TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/1 2006/06/0297

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.04.2008
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/02 Strafvollzug;

Norm

StVG §98 Abs1;
StVG §98 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des A G, vertreten durch Mag. Heinz Kupferschmid, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Adolf Kolpinggasse 2, gegen den Bescheid der Vollzugskammer des Oberlandesgerichtes Graz vom 18. Juli 2006, Vk 21/06-5, betreffend Angelegenheit gemäß StVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz lud den Beschwerdeführer während seiner Strafhaft in der Justizanstalt G-K (die am 5. April 2007 endete) mit Schriftsatz vom 30. März 2006 zur Vernehmung als Partei in einem näher bezeichneten zivilrechtlichen Verfahren. Im Zusammenhalt damit richtete die betreffende Richterin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz an den Leiter der Strafvollzugsanstalt K das Ersuchen, die Zustellung der angeschlossenen Ladung an den Beschwerdeführer vorzunehmen und die Ausführung des als Partei geladenen Beschwerdeführers im Sinne des § 98 StVG zu der für den 10. Mai 2006, 10.00 Uhr bis 12.00 Uhr, beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz anberaumten Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung veranlassen zu wollen.

In der an die Vollzugskammer gerichteten Beschwerde vom 12. Mai 2006 wendete sich der Beschwerdeführer dagegen, dass ihm ein Betrag von EUR 165,-- für die Ausführungskosten abgebucht worden sei. Es sei ihm am 10. April 2006 von der befassten Strafvollzugsbediensteten ein Ausführungsbefehl des Landesgerichtes zur Kenntnis vorgelegt worden. Dieser Ausführungsbefehl habe sich auf § 98 Abs. 1 StVG gestützt und habe seine Ausführung für den 10. Mai 2006 um 10.00 Uhr angeordnet. Er habe den Anstaltsleiter am 11. Mai 2006 auf diese Umstände hingewiesen und darauf, dass die Ausführung gleichermaßen von der Verfahrenshilfe umfasst sei. Dennoch habe die Abbuchung des genannten Betrages von seinem Konto am 12. Mai 2006 stattgefunden. Er beantrage die sofortige Rückbuchung dieses Betrages.

Die belangte Behörde gab der Beschwerde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 98 Abs. 2 StVG keine Folge. Sie begründete dies im Wesentlichen damit, dass für die Tagsatzung vom 10. Mai 2006 um 10.00 Uhr im Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz die Ladung zur Vernehmung als Partei an den Beschwerdeführer ergangen sei, in der darauf hingewiesen worden sei, dass seine Anwesenheit bei dieser Tagsatzung für die Vernehmung als Partei jedenfalls erforderlich sei. Ein Nichterscheinen zur Tagsatzung hindere die Vernehmung des Prozessgegners nicht.

Eine Ausführung über Ersuchen einer Behörde nach § 98 Abs. 1 StVG im Rahmen eines von ihr geführten Verfahrens komme nur in Betracht, wenn die anzuwendende Verfahrensordnung eine (exekutierbare) Pflicht zum Erscheinen vorsehe. Sei dies nicht der Fall, könne die Ausführung nur nach § 98 Abs. 2 StVG abgewickelt werden (Hinweis auf Drexler, StVG, Rz 2 zu § 98).

Im vorliegenden Zivilverfahren sei § 380 ZPO anzuwenden, nach dem Abs. 2 dieser Bestimmung werde durch das Nichterscheinen einer der Parteien bei der zu ihrer Vernehmung nach § 375 ZPO angeordneten Tagsatzung die Vernehmung des anwesenden Gegners nicht gehindert. Gemäß dem Abs. 3 dieser Bestimmung sei die Anwendung von Zwangsmaßregeln, um eine Partei, die zum Zwecke der Beweisführung befragt werden solle, zum Erscheinen vor Gericht oder zur Aussage zu verhalten, unstatthaft. Daraus ergebe sich aber, dass eine exekutierbare Verpflichtung zum Erscheinen zur Parteienvernehmung nicht bestehe, weshalb der Strafgefangene bei Übergabe der Ladung auch durch einen Stampiglienvermerk darauf hingewiesen worden sei, dass die Ausführung nur auf Kosten des Ansuchenden erfolgen könne. Dementsprechend habe die Justizanstalt G-K den Beschwerdeführer zu Recht mit den Kosten der Ausführung belastet.

