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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AHR §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde des Dr. RP in S, vertreten durch Dr. Böhm, Mag. Breitenecker, Dr. Kolbitsch, Dr. Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in 1020 Wien, Taborstraße 10/Stg. 2, gegen den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich Zuspruch von Kosten des Berufungsverfahrens nach dem Eisenbahnenteignungsgesetz (EisbEG), zu Recht erkannt:
Spruch
In Anwendung des § 42 Abs. 4 letzter Satz iVm. § 20 BStG 1971 idF. BGBl. I Nr. 2006/58 iVm § 44 EisbEG 1954 idF. BGBl. I Nr. 2003/112 wird dem Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wie folgt stattgegeben:
Der Bund hat dem Beschwerdeführer EUR 4.750,80 an Kosten im Berufungsverfahren zum Enteignungsverfahren binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmann von Niederösterreich vom 7. Oktober 2002 wurden näher bezeichnete Liegenschaften des Beschwerdeführers zum Zwecke der Errichtung einer Schnellstraße dauerhaft zu Gunsten der Republik Österreich enteignet bzw. wurde ihm aufgetragen, auf bestimmten Teilflächen in seinem Eigentum eine vorübergehende Inanspruchnahme zu dulden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 23. Oktober 2002 Berufung, die noch am selben Tag zur Post gegeben wurde und laut Stempel der Niederösterreichischen Landesregierung am 25. Oktober 2002 bei dieser einging. Mit der Berufung wandte er sich im Wesentlichen gegen die Nichteinbeziehung der zumindest in seinem Hälfteeigentum stehenden Grundstücke und stellte den Antrag, ihm die Kosten des erstinstanzlichen sowie des Berufungsverfahrens zuzusprechen. In der Berufung legte er ein vorläufiges Kostenverzeichnis anhand der Bemessungsgrundlage von EUR 4,626.643,54 vor:
Berufung TP3B
EUR
3.886,20
150% ES
EUR
5.829,30
10% Streitgenossenzuschlag
EUR
971,60
----------------------------------------------------- -----------
EUR
10.687,10
20% USt
EUR
2.137,42
Barauslagen
EUR
13,00
----------------------------------------------------- -----------
EUR
12.837,52
Im daraufhin ergangenen Bescheid vom 23. April 2003 wies die belangte Behörde die Berufung teilweise ab und hinsichtlich eines Grundstücks zurück. Die Entscheidung über die Höhe der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung wurde gemäß § 59 Abs. 1 AVG einem gesonderten Bescheid vorbehalten.
Am 8. August 2003 langte beim Verwaltungsgerichtshof die vorliegende Beschwerde ein, in der der Beschwerdeführer eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch die belangte Behörde zufolge Nichtentscheidung über den Antrag auf Zuspruch der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung im Berufungsverfahren geltend machte. Darin beantragte der Beschwerdeführer den Zuspruch der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung nach dem RATG anhand der im verwaltungsbehördlichen Entschädigungsverfahren festgelegten Entschädigungssumme von EUR 942.738,00 wie folgt:
Berufung verfasst TP 3B
EUR
1.583,70
150% Einheitssatz (gemäß § 23 Abs. 9 RATG)
EUR
2.375,60
----------------------------------------------------- ------------------------
EUR
3.959,30
20% USt
EUR
791,86
----------------------------------------------------- ------------------------
insgesamt
EUR
4.751,16
Mit Verfügung vom 2. September 2003 wurde der belangten Behörde die Beschwerde gemäß § 36 Abs. 1 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift des Bescheides dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt und dazu gemäß § 36 Abs. 1 VwGG die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Die belangte Behörde hat - ohne Nachholung des Bescheides - mit Schreiben vom 15. Dezember 2003, beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 17. Dezember 2003, Auszüge des Verwaltungsaktes vorgelegt. Darin führt sie aus, dass eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, da der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 23. April 2003 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben und darin im Wesentlichen das Ausmaß der Enteignung bekämpft habe. Somit sei auch die endgültige Höhe der zu leistenden Entschädigung noch fraglich, die jedoch die heranzuziehende Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung darstelle. Vor der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über diese Beschwerde könne daher kein Bescheid über die Höhe der zu leistenden Kosten für die rechtsfreundliche Vertretung ergehen. Auch verfüge die belangte Behörde derzeit über keinerlei Akten oder Aktenteile des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens, da diese dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen gewesen seien. Nach Ergehen eines Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes über die Beschwerde und der Rückstellung sämtlicher Verwaltungsakten werde die belangte Behörde umgehend über die Höhe der Kosten der rechtsfreundlichen Vertretung absprechen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der mit der Berufung vom 23. Oktober 2002 verbundene Antrag auf Zuerkennung der Kosten des Berufungsverfahrens wurde der belangten Behörde unbestrittener Maßen am 25. Oktober 2002 zugestellt. Somit war die gemäß § 73 Abs. 1 AVG offen stehende Frist von sechs Monaten zur Erlassung des Bescheides zum Zeitpunkt des Einlangens der Säumnisbeschwerde am 8. August 2003 abgelaufen.
