TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/31 2006/18/0454

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Veröffentlicht am 31.03.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z7;
FrPolG 2005 §62;
VwGG §30;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der D K in W, geboren am 16. September 1977, vertreten durch Mag. Wolfgang Reibenwein, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stadiongasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 18. September 2006, Zl. SD 955/06, betreffend Aufenthaltsverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 18. September 2006 hat die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (die belangte Behörde) gegen die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 und § 63 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei am 6. August 2002 illegal in das Bundesgebiet eingereist und habe am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt, der mittlerweile rechtskräftig abgewiesen worden sei. Seither halte sich die Beschwerdeführerin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

In der Stellungnahme vom 23. Juni 2006 habe die Beschwerdeführerin - ohne einen Nachweis beizufügen - angegeben, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahrens beim unabhängigen Bundesasylsenat eingebracht zu haben. Unter einem habe sie - die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats offenbar antizipierend - angekündigt, eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einbringen zu wollen. In der Berufung habe die Beschwerdeführerin u.a. vorgebracht, als Asylwerberin im Rahmen der Bundesbetreuung eine Grundversorgung zu empfangen. Dabei übersehe die Beschwerdeführerin, dass ihr nach rechtskräftiger Abweisung ihres Asylantrages die Stellung als Asylwerberin nicht mehr zukomme.

Auf Grund der Mittellosigkeit der Beschwerdeführerin sei der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 7 FPG erfüllt. Da die Mittellosigkeit die latente Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung, etwa in Form einer bewilligungslosen Beschäftigung oder der Begehung von Straftaten, in sich berge, sei die im § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Im Weiteren führt die belangte Behörde aus, aus welchen Gründen die Interessenabwägung gemäß § 66 Abs. 1 und 2 FPG zu Lasten der Beschwerdeführerin ausgehe.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerdeführerin macht u.a. geltend, die belangte Behörde habe es unterlassen, den Sachverhalt vollständig zu ermitteln. Bei entsprechenden Ermittlungen wäre hervorgekommen, dass der Beschwerde gegen den den Asylantrag abweisenden Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 6. September 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden sei.

2. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 22. Juni 2006 vorgebracht, dass sie einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenats abgeschlossenen Asylverfahrens eingebracht habe. Des weiteren werde sie die Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats bekämpfen und habe dazu bereits beim Verwaltungsgerichtshof die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt. Sie ersuche daher zu warten, "bis über den Verfahrenshilfeantrag und über die Zuerkennung von aufschiebender Wirkung abgesprochen wurde bzw. über den Antrag auf Wiederaufnahme meines Verfahrens entschieden wurde".

Bei verständiger Würdigung dieses Vorbringens kann es nur so verstanden werden, dass die Beschwerdeführerin einerseits die Wiederaufnahme ihres Asylverfahrens beantragt habe und andererseits beabsichtige, gegen die ihren Asylantrag abweisende Entscheidung des unabhängigen Bundesasylsenats eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen. Die Auslegung durch die belangte Behörde, wonach die Beschwerdeführerin damit angekündigt habe, gegen die zu erwartende Ablehnung der Wiederaufnahme eine Beschwerde einbringen zu wollen, verbietet sich schon deshalb, weil die Beschwerdeführerin auf einen bereits beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde verweist.

Dieses Vorbringen hätte die belangte Behörde dazu veranlassen müssen, vor Erlassung ihres Bescheides vom 18. September 2006 die Frage, ob der Beschwerdeführerin auf Grund der Zuerkennung von aufschiebender Wirkung an eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen die Abweisung des Asylantrages wieder die Stellung als Asylwerberin zukomme, zu erheben. Derartige Erhebungen sind jedoch aus den Verwaltungsakten nicht ersichtlich. Deren Unterlassung stellt einen Verfahrensmangel dar.

Unter Zugrundelegung des Vorbringens der Beschwerdeführerin, ihrer gegen den abweisenden Asylbescheid erhobenen Beschwerde sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. September 2006 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die belangte Behörde bei entsprechenden Erhebungen zum Ergebnis gekommen wäre, der Beschwerdeführerin komme wieder die Stellung als Asylwerberin zu. Gegen Asylwerber kann gemäß § 62 FPG nur ein Rückkehrverbot - allerdings nicht aus dem Grund des § 60 Abs. 2 Z. 7 leg. cit -, nicht aber ein Aufenthaltsverbot erlassen werden.

Die Beschwerdeführerin zeigt daher die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensmangels auf.

3. Aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. März 2008

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete"zu einem anderen Bescheid"

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006180454.X00

Im RIS seit

24.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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