TE Vfgh Beschluss 2008/6/18 B2282/07

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Veröffentlicht am 18.06.2008
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33
VfGG §87 Abs3
ZPO §146 Abs1
  1. VfGG § 87 heute
  2. VfGG § 87 gültig von 01.01.2014 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  3. VfGG § 87 gültig ab 01.01.2014 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 122/2013
  4. VfGG § 87 gültig von 01.03.2013 bis 31.12.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013
  5. VfGG § 87 gültig von 01.01.2004 bis 28.02.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  6. VfGG § 87 gültig von 01.08.1984 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 297/1984
  1. ZPO § 146 heute
  2. ZPO § 146 gültig ab 01.05.1983 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 135/1983

Leitsatz

Stattgabe eines Wiedereinsetzungsantrags hinsichtlich der Versäumnisder Frist zur Stellung eines nachträglichen Abtretungsantrags

Spruch

Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.

Begründung

Begründung:

I. Mit am 17. April 2008 beim Verfassungsgerichtshofrömisch eins. Mit am 17. April 2008 beim Verfassungsgerichtshof

eingelangten Schriftsatz begehrt der Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des nachträglichen Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach erfolgter Ablehnung der Beschwerdebehandlung und holt unter einem die versäumte Prozesshandlung nach.

Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages führt er im Wesentlichen aus, dass dieser Antrag gemäß §33 VfGG zulässig sei, weil eine Beschwerde gemäß Art144 B-VG vorliege. In dieser Rechtssache sei der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof innerhalb der gesetzlichen Frist vorbereitet und unterfertigt in die Postmappe des Vertreters des Beschwerdeführers gelegt worden. Lediglich auf Grund eines einmaligen Versehens der seit rund zehn Jahren in der Kanzlei des Vertreters des Beschwerdeführers tätigen und äußerst verlässlichen (namentlich genannten) Sekretärin, die für die Überwachung des Fristenkalenders sowie für die Übergabe der unterfertigten Poststücke aus der Postmappe zuständig sei, sei nach Abstreichen der Frist im Kalenderbuch übersehen worden, dieses Poststück fristgerecht zur Post zu bringen, sondern sei das Poststück aus der Postmappe entnommen und in den Handakt eingelegt worden. Eine eidesstattliche Erklärung und der ursprüngliche Antrag gemäß §87 Abs3 VfGG seien beigeschlossen. Der Vertreter des Beschwerdeführers habe am 11. April 2008 bei Durchsicht des Handaktes entdeckt, dass der unterfertigte Antrag im Handakt eingeordnet gewesen sei. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung würden vorliegen, da es sich um einen geringen Grad des Versehens sowie um ein unabwendbares und unvorhersehbares einmaliges Ereignis gehandelt hätte.

In der beigelegten eidesstattlichen Erklärung bestätigt die namentlich genannte Mitarbeiterin des Vertreters des Beschwerdeführers, dass der unterfertigte Antrag auf Abtretung an den Verwaltungsgerichtshof auf Grund eines singulären Versehens aus der Postmappe entfernt worden sei, jedoch nicht zur Post gegeben sondern in den Handakt eingelegt worden sei.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegenrömisch II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen

die Versäumung der Frist zur Stellung des nachträglichen Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof ist begründet.

1. Gemäß §33 VfGG kann in den Fällen des Art144 B-VG wegen Versäumung einer Frist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand stattfinden. Da das VfGG die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 VfGG die entsprechenden Bestimmungen der §§146 ff ZPO sinngemäß anzuwenden.

a) Nach §146 ZPO ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozesshandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für die Partei den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozesshandlung zur Folge hatte. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Unter einem "minderen Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (s. etwa VfSlg. 9817/1981, 14.639/1996, 15.913/2000 und 16.325/2001 mwN).

Aus §39 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist. Aus §39 ZPO in Verbindung mit §35 Abs1 VfGG ergibt sich, dass das Verschulden des Bevollmächtigten eines Beschwerdeführers einem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten ist.

b) Der Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung muss gemäß §148 Abs2 ZPO innerhalb von vierzehn Tagen gestellt werden. Diese Frist beginnt mit dem Tage, an welchem das Hindernis, welches die Versäumung verursachte, weggefallen ist; sie kann nicht verlängert werden. Zugleich mit dem Antrag ist dem §149 Abs1 ZPO zufolge auch die versäumte Prozesshandlung nachzuholen.

2. Das Hindernis für die rechtzeitige Einbringung des nachträglichen Antrages auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof fiel am 11. April 2008 weg. Mit dem am 17. April 2008 beim Verfassungsgerichtshof eingelangten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde daher diese Frist gewahrt.

3. Nach dem glaubhaften Vorbringen des Antragstellers kann nicht angenommen werden, dass seinen Bevollmächtigten ein leichte Fahrlässigkeit übersteigender Verschuldensgrad trifft:

Dem Vertreter des Beschwerdeführers ist ein Verschulden seiner Kanzleimitarbeiterin nur dann anzulasten, wenn man ihm selbst Nachlässigkeit bei der Kontrolle, Überwachung oder Belehrung vorwerfen kann. Der Verfassungsgerichtshof sieht nach Lage des Falles keinen Grund, das - durch eidesstattliche Erklärung bescheinigte - Vorbringen im Wiedereinsetzungsantrag in Zweifel zu ziehen, dass die Fristversäumung auf einem singulären Versehen einer äußerst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Dieses Fehlverhalten kann dem Vertreter des Beschwerdeführers nicht angelastet werden, weil aufgrund des bisherigen Arbeitsverhaltens der Kanzleikraft keine Veranlassung zu intensiver Überwachung oder Kontrolle bestand.

4. Da sohin sämtliche Voraussetzungen vorliegen, war die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - gemäß §33 VfGG in nichtöffentlicher Sitzung - zu bewilligen.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, VfGH / Abtretung, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B2282.2007

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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