Die Frage einer Einwilligung des Beschwerdeführers für die Kostentragungspflicht sei irrelevant. Offenkundig habe der Strafgefangene seinen Antrag auf Ausführung gemäß § 98 Abs. 2 StVG aufrechterhalten, wäre doch sonst seine Ausführung nicht vorgenommen worden. Auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf die Verfahrenshilfe sei unbeachtlich, weil nach dem § 64 Abs. 1 Z. 5 ZPO im Fall der Bewilligung der entsprechenden Verfahrenshilfe das Gericht den Ersatz der notwendigen Reisekosten der Partei in sinngemäßer Anwendung der für Zeugen geltenden Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975 vorläufig aus Amtsgeldern zu ersetzen habe. Auf die in der Justizanstalt anlaufenden Kosten der Ausführung habe diese Bestimmung keinen Einfluss.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Strafvollzugsgesetz, BGBl. Nr. 144/1969 (StVG) in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 136/2004, zur Anwendung.

§ 98 Abs. 1 und Abs. 2 StVG in Bezug auf eine Ausführung eines Strafgefangenen folgendes vor:

"§ 98 (1) Ein Strafgefangener darf ausgeführt werden, wenn eine inländische Behörde oder Sicherheitsdienststelle darum ersucht oder wenn dazu aus Vollzugs- oder anderen Verwaltungsgründen Veranlassung besteht.

(2) Eine Ausführung, um die der Strafgefangene ersucht, ist bis zum Höchstausmaß von vierundzwanzig Stunden zu gestatten, soweit zur Erledigung besonders wichtiger und unaufschiebbarer Angelegenheiten persönlicher, wirtschaftlicher oder rechtlicher Natur die Anwesenheit des Strafgefangenen an einem Ort außerhalb der Anstalt dringend erforderlich und die Ausführung nach der Wesensart des Strafgefangenen, seinem Vorleben und seiner Aufführung während der Anhaltung unbedenklich und ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. Die durch eine solche Ausführung entstehenden Kosten hat der Strafgefangene zu tragen. Zur Bestreitung dieser Kosten darf er auch Gelder verwenden, die ihm sonst für die Verschaffung von Leistungen im Strafvollzug nicht zur Verfügung stehen. In Ermangelung solcher Mittel sind die Kosten in berücksichtigungswürdigen Fällen vom Bunde zu tragen."

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass die zuständige Richterin des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz darum ersucht habe, dass seine Ausführung im Sinne des § 98 StVG zu der näher angeführten Tagsatzung veranlasst werde. Gemäß § 64 Abs. 1 Z. 5 ZPO umfasse die Verfahrenshilfe auch den Ersatz der notwendigen Reisekosten der Partei in sinngemäßer Anwendung der für Zeugen geltenden Bestimmungen des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, sofern das Gericht die persönliche Anwesenheit zur Einvernahme oder zur Erörterung des Sachverhaltes anordne. Die belangte Behörde vertrete die Ansicht, dass eine Ausführung über Ersuchen einer Behörde nach § 98 Abs. 1 StVG im Rahmen eines von ihr geführten Verfahrens nur dann in Betracht komme, wenn die anzuwendende Verfahrensordnung eine (exekutierbare) Pflicht zum Erscheinen vorsehe. Sei dies nicht der Fall, könne die Ausführung nur nach § 98 Abs. 2 StVG abgewickelt werden. Aus dem Gesetz lasse sich dies nach Ansicht des Beschwerdeführer nicht ableiten. Die belangte Behörde hätte vielmehr die Note des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 30. März 2006 als ein Ersuchen einer inländischen Behörde im Sinne der angeführten Bestimmung qualifizieren müssen. Es sei daher die Verrechnung der Ausführung gemäß § 98 Abs. 2 StVG durch die Justizanstalt G-K nicht zu Recht erfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Ansicht des Beschwerdeführers, dass sich aus dem Wortlaut des § 98 Abs. 1 StVG nicht ergibt, dass eine Ausführung über Ersuchen einer Behörde immer nur dann in Betracht kommt, wenn die anzuwendende Verfahrensordnung eine (exekutierbare) Pflicht zum Erscheinen des Betroffenen vorsieht. Diese Bestimmung stellt u.a. darauf ab, dass eine inländische Behörde oder Sicherheitsdienststelle um die Ausführung ersucht. Der Beschwerdeführer weist zutreffend darauf hin, dass im vorliegenden Fall ein Ersuchen des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz um Ausführung zu einer mündlichen Verhandlung in einem ihn als Partei betreffenden zivilrechtlichen Verfahren vorlag. Im vorliegenden Fall hat das Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz, also eine inländische Behörde, um die Ausführung des Beschwerdeführers ersucht. Es lag somit die Voraussetzung für eine Ausführung gemäß § 98 Abs. 1 StVG vor.

Die belangte Behörde hat die Kostentragung der verfahrensgegenständlichen Ausführung daher zu Unrecht dem Beschwerdeführer auferlegt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 1. April 2008

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006060297.X00

Im RIS seit

07.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten