisch den Überbegriff für sämtliche [...] Verhaltensweisen des Menschen, die einen möglichen Eingriff in die Natur bewirken können" dar und umfasse somit auch das Betreten. Auch in der Äußerung der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck wird diese Auffassung vertreten.

2.3. Der Verfassungsgerichtshof vermag sich dieser Ansicht nicht anzuschließen. Es mag zwar zutreffen, dass der Wortlaut des §13 Abs2 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 selbst insofern unpräzise ist, als er es der Auslegung überlässt, ob der Begriff "Ausführung sonstiger Vorhaben" auch das bloße Betreten umfasst. Diese Bestimmung ist jedoch im systematischen Gesamtzusammenhang zu lesen und ihr Wortlaut sodann entsprechend zu interpretieren.

In §6 leg. cit. wird eine allgemeine Bewilligungspflicht geregelt. Diese Bestimmung zählt in den lita bis l "Vorhaben" auf, die außerhalb geschlossener Ortschaften einer naturschutzrechtlichen Bewilligung bedürfen. Schon aus dieser Aufzählung ergibt sich, dass der Landesgesetzgeber mit dem Begriff "Vorhaben" mehrere Tatbestände, u. a. die in dieser Bestimmung genannten, erfasst wissen wollte.

In der Folge werden spezielle Schutzbereiche geregelt. So enthält §10 eine ausdrückliche Regelung für Landschaftsschutzgebiete, §11 für Ruhegebiete, §12 für Naturparks, §20 für Naturschutzgebiete und §21 für Sonderschutzgebiete.

In §13 werden die Bezirksverwaltungsbehörden ermächtigt, Teile der Landschaft, die weder in einem Schutzgebiet nach den §§10, 11, 20 oder §21 liegen, noch die Voraussetzungen für die Erklärung zum Naturdenkmal (§25) aufweisen, die jedoch für den Naturhaushalt, besonders für das Kleinklima oder für die Tier- und Pflanzenwelt, von Bedeutung sind oder die zur Belebung des Landschaftsbildes beitragen, zu geschützten Landschaftsteilen zu erklären.

Entgegen der Auffassung der Tiroler Landesregierung kann - im Lichte dieser Systematik - dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass er mit der in §13 Abs2 leg. cit. gewählten Formulierung "Ausführung sonstiger Vorhaben" die verordnungserlassende Behörde ermächtigen wollte, auch das Betreten untersagen zu können. Dies aus zwei Gründen:

a) Geschützte Landschaftsteile nach §13 leg. cit. unterliegen - wie auch die Tiroler Landesregierung in ihrer Äußerung ausführt - einem weniger strengen Schutz als Sonderschutzgebiete nach §21 leg. cit., in denen grundsätzlich "jeder Eingriff in die Natur" verboten ist. Selbst in Sonderschutzgebieten darf aber das Betreten - nach dem ausdrücklichen Wortlaut der Verordnungsermächtigung des §21 Abs5 - nur verboten werden, "soweit dies jeweils zur Erhaltung des betreffenden Sonderschutzgebietes erforderlich ist". Ein solches Betretungsverbot gilt wiederum nicht für die "Ausführung von Vorhaben, für die nach Abs2 eine naturschutzrechtliche Ausnahmebewilligung erforderlich ist".

In Anbetracht dessen, dass der Gesetzgeber in §21 Abs5 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 - betreffend Sonderschutzgebiete - zwischen dem "Betreten" einerseits und der "Ausführung von Vorhaben" andererseits unterscheidet, und dass überdies selbst in Sonderschutzgebieten - die den "strengsten" Schutz genießen - für die Normierung eines Betretungsverbots eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage besteht, kann die Wortfolge "Ausführung sonstiger Vorhaben" in §13 Abs2 Tiroler Naturschutzgesetz 1997 - betreffend den geschützten Landschaftsteil - nicht so verstanden werden, dass sie auch das Betreten erfasst.

b) Die Tiroler Landesregierung übersieht auch, dass die Erklärung zu einem geschützten Landschaftsteil im Sinne des §13 durch Verordnung der Bezirksverwaltungsbehörde auch für Fälle Platz greift, in denen Landschaftsteile erfasst sein können, für die zwar nicht die Voraussetzungen zur Erklärung zu einem Ruhegebiet iSd. §11 leg. cit. vorliegen, die aber auch eine entsprechende Funktion erfüllen sollen. Dies bedingt aber geradezu - um dem Zweck des Gesetzes zu entsprechen - das Betreten dieses Landschaftsteils. Dass in einem geschützten Landschaftsteil das Betreten unter dem Titel "sonstiger Vorhaben" verboten werden können soll, kann der Verfassungsgerichtshof bei den gegebenen gesetzlichen Grundlagen nicht finden.

Gesamthaft gesehen verkennen die Tiroler Landesregierung und die Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck aber auch insoweit die Systematik des Gesetzes, als sie den Begriff der "Ausführung sonstiger Vorhaben" iSd. §13 Abs2 leg. cit. offenbar mit jenem des "Eingriff[s] in die Natur" (vgl. §21 Abs2 leg. cit.) gleichsetzen.

2.4. Für das mit §3 Abs2 der Verordnung des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Innsbruck als zuständige Bezirksverwaltungsbehörde über die Erklärung der "Kranebitter Innau" im Gebiet der Landeshauptstadt Innsbruck zum geschützten Landschaftsteil (Geschützter Landschaftsteil Kranebitter Innau) festgelegte Betretungsverbot fehlt somit eine gesetzliche Grundlage im Tiroler Naturschutzgesetz 1997.

Das im Prüfungsbeschluss dargelegte Bedenken hat sich daher als zutreffend erwiesen, weshalb die in Prüfung gezogene Verordnungsbestimmung als gesetzwidrig aufzuheben war.

3. Der Ausspruch über das Inkrafttreten der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 dritter Satz B-VG. Im Hinblick darauf, dass gesetzliche Vorkehrungen erforderlich sind, um ein - wie die Tiroler Landesregierung nachdrücklich dargestellt hat, "aus naturschutzfachlicher Sicht unerlässliches" - Betretungsverbot im geschützten Landschaftsteil zu ermöglichen, konnte für das Außerkrafttreten eine sechs Monate überschreitende Frist bestimmt werden.

Der Ausspruch über die der Tiroler Landesregierung auferlegte Kundmachungspflicht gründet sich auf Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §60 Abs2 (iVm §61) VfGG.

4. Dies konnte ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden (§19 Abs4 erster Satz VfGG).

Schlagworte

Naturschutz, Landschaftsschutz, VfGH / Fristsetzung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V93.2002

Dokumentnummer

JFT_09969389_02V00093_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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