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19/05 Menschenrechte;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde der DP, geboren am 3. August 1988, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 7. April 2005, Zl. 313.230/4- III/4/03, betreffend Erstniederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bundesministerin für Inneres (der belangten Behörde) vom 7. April 2005 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen von Serbien und Montenegro, vom 18. November 2002 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" gemäß § 14 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 Z. 2 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 100, abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 25. August 2002 mit einem am 22. August 2002 von der österreichischen Botschaft in Belgrad ausgestellten und vom 23. August 2002 bis zum 1. September 2002 gültigen Visum C in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Seit 29. August 2002 sei sie mit Hauptwohnsitz in Wien gemeldet. Am 18. November 2002 habe sie einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft, § 20 Abs. 1 FrG" vom Inland aus gestellt.
Die Beschwerdeführerin habe noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt und sei bisher noch nicht rechtmäßig im österreichischen Bundesgebiet niedergelassen gewesen, weshalb es sich um einen Erstantrag handle. Sie habe ihren Antrag während ihres Inlandsaufenthaltes eingebracht und daher das gesetzliche Erfordernis einer Antragstellung vom Ausland aus nicht erfüllt.
§ 14 Abs. 2 erster Satz FrG sei als Anordnung an die Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt worden sei, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten sei. Dieser Bestimmung sei nicht entsprochen worden. Dies habe die Abweisung des Antrages zur Folge.
Der von der Beschwerdeführerin im Inland beantragte Aufenthaltstitel sollte zeitlich an ihren lediglich durch das genannte Visum C ermöglichten Aufenthalt anschließen, weshalb auch der zwingende Versagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG verwirklicht sei. Eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG könne unter Bedachtnahme auf die in Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien somit entfallen. Besonders berücksichtigungswürdige Gründe im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG seien nicht hervor gekommen. Es habe sich kein Anhaltspunkt für die Annahme ergeben, die Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Heimatstaat und eine allenfalls von ihr künftig beabsichtigte gesetzeskonforme Erstantragstellung auf Erteilung eines Aufenthaltstitels wäre ihr unmöglich oder unzumutbar. Die am 16. September 1969 geborene Mutter habe die ihr obliegende Obsorge für die Beschwerdeführerin jedenfalls innerhalb des Gesetzesrahmens auszuüben, sodass es der Mutter im Hinblick auf die Wohlfahrt der Beschwerdeführerin oblegen wäre, rechtzeitig geeignete Veranlassungen zu treffen. Diesbezügliche Fehleinschätzungen der Mutter der Beschwerdeführerin, etwa betreffend den Gesundheitszustand ihrer angeblich 70-jährigen Großmutter, seien von der Mutter der Beschwerdeführerin zu vertreten. Ebenso unbeachtlich und mittlerweile obsolet sei in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft bei der Mutter der Beschwerdeführerin. Beides hätte die Mutter der Beschwerdeführerin nicht gehindert, beispielsweise andere Dritte mit deren Obsorge zu beauftragen oder rechtzeitig gesetzeskonform einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zu stellen, erforderlichenfalls derlei durch Vertreter zu veranlassen, bzw. hindere diese nichts daran, dies künftig noch zu tun. Vielmehr stellten sich die Umstände der Einreise der Beschwerdeführerin am 25. August 2002 und ihres anschließenden bis dato andauernden großteils unrechtmäßigen Aufenthaltes im österreichischen Bundesgebiet als verwaltungsnotorische Umgehungshandlung, bezogen auf die fremdenrechtliche Gesetzeslage, dar. Der im Fall der Beschwerdeführerin nun letztlich absehbar drohende Fehlschlag einer derartigen Umgehungshandlung allein wäre aber ebenfalls nicht besonders berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 4 FrG. Die Voraussetzungen des § 10 Abs. 4 FrG lägen nicht vor, weshalb die Regelung des § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG und des § 19 Abs. 2 Z. 6 FrG nicht anzuwenden seien.
2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. Juni 2005, B 540/05, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
3. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften oder wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat. Dies gilt nach Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels dann nicht, wenn der weitere Aufenthaltstitel eine Erwerbstätigkeit zulassen soll, für die der zuletzt erteilte Aufenthaltstitel nicht hätte erteilt werden können.
1.2. Die Beschwerdeführerin stellt nicht in Abrede, dass sie noch nie über einen Aufenthaltstitel verfügt habe und dass sie sich zum Zeitpunkt der Stellung ihres Antrags auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung am 18. November 2002 sowie zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheids unrechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. § 14 Abs. 2 erster Satz FrG stellt eine Anordnung an die belangte Behörde dar, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde, wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist. Da die Beschwerdeführerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, war ihr Antrag abzuweisen, wobei eine Ermessensentscheidung gemäß § 8 Abs. 1 FrG unter Bedachtnahme auf die in Abs. 3 leg. cit. genannten Kriterien nicht in Betracht kam (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2004/18/0125).
