TE Vwgh Erkenntnis 2008/3/31 2006/21/0362

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Veröffentlicht am 31.03.2008
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Index

41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §62 Abs2;
FrPolG 2005 §86 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Novak und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Plankensteiner, über die Beschwerde des T, vertreten durch Mag. Dr. Anton Karner und Mag. Dr. Michael Mayer, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Steyrergasse 103/2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 31. August 2006, Zl. 2 F/445-1/2006, betreffend Erlassung eines befristeten Rückkehrverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Serbien, reiste am 6. Mai 2004 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und beantragte am Tag darauf die Gewährung von Asyl. Dieser Antrag wurde noch im Juni 2004 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 abgewiesen. Gleichzeitig wurde gemäß § 8 leg. cit. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien zulässig sei, und - damit verbunden - eine Ausweisung verfügt. Eine dagegen erhobene Berufung wurde nach der Aktenlage bislang nicht erledigt.

Mit Bescheid vom 24. März 2006 erließ die Bundespolizeidirektion Graz gegen den Beschwerdeführer gemäß § 62 Abs. 1 und Abs. 2 iVm § 60 Abs. 2 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG ein auf zehn Jahre befristetes Rückkehrverbot. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 4. April 2006 Berufung.

Während des anhängigen Berufungsverfahrens, am 17. Mai 2006, heiratete der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsangehörige, die unstrittig von ihrem Recht auf Freizügigkeit im Sinn der gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen nicht Gebrauch gemacht hatte.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31. August 2006 gab die belangte Behörde (Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark) der genannten Berufung keine Folge und bestätigte den Bescheid vom 24. März 2006 gemäß § 66 Abs. 4 AVG.

Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer sei mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 31. Jänner 2006 wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer zehnmonatigen bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Abgesehen von der Eheschließung mit einer Österreicherin habe der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine familiären Bindungen. Auch sei die Verehelichung des Beschwerdeführers zu einem Zeitpunkt erfolgt, "als einem Aufenthalt in Österreich das besagte Rückkehrverbot entgegenstand". Er gehe keinem Beruf nach, werde von seiner Ehefrau finanziell unterstützt und erhalte "Sozialhilfe in der Höhe von EUR 180,-- von der Caritas Graz".

Es liege somit zwar ein Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben vor, der jedoch zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral sowie der Rechte und Freiheiten Anderer dringend geboten sei. Art und Weise der vom Beschwerdeführer begangenen gerichtlichen Straftat ließen ein Charakterbild erkennen, das den Schluss rechtfertige, er sei gegenüber den zum Schutz der körperlichen Integrität Anderer erlassenen Vorschriften bzw. gegenüber der österreichischen Rechtsordnung überhaupt negativ eingestellt und bilde eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Es sei daher eine negative Prognosebeurteilung geboten. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes wögen wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers, weshalb das Rückkehrverbot auch im Sinn des § 66 Abs. 2 FPG zulässig sei. Für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechende Umstände seien nicht ersichtlich.

Die Begehung eines besonders verwerflichen Verbrechens lasse erkennen, dass der Beschwerdeführer auch zukünftig eine unberechenbare Gefahr für seine Umwelt darstelle und die fremdenpolizeiliche Maßnahme eines Rückkehrverbotes zum Schutz seiner potenziellen Opfer dringend erforderlich sei. Erst nach einer Dauer von zehn Jahren könne davon ausgegangen werden, dass die Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit weggefallen sein werde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Aktenvorlage durch die belangte Behörde erwogen:

Vorauszuschicken ist, dass die österreichische Ehefrau des Beschwerdeführers - wie erwähnt - ihre gemeinschaftsrechtliche Freizügigkeit nicht in Anspruch genommen hat. Beim Beschwerdeführer handelt es sich damit lediglich um einen Familienangehörigen (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin, jedoch nicht um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG. Die belangte Behörde hat somit zutreffend gemäß der Verfassungsbestimmung des § 9 Abs. 1 Z. 2 FPG die Zuständigkeit zur Entscheidung über die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung in Anspruch genommen (vgl. dazu etwa die hg. Erkenntnisse vom 18. Mai 2007, Zl. 2007/18/0197, und vom 22. Mai 2007, Zl. 2006/21/0115; siehe auch den den Beschwerdeführer betreffenden hg. Beschluss vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0204).

Gemäß § 62 Abs. 1 FPG kann gegen einen Asylwerber ein Rückkehrverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein (weiterer) Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z. 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft (Z. 2). Gemäß § 62 Abs. 2 FPG sind bestimmte Tatsachen iSd Abs. 1 insbesondere jene des § 60 Abs. 2 Z. 1 bis 5, 8 bis 10 und 12 bis 14 FPG.

Der Beschwerdeführer ist - wie erwähnt - Familienangehöriger (§ 2 Abs. 4 Z. 12 FPG) einer Österreicherin. Gemäß § 87 zweiter Satz FPG gelten für diese Personengruppe die Bestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nach den §§ 85 Abs. 2 und 86 FPG. Diese Bestimmungen sind auch dann auf Angehörige von Österreichern anzuwenden, wenn letztere ihr gemeinschaftsrechtlich begründetes Freizügigkeitsrecht nicht in Anspruch genommen haben (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0106).

