TE Vfgh Beschluss 2003/6/11 V8/03

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Veröffentlicht am 11.06.2003
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83 Natur- und Umweltschutz
83/01 Natur- und Umweltschutz

Norm

B-VG Art139 Abs1 / Individualantrag
ImmissionsschutzG-Luft §14
Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom 10.09.02 betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der A 12 Inntalautobahn

Leitsatz

Zurückweisung des Individualantrags von Transportunternehmen auf Aufhebung einer Verordnung betreffend verkehrsbeschränkende Maßnahmen auf der Inntalautobahn zur Verringerung der Immissionen und zur Verbesserung der Luftqualität; Erwirkung einer Ausnahmegenehmigung zumutbar

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I.      1. Gestützt auf Art139 (Abs1 letzter Satz) B-VG beantragen

die Antragsteller

        "... die Verordnung des Landeshauptmannes von Tirol vom

10. September 2002, mit der auf einem Teilbereich der A 12 Inntalautobahn verkehrsbeschränkende Maßnahmen erlassen wurden und zwar zur Gänze wegen Gesetzwidrigkeit, Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und wegen Unvereinbarkeit mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht"

aufzuheben.

Die bekämpfte Verordnung wird von den Antragstellern - ohne Angabe, wo bzw. in welcher Form diese kundgemacht wurde - wörtlich wie folgt wiedergegeben:

"Aufgrund der §§10, 11 und 14 Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115/1997, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. I Nr. 102/2002, wird verordnet:

§1

Zielbestimmung

Das Ziel dieser Verordnung ist, die durch den Menschen beeinflussten Emissionen, die zu einer Immissionsgrenzwertüberschreitung geführt haben, zu verringern und somit die Luftqualität zu verbessern. Diese Verbesserung dient dem dauerhaften Schutz der Gesundheit des Menschen, des Tier- und Pflanzenbestands, ihrer Lebensgemeinschaften, Lebensräume und deren Wechselbeziehungen sowie der Kultur- und Sachgüter vor schädlichen Luftschadstoffen sowie dem Schutz der Menschen vor unzumutbar belästigenden Luftschadstoffen.

§2

Sanierungsgebiet

Als Sanierungsgebiet im Sinne des §2 Abs8 IG-L wird der Abschnitt der A 12 Inntalautobahn zwischen km 20,359 im Gemeindegebiet von Kundl und km 66,780 im Gemeindegebiet von Ampass festgelegt.

§3

Verbot

In dem nach §2 festgelegten Sanierungsgebiet ist in der Zeit vom 1. Oktober eines jeden Jahres bis 31. März des Folgejahres, und zwar jeweils von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr des Folgetages das Fahren mit Lastkraftwagen oder Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und von Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, verboten. Einer bescheidmäßigen Anordnung einer Behörde bedarf es nicht, das Verbot wirkt direkt.

§4

Ausnahmen

Vom Verbot des §3 sind über die Ausnahmen nach §14 Abs2 IG-L hinaus ausgenommen:

1. Fahrten mit überwiegende[m] Transport leicht verderblicher Lebensmittel mit einer Haltbarkeit von nur wenigen Tagen oder zum ausschließlichen Transport von periodischen Druckwerken;

2. Fahrten zur Aufrechterhaltung dringender medizinischer Versorgung;

3. Fahrten, die den Straßenbauvorhaben auf der A12 oder A13 oder dem Ausbau der Zulaufstreck[e] Nord der Eisenbahnachse Brenner-München-Verona dienen;

4. Fahrten des Abschleppdienstes oder der Pannenhilfe

5. unaufschiebbare Fahrten des Bundesheeres oder der UNPROFOR, SFOR oder Fahrten von Hilfstransporten anerkannter Hilfsorganisationen;

6. Fahrten mit Fahrzeugen, deren Nox- Emission nicht mehr als 3,5 g/kWh beträgt, wenn dies durch ein COP-Dokument gemäß Anhang B der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission vom 21. Dezember 1994, in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 2012/2000 des Rates vom 21. September 2000, das mitzuführen und auf Verlangen vorzuweisen und auszuhändigen ist, nachgewiesen wird.

§5

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 1. Oktober 2002 in Kraft."

2. Zum Nachweis ihrer Antragslegitimation verweisen die Antragsteller darauf, dass sie "Transportunternehmer, bzw. nach außen hin vertretungsbefugte Organe von Transportunternehmen im Bereich des Sanierungsgebietes gemäß §2 [der] bekämpften Verordnung" und als solche zur Einhaltung aller verwaltungsrechtlichen Vorschriften verpflichtet seien. Da die angefochtene Verordnung das Fahren mit Lastkraftwagen und Sattelkraftfahrzeugen mit einer höchsten zulässigen Gesamtmasse von mehr als 7,5 t und von Lastkraftwagen mit Anhängern, bei denen die Summe der höchsten zulässigen Gesamtmassen beider Fahrzeuge mehr als 7,5 t beträgt, beschränke, seien sie "als vertretungsbefugte Organe von Transportunternehmen, die insbesondere die Inntalautobahn A 12 zum Transport von Gütern mit Fahrzeugen benützen, die von der angefochtenen Verordnung erfasst sind, in [ihrer] Rechtssphäre direkt betroffen". Die angefochtene Verordnung greife unmittelbar und aktuell in ihre Rechtssphäre ein, ohne das es hiefür der Fällung eine gerichtlichen Entscheidung oder der Erlassung eines Bescheides bedürfe. Für den Fall des Zuwiderhandelns hätten sie mit der Verhängung einer Verwaltungsstrafe zu rechnen; das Erwirken eines Verwaltungsstrafbescheides sei ihnen nicht zumutbar.