2.1. Die Beschwerdeführerin bringt im Hinblick auf das behauptete Vorliegen besonders zu berücksichtigender Gründe i.S.d.
§ 10 Abs. 4 FrG vor, dass sie die leibliche Tochter der LW sei, welche sich seit 15 Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und hier einer geregelten Beschäftigung nachgehe. Ihr leiblicher Vater kümmere sich seit der Scheidung von ihrer Mutter am 23. November 1998 nicht mehr um sie. Sie habe bis Ende August 2002 bei ihren Großeltern mütterlicherseits in Jugoslawien (Republik Serbien) gewohnt. "Das Faktum der Krankheit der bisher die Erziehungsarbeit leistenden Großeltern stellt ein unvorhergesehenes Ereignis dar, welches eine weitere Betreuung und Erziehung durch die Großeltern nicht mehr ermöglicht." Sie besuche in Österreich die Schule und sei "sowohl sprachlich als auch sozial völlig integriert."
2.2. § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG eröffnet der Niederlassungsbehörde die Möglichkeit, von Amts wegen in ganz bestimmten Ausnahmefällen (nämlich bei Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen gemäß § 10 Abs. 4 FrG) von einer Abweisung eines im Inland gestellten Antrages auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung Abstand zu nehmen. Nach ständiger hg. Judikatur liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Fall gemäß § 10 Abs. 4 FrG nur vor, wenn mit besonderen Gefährdungen bzw. Notlagen im Sinn von § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. verbundene Lebensumstände eines Fremden gegeben sind oder - ausnahmsweise - ein aus Art. 8 EMRK abzuleitender Anspruch auf Familiennachzug besteht (vgl. etwa das Erkenntnis vom 13. Februar 2007, Zl. 2004/18/0368, mwN). Wie der Verfassungsgerichtshof unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR in seinem Erkenntnis vom 13. Dezember 2005, B 1159/04, ausgeführt hat, enthält Art. 8 EMRK kein Recht von Ausländern auf Entfaltung des Familienlebens in einem bestimmten Staat ihres Aufenthaltes. Unter besonderen Umständen kann sich jedoch gemäß Art. 8 EMRK eine Verpflichtung des Staates ergeben, die Einreise und die Niederlassung von Familienangehörigen zu ermöglichen, dies mit der Folge, dass die Verweigerung der Einreise oder Niederlassung einen Eingriff in dieses Grundrecht bildet.
2.3. Dass im gegenständlichen Fall der Beschwerdeführerin in ihrem Heimatstaat (Serbien) eine Gefährdung oder Notlage im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG drohe, wird von ihr nicht behauptet. Zur "Krankheit der bisher die Erziehungsarbeit leistenden Großeltern" hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebracht, dass der Großvater schwerer Asthmatiker und die Großmutter "emotional labil und depressiv" sei. Besondere, etwa plötzlich eingetretene Umstände, die es den Großeltern der Beschwerdeführerin unmöglich machen würden, ihre Enkeltochter, die Beschwerdeführerin, - wie schon in den Jahren vor ihrer Ausreise nach Österreich im Jahr 2002 - zumindest für die Dauer eines ordnungsgemäß eingeleiteten und durchgeführten Niederlassungsverfahrens weiter zu betreuen, sind jedoch nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführerin ist es somit nicht gelungen darzutun, dass es sich bei der sofortigen Familienzusammenführung um die für sie einzig zumutbare Lösung handle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2006/21/0057). Es wäre Sache der Beschwerdeführerin, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Recht auf (sofortigen) Nachzug und Niederlassung aus humanitären Gründen substantiiert und nachvollziehbar darzulegen. Sie hat insbesondere nicht behauptet, dass sich der Gesundheitszustand ihrer Großeltern ab einem bestimmten Zeitpunkt mit gravierenden Auswirkungen für die bis dahin ausgeübte Obsorge über die Beschwerdeführerin verschlechtert hätte. Es ist daher nicht nachvollziehbar, dass sie in ihren durch Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechten verletzt worden wäre, wenn sie die Entscheidung über einen im Ausland zu stellenden Antrag auf Familienzusammenführung im Ausland abgewartet hätte. Somit kann die Ansicht der belangten Behörde, dass kein "besonders berücksichtigungswürdiger Fall" im Sinn des § 10 Abs. 4 FrG gegeben sei und die Voraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung nicht vorlägen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
2.4. Im Hinblick darauf begegnet auch die weitere Beurteilung der belangten Behörde, dass die Voraussetzungen gemäß § 14 Abs. 2 letzter Satz FrG nicht erfüllt seien, keinem Einwand.
3. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 31. März 2008
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweislastSachverhalt Sachverhaltsfeststellung MitwirkungspflichtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2005180496.X00Im RIS seit
24.04.2008Zuletzt aktualisiert am
17.03.2010