Der im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche § 86 Abs. 1 FPG, der auch für die Erlassung eines Rückkehrverbotes entsprechend anzuwenden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Oktober 2007, Zl. 2006/21/0155), lautet (auszugsweise) samt Überschrift:

"Sonderbestimmungen für den Entzug der Aufenthaltsberechtigung und für verfahrensfreie Maßnahmen

§ 86. (1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen freizügigkeitsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig."

Bei der Beurteilung, ob die angeführten Voraussetzungen der zitierten Bestimmung gegeben sind, kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf den Katalog des § 60 Abs. 2 FPG als "Orientierungsmaßstab" zurückgegriffen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. April 2007, Zl. 2007/21/0132, mwN). Gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG hat als bestimmte, eine Gefährdungsannahme im Sinn des Abs. 1 rechtfertigende Tatsache zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist.

Die dritte Alternative dieses Tatbestandes ist im gegenständlichen Fall ausgehend von der vom Beschwerdeführer nicht in Abrede gestellten strafgerichtlichen Verurteilung zu einer bedingt nachgesehenen zehnmonatigen Freiheitsstrafe erfüllt. Die bedingte Strafnachsicht ändert nach dem klaren Wortlaut der eben zitierten Bestimmungen nichts an der Zulässigkeit eines Rückkehrverbotes. Im Übrigen hat die Behörde das Fehlverhalten eines Fremden eigenständig aus dem Blickwinkel des Fremdenrechts und unabhängig von den gerichtlichen Erwägungen betreffend die Strafbemessung oder die Gewährung bedingter Strafnachsicht zu beurteilen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. März 2007, Zl. 2007/18/0008, mwN).

Die Beschwerde wendet sich gegen die Bejahung der Gefährdungsprognose nach § 86 Abs. 1 FPG. Der Beschwerdeführer macht in diesem Zusammenhang geltend, er habe die Tat im Alter von 23 Jahren - nur zwei Jahre davon entfernt, als junger Erwachsener qualifiziert zu werden - begangen, bereue sein Verhalten, habe inzwischen geheiratet und sich rechtskonform verhalten.

Dem ist zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer mehrere Jahr nach Erreichen des Erwachsenenalters ein gravierendes Verbrechen begangen hat. Sein sonstiges Wohlverhalten (bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 21. November 2006) ist trotz seiner Eheschließung (am 17. Mai 2006) zu kurz, um dem Beschwerdeführer eine günstige Zukunftsprognose erstellen zu können. Zu Recht hat die belangte Behörde auf das Vorliegen einer besonders massiven Straftat gegen die Sittlichkeit und die damit verbundenen Gefahren insbesondere für die Rechte Dritter verwiesen. Davon ausgehend hegt der Verwaltungsgerichtshof keine Bedenken dagegen, dass das persönliche Verhalten des Beschwerdeführers eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.

Der Beschwerde gelingt es auch nicht, eine Rechtswidrigkeit der im angefochtenen Bescheid unter dem Gesichtspunkt des § 66 FPG vorgenommenen Interessenabwägung aufzuzeigen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keine Bedenken gegen die Auffassung der belangten Behörde, die Erlassung des Rückkehrverbotes sei zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier vor allem zum Schutz der Rechte und Freiheiten Anderer) iSd § 66 Abs. 1 (iVm § 62 Abs. 3) FPG dringend geboten. Auch kann der Umstand der Eheschließung nur eingeschränkt zu Gunsten des Beschwerdeführers ausschlagen, weil diese erst zu einem Zeitpunkt erfolgt ist, zu dem das Rückkehrverbot erstinstanzlich bereits erlassen war, der Beschwerdeführer und seine Ehefrau also wissen mussten, dass er - im Fall eines für ihn negativen Ausganges des Asylverfahrens - nicht mit einem Verbleib in Österreich rechnen durfte. Insgesamt ist daher die durch das Rückkehrverbot (in Verbindung mit einer asylrechtlichen Ausweisung) bewirkte Trennung von der österreichischen Ehefrau infolge des dargestellten großen öffentlichen Interesses in Kauf zu nehmen.

Weiters vermag die Beschwerde auch keine konkreten Aspekte aufzuzeigen, welche die belangte Behörde im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens zu einer Abstandnahme von der Erlassung des Rückkehrverbotes hätten veranlassen müssen.

Gemäß § 63 Abs. 2 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer eines Aufenthaltsverbotes oder Rückkehrverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Angesichts der Schwere des strafrechtlich geahndeten Fehlverhaltens des Beschwerdeführers ist nicht zu erkennen, dass die Gründe für die Gefährdung öffentlicher Interessen durch ihn vor Ablauf von zehn Jahren weggefallen sein werden. Somit kann auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht als rechtswidrig angesehen werden.

Soweit der Beschwerdeführer schließlich die Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt, legt er nicht dar, welche Sachverhaltselemente bei Einhaltung eines - seiner Ansicht nach - korrekten Verfahrens hervorgekommen wären. Letztlich wird daher durch diese Beschwerdeausführungen kein relevanter Verfahrensmangel aufgezeigt.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des ziffernmäßigen Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 31. März 2008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006210362.X00

Im RIS seit

01.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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