II. Der Antrag ist unzulässig:

1. Voraussetzung der Antragslegitimation ist einerseits, dass der Antragsteller behauptet, unmittelbar durch die angefochtene Verordnung - im Hinblick auf deren Gesetzwidrigkeit - in seinen Rechten verletzt worden zu sein, dann aber auch, dass die Verordnung für den Antragsteller tatsächlich, und zwar ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden ist. Grundlegende Voraussetzung der Antragslegitimation ist, dass die Verordnung in die Rechtssphäre des Antragstellers nachteilig eingreift und diese - im Falle ihrer Gesetzwidrigkeit - verletzt.

Nicht jedem Normadressaten aber kommt die Anfechtungsbefugnis zu. Es ist darüber hinaus erforderlich, dass die Verordnung selbst tatsächlich in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar eingreift. Ein derartiger Eingriff ist jedenfalls nur dann anzunehmen, wenn dieser nach Art und Ausmaß durch die Verordnung selbst eindeutig bestimmt ist, wenn er die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt und wenn dem Antragsteller kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des - behaupteterweise - rechtswidrigen Eingriffes zu Verfügung steht (VfSlg. 11.726/1988, 12.019/1989, 13.944/1994).

2. Zwar sind die Antragsteller im Recht, wenn sie vorbringen, dass die Begehung einer Verwaltungsübertretung zur Provozierung eines Strafverfahrens, um solcherart Gelegenheit zu bekommen, ein amtswegiges Normprüfungsverfahren zu initiieren, unzumutbar ist (VfSlg. 11.726/1988, 12.019/1989, 13.886/1994), doch steht den Antragstellern auch ein anderer - zumutbarer - Weg zur Abwehr des durch die bekämpfte Verordnung - behaupteterweise - bewirkten rechtswidrigen Eingriffes zur Verfügung.

Wie sich aus dem Einleitungssatz der angefochtenen Verordnung - diese stützt sich ausdrücklich auf "§§10, 11 und 14 Immissionsschutzgesetz-Luft" - sowie aus deren §4, der Ausnahmen "über die Ausnahmen nach §14 Abs2 IG-L hinaus" festlegt, ergibt, handelt es sich bei dieser Verordnung um einen Maßnahmenkatalog im Sinne des §10 Immissionsschutzgesetz - Luft (IG-L), BGBl. I 115/1997, zuletzt geändert durch BGBl. I 102/2002. Mit diesem Maßnahmenkatalog werden gestützt auf §14 Abs1 Z1 IG-L "zeitliche und räumliche Beschränkungen des Verkehrs" angeordnet. §14 Abs2 IG-L sieht in weiter Folge Ausnahmen von diesen in einem Maßnahmenkatalog angeordneten zeitlichen und räumlichen Beschränkungen des Verkehrs vor. Nach §14 Abs2 Z9 IG-L sind diese Beschränkungen "jedenfalls nicht ... auf ... sonstige Fahrzeuge [anzuwenden], für deren Benützung ein im Einzelfall zu prüfendes, überwiegendes öffentliches oder erhebliches persönliches Interesse besteht, und die entsprechend einer Verordnung nach Abs4 gekennzeichnet sind". Ob ein überwiegendes öffentliches oder erhebliches persönliches Interesse im Sinne des §14 Abs2 Z9 vorliegt, ist nach §14 Abs3 IG-L "auf Antrag des Zulassungsbesitzers von der Bezirksverwaltungsbehörde zu prüfen. Liegt ein solches Interesse vor, ist das Kraftfahrzeug ... zu kennzeichnen. Stellt die Verwaltungsbehörde fest, daß kein solches Interesse besteht, so ist die Ablehnung des Antrags mit Bescheid auszusprechen".

Stellt somit die Behörde gemäß §14 Abs3 auf Antrag fest, dass ein überwiegendes öffentliches oder erhebliches persönliches Interesse im Sinne des §14 Abs2 Z9 vorliegt (und wird das Fahrzeug auch entsprechend gekennzeichnet), sind für dieses Fahrzeug die mit der bekämpften Verordnung festgelegten Beschränkungen nicht anzuwenden. Die Antragsteller - die die Fahrzeuge haltenden Transportunternehmen - wären insofern mangels Geltung der durch die angefochtene Verordnung angeordneten Verkehrsbeschränkung für diese Fahrzeuge in ihrer Rechtssphäre nicht betroffen.

Im Falle einer Ablehnung des Antrages, welche nach §14 Abs3 IG-L bescheidmäßig auszusprechen wäre, steht den Antragstellern - nach Ausschöpfung des administrativen Instanzenzuges - die Möglichkeit offen, für die von ihnen vertretenen Unternehmen Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art144 B-VG zu erheben und darin ihre Bedenken gegen die generelle Norm vorzutragen (vgl. zur ähnlichen Rechtslage bei straßenpolizeilichen Nachtfahrverboten VfSlg. 11.623/1988, 12.317/1990; VfGH 27.11.2001, V105/00 ua., 26.11.2002, V65/02). Dass dieser Weg nicht zumutbar (gewesen) wäre, wurde weder von den Antragstellern dargetan noch hegt der Verfassungsgerichtshof diesbezüglich Zweifel.

Der Antrag erweist sich daher bereits aus diesem Grund als unzulässig.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne vorangegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Umweltschutz, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V8.2003

Dokumentnummer

JFT_09969389_03V00008_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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