Zu den von der belangten Behörde vorgebrachten Gründen ist auszuführen, dass nach der Bestimmung des § 59 Abs. 1 AVG die Behörde möglichst schon im Spruch des Bescheides über den Kostenersatz abzusprechen hat (vgl. Thienel, Verwaltungsverfahrensrecht, 3. Aufl. 2004, 325). Der Verwaltungsgerichtshof hat aber wiederholt ausgesprochen, dass im Anwendungsbereich des BStG in Verbindung mit dem EisbEG eine gesonderte Kostenentscheidung zulässig ist (vgl. hg. Erkenntnisse vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0150, vom 24. Oktober 2000, Zl. 2000/05/0139, und vom 21. Oktober 2003, Zl. 2003/06/0078). Die Trennung der Kostenentscheidung von der Enteignungsentscheidung entbindet die Behörde jedoch nicht von ihrer Entscheidungspflicht in der nunmehr abgesonderten Rechtssache.
Im gegenständlichen Fall wendete die belangte Behörde dem Grunde nach ein, dass eine Kostenentscheidung noch nicht spruchreif sei, da der Beschwerdeführer den von ihr erlassenen Bescheid mit dem außerordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof (gemäß Art. 144 B-VG) bekämpft habe und daher die endgültige Höhe der Bemessungsgrundlage noch nicht feststehe. Dies werde erst durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes festgesetzt.
Diese Rechtsansicht hält einer näheren Betrachtung nicht stand. Der Bescheid der belangten Behörde vom 23. April 2002 ist in formelle Rechtskraft erwachsen. Die Wirkung eines Bescheides letzter Instanz, das sind nach Maßgabe des Verwaltungsverfahrensrechts Unanfechtbarkeit, Unwiderruflichkeit, Unwiederholbarkeit, Verbindlichkeit, Vollsteckbarkeit und die Tatbestandswirkung, treten mit seiner Erlassung ein. Die Einbringung der Beschwerde bei einem Gerichtshof des öffentlichen Rechts ändert vorerst an diesen Wirkungen nichts. Sie berührt sohin den angefochtenen Verwaltungsakt weder in seiner Geltung noch in seiner Vollziehbarkeit (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 1983, S 116).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mehrfach ausgesprochen, dass als Bemessungsgrundlage für den Kostenersatzanspruch höchstens der tatsächlich gebührende (das ist in der Regel der von der Behörde zuerkannte) Entschädigungsbetrag in Betracht kommt, soweit nicht eine niedrigere Bemessungsgrundlage geltend gemacht worden ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 2008, Zl. 2006/05/0252, und die dort zitierte Rechtsprechung).
Da die belangte Behörde den erstinstanzlichen Enteignungsbescheid bestätigt hat, ist sie an die in diesem Bescheid festgesetzte Enteignungssumme gebunden, welche im Lichte der zuvor wiedergegebenen Rechtsprechung als obere Grenze der heranzuziehenden Bemessungsgrundlage anzunehmen ist.
Auch der Einwand der belangten Behörde, es lägen ihr keine Verwaltungsakten mehr vor, auf Grund deren sie eine Kostenentscheidung treffen könne, führt nicht zum Erfolg. Aus den vorgelegten Aktenteilen geht hervor, dass der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 12. Juni 2003, eingelangt bei der belangten Behörde am 18. Juni 2003, dieser auftrug, die Verwaltungsakten vorzulegen. Mit Beschluss vom 7. Juli 2003, eingelangt bei der Behörde am 14. Juli 2003, stellte der Verfassungsgerichtshof die Verwaltungsakten zur Erstattung einer Gegenschrift innerhalb von sechs Wochen zurück. Es kann also davon ausgegangen werden, dass die belangte Behörde jedenfalls im Zeitraum 25. Oktober 2002 bis zum 18. Juni 2003 über die gegenständlichen Akten verfügte und sich auch bis zur Wiedervorlage erforderliche Abschriften herstellen konnte, sie konnte sich diese Akten auch vom Verfassungsgerichtshof übermitteln lassen, um ihre Entscheidung zu treffen.
Auf Grund dieser Erwägungen ergibt sich, dass keine Gründe auf Seiten der Behörde einer Entscheidung innerhalb der Frist gemäß § 73 AVG entgegenstanden. Daher ist die am 8. August 2003 eingebrachte Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG in Verbindung mit § 27 VwGG zulässig, sodass der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst, d.h. antragsgemäß über den Zuspruch der Kosten des Berufungsverfahrens zu entscheiden hat.
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung einen Kostenzuspruch für anwaltliche Leistungen beantragt und Kosten für die Verfassung einer Berufung verzeichnet. In der Säumnisbeschwerde hat er dabei eine Bemessungsgrundlage von EUR 942.738,-- nach dem RATG herangezogen.
In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass zu den Kosten des Enteignungsverfahrens im Sinne des § 44 Eisenbahnenteignungsgesetz 1954 auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählen. Diese Kostenersatzpflicht beruht nicht auf dem Erfolgsprinzip (siehe hierzu das Erkenntnis des verstärkten Senates vom 11. Februar 1993, Zl. 90/06/0211, und ua. das Erkenntnis vom 14. April 1993, Zl. 93/06/0231).
