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19/05 Menschenrechte;Norm
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der BH in W, geboren am 3. April 1967, vertreten durch Mag. Ronald Gingold, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rotenturmstraße 29/9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien vom 9. Oktober 2007, Zl. E1/15.526/2007, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion Wien (der belangten Behörde) vom 9. Oktober 2007 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine serbische Staatsangehörige, gemäß § 87 iVm § 86 Abs. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Beschwerdeführerin habe zunächst über einige Aufenthaltstitel verfügt, weil sie als Erntearbeiterin in Österreich beschäftigt gewesen sei. Am 16. März 2005 habe sie einen österreichischen Staatsangehörigen geheiratet und anschließend bei der Erstbehörde (Bundespolizeidirektion Wien) einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger - Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht.
Am 26. April 2005 seien der Ehegatte der Beschwerdeführerin und diese mit einem Dolmetscher von der Erstbehörde vernommen worden. Ihr Ehegatte habe keine konkreten Angaben zur Beschwerdeführerin tätigen können. So habe er nicht gewusst, was sie arbeitete, seit wann sie sich in Österreich befände, wo sie gewohnt hätte, bevor sie zu ihm gezogen wäre, wo sich ihre Kinder befänden und wie alt diese wären, was mit den Eltern wäre, wo sie geboren wäre und wann sie genau geboren wäre. Eine Unterhaltung mit der Beschwerdeführerin wäre nur gebrochen und langsam möglich gewesen. Er hätte sie im Park des Belvedere getroffen und angesprochen. Danach wäre er mit ihr in ein Kaffeehaus gegangen. Er wüsste nicht mehr genau, wo er sie im Park getroffen hätte und um welches Kaffeehaus es sich gehandelt hätte. Auch nach der dritten Aufforderung könnte er nicht genau angeben, was gesprochen worden wäre, wann man sich wieder treffen würde und so weiter. Die Eheringe hätte er gekauft, und es hätte die Hochzeit am 26. März 2005 (richtig: 16. März 2005) stattgefunden. Am Tag vor dieser Vernehmung hätte es Krautrouladen zum Essen gegeben, was seine Ehegattin gekocht hätte. Auf die wiederholte Frage nach dem Geburtsdatum der Beschwerdeführerin habe er wiederum ein falsches Datum angegeben. Zum Geburtstag hätte er ihr ein rosa Kleid gekauft.
Im Gegensatz dazu habe die Beschwerdeführerin angegeben, dass ihr Deutsch für eine Unterhaltung mit dem Ehegatten ausreichte, sie ihn im Belvedere kennen gelernt hätte und man dann in ein Restaurant gegangen wäre, Näheres könnte sie nicht mehr sagen. Auch die Frage nach dem Alter des Ehegatten könnte sie nicht beantworten. Sie hätte ihn am 16. März 2005 geheiratet und die Eheringe hiefür gemeinsam gekauft, wo wüsste sie nicht. Am Tag vor dieser Vernehmung hätte sie Palatschinken mit Fleisch gekocht. Zum Geburtstag hätte sie von ihrem Ehegatten ein Parfum und Blumen bekommen.
In drei weiteren Stellungnahmen vom 12. Mai 2005, 28. Juni 2005 und 8. August 2005 habe die Beschwerdeführerin das Vorliegen einer Scheinehe bestritten.
Einem Erhebungsbericht der Erstbehörde vom 4. Mai 2006 zufolge sei ein anonymer Brief eingegangen, in welchem die Beschwerdeführerin beschuldigt worden sei, für die Scheinehe, welche auch vermittelt worden wäre, EUR 8.000,-- bezahlt zu haben. Sie wohnte nach wie vor bei ihrem geschiedenen Gatten G. in W. Bei einer Hauserhebung an dieser Adresse hätten Geräusche aus der Wohnung wahrgenommen werden können. Nach dem Klopfen seien die Geräusche verstummt und sei die Wohnungstüre nicht geöffnet worden. Bei einer zweiten Kontrolle habe niemand angetroffen werden können. Stattdessen habe die Wohnungsnachbarin über die Bewohner der zu überprüfenden Wohnung befragt werden können, und es seien ihr die Lichtbilder der Beschwerdeführerin und ihres geschiedenen Ehegatten G. vorgewiesen worden. Beide habe sie als ihre Nachbarn erkannt und angegeben, dass die Beschwerdeführerin schon seit Jahren dort wohnhaft wäre und sie den Mann G. auch, jedoch nicht regelmäßig, sähe.
