TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/31 2006/21/0326

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Veröffentlicht am 31.03.2008
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §54 Abs1 Z2;
FrPolG 2005 §66;
FrPolG 2005 §86 Abs2;
MRK Art8;
NAG 2005 §30;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde der M, vertreten durch Mag. Dr. Ingrid Weber, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Rotenturmstraße 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 25. September 2006, Zl. Fr 1239/05, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 54 Abs. 1 Z. 2 iVm § 86 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG aus dem Bundesgebiet aus.

Zur Begründung dieser Maßnahme verwies sie darauf, dass die Beschwerdeführerin (nach ihrer am 9. April 2004 erfolgten Einreise) am 23. April 2004 den österreichischen Staatsangehörigen W. lediglich zu dem Zweck geheiratet habe, um für Österreich einen Aufenthaltstitel sowie eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung zu erhalten. Der Beschwerdeführerin sei eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Österreich" mit einer Gültigkeit bis zum 5. Mai 2005 erteilt worden. Am 11. April 2005 habe sie einen Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung für denselben Aufenthaltszweck eingebracht und sich auch dabei auf die Ehe mit

W. berufen.

W. sei am 31. März 2005 einvernommen worden und habe dabei angegeben, die Ehe mit der Beschwerdeführerin über ihren Vorschlag lediglich deshalb geschlossen zu haben, um ihr die Erlangung eines Aufenthaltstitels zu ermöglichen. "Um die Eheschließung in besserem Licht erscheinen zu lassen", hätten sich beide im April 2004 an einer gemeinsamen Adresse polizeilich gemeldet. Einen tatsächlichen gemeinsamen Haushalt hätte es "auf Dauer gesehen" jedoch nie gegeben. Auch führten sie keine Lebensgemeinschaft im Sinn einer Ehe; die Eheschließung habe nur den Zweck verfolgt, den Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Österreich zu ermöglichen und zu legalisieren. So habe bereits bei der Heirat jeder seinen Familiennamen beibehalten. Auch hätten sie die Verwandtschaft nicht über die Eheschließung informiert.

W. könne die Adresse der Beschwerdeführerin nicht nennen und sei auch noch nie in ihrer Wohnung gewesen. Ebenso sei ihm nicht bekannt, ob dort noch weitere Personen wohnten. Auch an seinem Wohnsitz habe ihn die Beschwerdeführerin, die über seine näheren Lebensumstände nicht in Kenntnis sei, noch nie besucht. Man könne daher die Ehe im "weitläufigen Sinn als Scheinehe" bezeichnen.

Die Beschwerdeführerin sei mit Schreiben der Erstbehörde vom 12. April 2005 von diesem Beweisergebnis verständigt worden. Dabei sei ihr mitgeteilt worden, dass ihre Ausweisung aus dem Bundesgebiet beabsichtigt sei. Sie habe dazu eine Stellungnahme abgegeben und im Wesentlichen ausgeführt, die Ehe mit W. "aus ehrbaren Motiven geschlossen" zu haben, wobei die Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile "nicht vordergründig" gewesen sei. Die Angaben des W. wären nicht nachvollziehbar. Der Umstand, dass die Ehegatten "werktags" an zwei verschiedenen Orten aufhältig seien, wäre mit der jeweiligen beruflichen Tätigkeit (diese wird näher dargestellt) zu begründen.

Eine Anfrage beim Standesamt Zwettl am 22. September 2006 habe ergeben, dass die Ehe mit W. noch aufrecht sei.

Die belangte Behörde nehme daher als erwiesen an, dass sich die Beschwerdeführerin bei der (erstmaligen) Beantragung der Niederlassungsbewilligung und beim Antrag auf Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung am 11. April 2005 entgegen § 30 Abs. 1 NAG auf die Ehe mit W. berufen habe, obwohl sie ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht geführt habe. Dies gehe aus der Aussage des W. (von Anfang an getrennte Wohnsitze, Fehlen einer Lebensgemeinschaft und in der Folge selbst gegenseitiger Besuche) zweifelsfrei hervor. Den gegenteiligen Ausführungen der Beschwerdeführerin könne nicht gefolgt werden.

Dieses Verhalten der Beschwerdeführerin rechtfertige die Annahme, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung gefährde, und stelle einen evidenten Rechtsmissbrauch dar.

Über entsprechendes Berufungsvorbringen (die Beschwerdeführerin sei bereits von 1973 bis 1985 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig gewesen und habe auch danach - wenn auch mit Unterbrechungen - "ihre Niederlassung abermals im Bundesgebiet begründet und ihren Niederlassungswillen nie aufgegeben") sei aus dem aktuellen Auszug aus dem Zentralmelderegister festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin vom 25. April 1983 bis 16. Jänner 2004 mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet worden sei. Am 16. Jänner 2004 sei "auf Grund der Erhebungen anlässlich der Volkszählung 2001" ihre amtliche Abmeldung erfolgt. Für den Aufenthalt in Österreich sei sie jedoch nicht im Besitz von Aufenthaltstiteln gewesen, sodass nicht von einer Niederlassung ausgegangen werden könne. Sie sei höchstens vorübergehend im Bundesgebiet aufhältig gewesen und dabei auch keiner legalen Beschäftigung nachgegangen. Ihr Aufenthalt in Österreich ab dem 9. April 2004 stelle daher jedenfalls einen Neuzuzug dar.

Außer dem "Ehegatten" W., mit dem sie kein gemeinsames Familienleben führe, habe die Beschwerdeführerin keine Angehörigen in Österreich. Sie gehe jedoch seit 5. Juli 2004 einer Beschäftigung im Bundesgebiet nach und verfüge somit über soziale und berufliche Bindungen in Österreich. Somit sei ein Eingriff in ihr Privat- oder Familienleben zu bejahen. Jedoch sei der Zugang zum Arbeitsmarkt in Österreich lediglich infolge der durch die Scheinehe herbeigeführten Täuschung der Behörde ermöglicht worden. Nur deshalb habe die Beschwerdeführerin keine Berechtigung nach dem AuslBG benötigt, sodass die aus der Berufstätigkeit ableitbare Integration als geschmälert anzusehen sei. Die Integration eines Fremden im Gastland setze "auch ein gewisses Maß an Rechtstreue voraus". Insgesamt könne daher nicht davon ausgegangen werden, die Beschwerdeführerin wäre "besonders integriert" gewesen. Auf Grund der massiven Umgehung der österreichischen Rechtsordnung sei die Ausweisung dringend geboten.

Zu keinem anderen Ergebnis führe die Beurteilung des Ermessensspielraumes der Behörde. Wesentlich zu berücksichtigende Elemente zu Gunsten der Beschwerdeführerin seien nämlich nicht erkennbar.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Gemäß § 54 Abs. 1 FPG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verlängerungsverfahrens im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z. 1), oder wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z. 2).

§ 30 Abs. 1 NAG ordnet an, dass Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben iSd Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen dürfen.

Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die der Feststellung des Fehlens eines gemeinsamen Familienlebens mit W. zu Grunde liegende Beweiswürdigung der belangten Behörde. Sie macht geltend, dass sie nicht (niederschriftlich) einvernommen worden sei, sodass sie nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt habe und ihr rechtliches Gehör verletzt worden wäre.

Diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu: Der Verwaltungsgerichtshof hegt im Rahmen der ihm obliegenden Schlüssigkeitsprüfung keine Bedenken dagegen, dass die belangte Behörde der überzeugenden und detailreich geschilderten Aussage des Zeugen W. gefolgt ist. Die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin hat sich in ihrer Stellungnahme vom 28. April 2005 und in ihrer Berufung vom 31. Mai 2005 hingegen im Wesentlichen darauf beschränkt, inhaltlich nicht konkretisierte "ehrbare Motive" für die Eheschließung, für die die Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile "nicht vordergründig" gewesen sei, zu behaupten. Der unterschiedliche Aufenthalt "werktags" sei mit der jeweiligen beruflichen Tätigkeit zu begründen. Im Übrigen - etwa die Zeit außerhalb der Berufstätigkeit betreffend - ist sie den einzelnen Darstellungen des Zeugen W. jedoch nicht einmal inhaltlich entgegengetreten.

Allein die Nutzung der von der belangten Behörde ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme, bei der die Beschwerdeführerin Gelegenheit zu einem umfassenden Vorbringen hatte, steht im Übrigen der von ihr relevierten Verletzung des rechtlichen Gehörs entgegen. Für dessen Wahrung ist die Durchführung einer niederschriftlichen Befragung nach den anzuwendenden Vorschriften des AVG kein zwingendes Erfordernis.

Weiters verweist die Beschwerdeführerin auf ihren Aufenthalt im Bundesgebiet in den Jahren 1973 bis 1985 und ihre polizeilichen Meldungen zwischen 1983 und 2004. Diese wurden allerdings bereits von der belangten Behörde festgestellt. Ein früherer Aufenthalt könnte dagegen am Ausgang des Verfahrens nichts ändern: Die spätere Ausreise sowie die neuerliche Einreise (zuletzt) im Jahr 2004 wird nämlich von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Sie macht lediglich zwischenzeitige "Niederlassungen" mit aufrechter Niederlassungsabsicht geltend, die jedoch inhaltlich wiederum nicht konkretisiert werden. Eine rechtliche Relevanz des früheren und freiwillig beendeten Aufenthaltes in Österreich für den Ausgangs des Verfahrens ist somit nicht zu erkennen.

Ebenso wenig kommt es - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - darauf an, ob die Voraussetzungen für eine Nichtigerklärung der Ehe gegeben waren bzw. ob die Ehe tatsächlich für nichtig erklärt wurde. Ausreichend ist vielmehr der Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Ehe missbräuchlich zur Erlangung von sonst nicht zustehenden Berechtigungen eingegangen ist (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 2005, Zl. 2004/21/0135, mwN).

Angesichts des aus den Feststellungen hervorgehenden Fehlens einer familiären Integration der Beschwerdeführerin gelingt es der Beschwerde auch nicht, eine Rechtswidrigkeit der Beurteilung der belangten Behörde nach § 66 FPG aufzuzeigen: Allein ihr Hinweis auf bisherige "Rechtstreue", Wohlverhalten und die seit 5. Juli 2004 erfolgte Ausübung eines Berufes (die ohne die verpönte Scheinehe allerdings nicht zulässig gewesen wäre) reichen nicht aus, um die Ausweisung als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. zum Ganzen etwa das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 2007, Zl. 2006/21/0330).

Ebenso ist kein Umstand ersichtlich, der die belangte Behörde zu einer Ermessensübung zu Gunsten der Beschwerdeführerin hätte veranlassen müssen. Hiezu enthält auch die Beschwerde kein konkretes Vorbringen.

Diese war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 31. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210326.X00

Im RIS seit

01.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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