Zwar sind die Tarifbestimmungen des Rechtsanwaltstarifes im Enteignungsverfahren nicht unmittelbar anzuwenden, sie sind jedoch gemäß § 6 der Autonomen Honorar-Richtlinien des österreichischen Rechtsanwaltskammertages (AHR) für die Ermittlung der angemessenen Entlohnung des Rechtsanwaltes eine maßgebliche Erkenntnisquelle, sodass das Honorar des Rechtsanwaltes unter sinngemäßer Anwendung des Rechtsanwalttarifes (RAT) in seiner jeweiligen Fassung, insbesondere durch die Anwendung der Bestimmungen über den Einheitssatz und die Tarifposten des RAT zu errechnen ist (siehe dazu ua. die bereits zitierten Erkenntnisse vom 14. April 1994 und vom 29. Jänner 2008).
Der Enteignungsbescheid bestätigt den Umfang und die Höhe des erstinstanzlichen Bescheides, der eine Enteignungsentschädigung von EUR 861.630,-- für die dauerhafte und lastenfreie Enteignung der im Bescheid näher bezeichneten Teilflächen des Grundstücks Nr. 126/35 im Ausmaß von 4.210 m2 und des Grundstücks Nr. 126/38 im Ausmaß von 278 m2, beide KG Rannersdorf, und eine Gesamtentschädigung in der Höhe von EUR 4.496,-- pro Monat für die vorübergehende Inanspruchnahme der näher bezeichneten Teilflächen des Grundstücks Nr. 126/35 im Ausmaß von 6.859 m2 und des Grundstücks Nr. 126/38 im Ausmaß von 265 m2, beide KG Rannersdorf, während der Bauarbeiten betreffend das Bauvorhaben "Vösendorf-Schwechat", Projekt Tunnel Rannersdorf, vorsieht.
Auf Grund der vorliegenden Unterlagen ist davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung die Dauer der vorübergehenden Inanspruchnahme mit 18 Monaten zu bewerten war.
Als heranzuziehende Bemessungsgrundlage für die Entschädigung dienen daher EUR 861.630,-- sowie 18 x EUR 4.496,--, sohin insgesamt EUR 942.558,--. Der Beschwerdeführer verzeichnete Kosten für die Verfassung der Berufungsschrift. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gilt für Berufungsschriften und andere Stellungnahmen im Berufungsverfahren ein Entschädigungsbetrag nach TP 3B als angemessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2000, Zl. 98/06/0202). Daher war dem Beschwerdeführer für den Berufungsschriftsatz ein Betrag von EUR 1.583,60 zuzusprechen. Gemäß § 23 Abs. 1 RATG gebühren bei Entlohnung von Leistungen, die unter die Tarifposten 1, 2, 3, 4 oder 7 fallen, an Stelle aller unter die Tarifposten 5, 6 und 8 fallenden Nebenleistungen und an Stelle des Ersatzes für die Postgebühren im Inland ein Einheitssatz, der gemäß Abs. 3 bei einem Streitwert über EUR 10.170,-- 50 v.H. der Verdienstsumme ausschließlich der Reisekosten, der Entschädigung für Zeitversäumnis und der sonstigen Auslagen beträgt.
Gemäß Abs. 9 leg. cit. ist in Berufungsverfahren, in denen keine Beweise aufgenommen oder keine sonstigen Ergänzungen des Verfahrens vorgenommen werden, für die Berufung und die Berufungsbeantwortung der auf diese Leistung entfallende Teil des Einheitssatzes dreifach zuzusprechen. Da die Durchführung von Ergänzungen im Berufungsverfahren nicht ersichtlich sind, war der dreifache Einheitssatz von 50 v.H. heranzuziehen. Ein Streitgenossenzuschlag nach § 14 lit. a RATG gebührt mangels Parteistellung der Zweitberufungswerberin im Entschädigungsverfahren nicht. Sohin errechnet sich der Gesamtanspruch des Beschwerdeführers wie folgt:
Berufungsschriftsatz nach TB 3B
EUR
1.583,60
150% Einheitssatz gemäß § 23 Abs. 9 RATG
EUR
2.375,40
--------------------------- -----------------------------------------------------------
EUR
3.959,00
zuzüglich 20 % Umsatzsteuer
EUR
791,80
----------------------------------------------------- ---------------------------------
Ergibt einen Gesamtkostenanspruch in der Höhe von
EUR
4.750,80
Das sich aus einer höheren Bemessungsgrundlage und der Hereinnahme des Streitgenossenzuschlags ergebende Mehrbegehren war daher abzuweisen.
Der Spruch über den Aufwandersatz im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 1. April 2008
Schlagworte
Trennbarkeit gesonderter Abspruch Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Rechtsnatur und Rechtswirkung der Berufungsentscheidung Rechtskraft Besondere Rechtsprobleme Verfahren vor dem VwGHEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2003060128.X00Im RIS seit
04.06.2008Zuletzt aktualisiert am
12.07.2008