Eine Hauserhebung an der Meldeanschrift der Beschwerdeführerin und ihres österreichischen Ehegatten in W2 habe ergeben, dass der Ehegatte dort allein wohnhaft sei, welche Auskunft von zwei Hausbewohnern erteilt worden sei.
Am 4. Mai 2006 sei der Ehegatte der Beschwerdeführerin neuerlich von der Erstbehörde vernommen worden und habe angegeben, die Beschwerdeführerin im Park Belvedere kennen gelernt zu haben. Sie hätte Probleme mit ihrer Aufenthaltsgenehmigung gehabt und ihn gefragt, ob er sie nicht für Geld heiraten würde, damit sie die Papiere für Österreich bekäme. Er hätte zugesagt, und es hätte die Beschwerdeführerin von sich aus EUR 8.000,-- angeboten. Nach der Hochzeit am Standesamt hätte ihm eine ihm unbekannte Frau EUR 8.000,-- übergeben. Die Beschwerdeführerin hätte nie bei ihm gewohnt, und es wäre die Ehe auch nicht vollzogen worden. Er hätte sie nur geheiratet, um ihr eine Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitsgenehmigung für Österreich zu beschaffen. Sie wohnte in W, und er hätte sie einige Male nach der Hochzeit gesehen, aber nur auf freundschaftlicher Basis. Über ihr Ersuchen hätte er sie für ca. einen Monat bei sich in seiner Wohnung angemeldet. Er hätte seine Angaben freiwillig gemacht und die Wahrheit gesagt.
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass unter Bedachtnahme auf die zunächst widersprüchlichen Aussagen der Beschwerdeführerin und des österreichischen Ehegatten, dessen neuerliche Aussage und die umfangreichen Erhebungen davon auszugehen sei, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen. Für die belangte Behörde bestehe nämlich kein Anlass, an der Richtigkeit der Zeugenaussage des österreichischen Ehegatten zu zweifeln. Dieser könne weder aus dem Fortbestand noch aus einer allfälligen Scheidung bzw. Nichtigerklärung der Ehe einen Nutzen ziehen. Die Beschwerdeführerin habe jedoch ein massives Interesse, das Eingehen einer so genannten Scheinehe zu dementieren, sichere doch diese Ehe ihr das weitere Aufenthaltsrecht und den freien Zugang zum Arbeitsmarkt. Ein weiteres Indiz für das Vorliegen einer Scheinehe stelle insbesondere der Umstand dar, dass der Ehegatte der Beschwerdeführerin ausführlich und genau dargelegt habe, wie das gesamte Prozedere bis hin zur Heirat abgelaufen sei. Die Beschwerdeführerin hingegen könne lapidar nur behaupten, dass keine Scheinehe vorläge.
Es steht daher fest, dass die Beschwerdeführerin die Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger geschlossen und sich für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auf die Ehe berufen habe, ohne mit ihrem Ehegatten ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK geführt zu haben, und darüber hinaus - was allerdings seit Inkrafttreten des FPG keine Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes mehr sei - für die Eheschließung einen Vermögensvorteil geleistet habe.
Der Missbrauch des Rechtsinstitutes der Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Rechte stelle, was der Gesetzgeber durch § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG deutlich zum Ausdruck gebracht habe, eine schwer wiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung dar, die die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes rechtfertige. Auf Grund der dargestellten Umstände seien die Voraussetzungen zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes - vorbehaltlich der §§ 61 und 66 FPG - im Grunde des § 87 iVm § 86 leg. cit. gegeben.
Zwar sei angesichts aller Umstände von einem mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin auszugehen gewesen, dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung von in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und zur Verhinderung von Aufenthalts- bzw. Scheinehen - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Die Beschwerdeführerin habe gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Scheinehen gravierend verstoßen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbotes sei daher dringend geboten und sohin im Sinn des § 66 Abs. 1 FPG zulässig.
Die Beschwerdeführerin habe nur auf Grund der durch ihre Eheschließung mit einem österreichischen Staatsbürger bevorzugten Stellung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz eine unselbstständige Beschäftigung eingehen können. Ihre durch den Aufenthalt im Bundesgebiet erzielte Integration werde durch die genannte Beeinträchtigung des öffentlichen Interesses wesentlich gemindert. Ihre persönlichen Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes, weshalb diese Maßnahme auch im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 2 FPG vorzunehmenden Interessenabwägung zulässig sei.
Da sonst keine besonderen, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, in wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gegen die Annahme der belangten Behörde hinsichtlich des Vorliegens einer Aufenthaltsehe (Scheinehe) bringt die Beschwerde vor, es hätte die belangte Behörde Ermittlungen dahingehend tätigen müssen, ob die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und dem österreichischen Staatsbürger bereits für nichtig erklärt worden bzw. ein (diesbezügliches) Verfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig bzw. eine Scheidungsklage oder ein Antrag auf einvernehmliche Scheidung eingereicht worden sei. Bei vollständiger Sachverhaltsermittlung wäre sie zum Ergebnis gelangt, dass kein Verfahren bei der Staatsanwaltschaft und kein Scheidungsverfahren anhängig sei, weshalb jedenfalls von einer aufrechten Ehe - die nicht nur zum Schein geschlossen worden sei - auszugehen sei.
Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerde, dass nach ständiger hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 28. Februar 2008, Zl. 2006/18/0442, mwN) die fremdenpolizeiliche Feststellung, eine Ehe sei nur zum Schein geschlossen worden, die Nichtigerklärung der Ehe - oder die Scheidung der Ehe - nicht voraussetzt, sodass bereits deshalb der behauptete Verfahrensmangel nicht vorliegt.
1.2. Im Übrigen bestreitet die Beschwerde nicht die Feststellungen betreffend die "Hauserhebungen" durch die Erstbehörde. Wenn die belangte Behörde angesichts dieser Ermittlungsergebnisse der Aussage des Ehegatten der Beschwerdeführerin vom 4. Mai 2006 mehr Glauben schenkte als der Darstellung der Beschwerdeführerin und zur Überzeugung gelangte, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um der Beschwerdeführerin die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, und die Ehegatten kein gemeinsames Familienleben (im Sinn des Art. 8 EMRK) geführt hätten, so begegnet diese Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. etwa das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.
Entgegen der Beschwerdevorbringen war die belangte Behörde in Anbetracht der mehrfachen "Hauserhebungen" nicht verpflichtet, eine neuerliche Nachschau am behaupteten gemeinsamen Wohnsitz durchzuführen oder den Ehegatten der Beschwerdeführerin neuerlich zu vernehmen. Wenn die Beschwerde weiters vorbringt, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei, so unterlässt sie es, zu konkretisieren, zu welchen Ermittlungsergebnissen sie keine Stellung habe nehmen können und welches Vorbringen zu erstatten ihr dadurch verwehrt worden sei.
1.3. Auf dem Boden der unbedenklichen Feststellungen der belangten Behörde und in Anbetracht des hohes Stellenwertes, der der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung zukommt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2007, Zl. 2006/18/0154, mwN), begegnet auch die weitere Ansicht der belangten Behörde, dass das Fehlverhalten der Beschwerdeführerin eine Gefährdung im Sinn des - im Beschwerdefall gemäß § 87 FPG anzuwendenden - § 86 Abs. 1 (erster und zweiter Satz) leg. cit. darstelle, keinen Bedenken.
2. Ebenso begegnet die Interessenabwägung der belangten Behörde im Grund des § 60 Abs. 6 iVm § 66 Abs. 1 und 2 FPG keinem Einwand und genügt es, auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid zu verweisen. Wenn die Beschwerde in diesem Zusammenhang bemängelt, dass die belangte Behörde das Aufenthaltsverbot erlassen habe, "ohne sich jedoch im Detail mit dem Einzelfall, nämlich insbesondere mit der Integration der Beschwerdeführerin, auseinanderzusetzen", so unterlässt sie es, zu konkretisieren, welche besonderen Integrationsmerkmale von der belangten Behörde - die ohnedies auf die durch den inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin erzielte Integration Bedacht genommen hat - noch zu berücksichtigen gewesen wären.
3. Ferner bestand - entgegen der Beschwerdeansicht - für die belangte Behörde auch keine Veranlassung, von ihrem Ermessen zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen, gehen doch besondere Umstände, die eine solche Ermessensübung hätten geboten erscheinen lassen, weder aus der Beschwerde noch dem angefochtenen Bescheid oder dem übrigen Inhalt der Verwaltungsakten hervor. Der behauptete Umstand, dass die Beschwerdeführerin eine Integration im Bundesgebiet aufweise, stellt schon mangels Konkretisierung einen solchen Umstand nicht dar.
4. Demzufolge war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
5. Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der beantragten Verhandlung Abstand genommen werden.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 31. März 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008180076.X00Im RIS seit
24.04.2008Zuletzt aktualisiert am
13.04.2011