TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/2 2005/08/0194

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Veröffentlicht am 02.04.2008
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Mag. Dr. R P in M, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall, Rechtsanwälte OEG in 1040 Wien, Prinz Eugen-Straße 34, gegen den Bescheid der Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz vom 23. September 2005, Zl. BMSG-224611/0004- II/A/3/2005, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. S S in Wien;

2. Wiener Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Windmühlgasse 3; 3.

Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien; 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 und der mitbeteiligten Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung der Bescheide der Vorinstanzen festgestellt, dass die Erstmitbeteiligte auf Grund ihrer Tätigkeit für die Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Dezember 1997 bis zum 31. März 2001 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder, stellte die Rechtslage dar und folgenden Sachverhalt fest:

"(Die Erstmitbeteiligte) hat in der streitgegenständlichen Zeit im Rahmen fixer Anwesenheitszeiten an vier Tagen der Woche von 8 Uhr bis 16 Uhr in der Praxis der (Beschwerdeführerin) sämtliche anfallenden organisatorischen Büro- und Hilfestellungsarbeiten sowie publizistische und Lektoren-Arbeiten verrichtet, dies auf Anweisung und unter Kontrolle der (Beschwerdeführerin). Ein Vertretungsrecht war nicht vereinbart, ebenso wenig die Möglichkeit, einzelne Dienste beliebig abzulehnen. Die Art der zu verrichtenden Arbeiten und die Anwesenheitszeiten (vier Tage die Woche ganztags) in der Praxis wurden mündlich vereinbart. Art und Umfang der Arbeiten hat sich im Laufe der Zeit bei gleich bleibender Anwesenheitspflicht durch schlüssige Vereinbarung ausgeweitet."

Beweiswürdigend setzte sich die belangte Behörde mit den einzelnen Aussagen der von ihr vernommenen Zeugen und Parteien sowie den vorgelegten Urkunden auseinander. Wörtlich wurde im angefochtenen Bescheid unter anderem ausgeführt (Unterstreichungen im Original):

"Die Angaben der (Erstmitbeteiligten) sprechen insgesamt für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses.

...

Die Vorbringen der (Erstmitbeteiligten) erscheinen von Anbeginn an klar und lebensnahe. (Die Erstmitbeteiligte) hat sich im Laufe des Verfahrens wiederholt geäußert. Es ergeben sich aus ihren Vorbringen keine Widersprüche, die geeignet wären, ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen.

(Die Erstmitbeteiligte) hat weiters schriftliche Beweismittel vorgelegt, die geeignet sind, ihre Vorbringen zu belegen.

Die Aussagen der vernommenen Zeugen zeigen zwar, dass diese als außenstehende Personen über die Tätigkeit der (Erstmitbeteiligten) nur punktuelle Wahrnehmungen machen konnten.

Gleichzeitig aber zeichnen die Zeugenaussagen insgesamt ein übereinstimmendes Bild der Beschäftigung einer weisungsgebundenen Mitarbeiterin, die alle organisatorischen Dingen durchzuführen hatte, welche die Arbeit der (Beschwerdeführerin) laufend erforderte.

Die Wahrnehmungen der Zeugen sprechen in ihrer Gesamtheit somit dafür, dass die Darstellung der Arbeit, wie sie (die Erstmitbeteiligte) vorgenommen hatte, zutrifft.

...

Die Einwände der (Beschwerdeführerin) erscheinen dem

gegenüber als nicht überzeugend:

(Die Beschwerdeführerin) gibt zwar von Beginn an bekannt, sie habe in der streitgegenständlichen Zeit Hilfestellungen - auch bei der Erledigung von Wegen - gebraucht. Gleichzeitig bringt sie vor, (die Erstmitbeteiligte) habe sich im Rahmen der gesamten streitgegenständlichen Tätigkeit lediglich verpflichtet, in freier Zeiteinteilung und weisungsfrei, ohne Anwesenheitspflicht journalistisch und als Lektorin tätig zu sein.

...

Aus den Aussagen der (Beschwerdeführerin) ist insgesamt zu schließen, dass diese bemüht war, die Tätigkeit der (Erstmitbeteiligten) als selbstständige publizistische Tätigkeit darzustellen und jene Tätigkeiten, die nicht in dieses Bild passten, aber auch nicht abgestritten werden konnten, als geringfügig, freiwillig, unentgeltlich oder mit der publizistischen Arbeit eng in Zusammenhang stehend darzustellen.

All diese Vorbringen sprechen gegen die Glaubwürdigkeit der (Beschwerdeführerin) und lassen den Eindruck entstehen, dass (die Beschwerdeführerin) den Schein einer selbstständigen Tätigkeit erzeugen und sich so Entgeltforderungen und der Nachentrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen entziehen wollte.

Den Darlegungen der (Beschwerdeführerin) ist aus diesem Grund

nicht glauben.

...

Eine Vernehmung der beiden Söhne der (Beschwerdeführerin) würde keine unbeeinflussten Zeugenaussagen erwarten lassen, da beide Söhne als (Teil-) Nachfolger des Betriebes der (Beschwerdeführerin) vorgesehen bzw. schon eingesetzt sind. Die beiden Söhne der (Beschwerdeführerin) waren daher nicht zu vernehmen.

Auch eine nochmalige Vernehmung der (Beschwerdeführerin) selbst ist angesichts des ausreichend klaren Sachverhaltes und angesichts der Tatsache, dass (die Beschwerdeführerin) Gelegenheit hatte, sich sowohl mündlich als auch schriftlich zu allen Beweisergebnissen schriftlich zu äußern, im Sinne der zu Gebote stehenden Verfahrensökonomie zu unterlassen."

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe mit der Erstmitbeteiligten eine Vereinbarung über unterstützende Büro- und Hilfestellungsarbeiten, publizistische Tätigkeiten und Lektorentätigkeiten geschlossen. Es sei eine fixe Arbeitszeit und ein von der Beschwerdeführerin vorgegebener Arbeitsort vereinbart worden. Ein Vertretungsrecht sei nicht vereinbart worden. Die Erstmitbeteiligte habe im Rahmen der Tätigkeit tatsächlich Arbeiten aus sämtlichen genannten Bereichen unter Einhaltung einer fixen Arbeitszeit am vereinbarten, von der Dienstgeberin vorgegebenen Arbeitsort, weisungsgebunden und kontrollunterworfen und unter persönlicher Arbeitspflicht ausgeübt. Ein Recht, Einzelleistungen beliebig abzulehnen, habe im Rahmen der Beschäftigung nicht bestanden. Es sei eine Dauerbeschäftigung in einem wöchentlichen Ausmaß vereinbart worden, das einen über der Geringfügigkeit liegenden Anspruchslohn ergäbe. Das tatsächliche Beschäftigungsbild habe dieser Vereinbarung entsprochen. Es sei daher zusammenfassend davon auszugehen, dass im Rahmen der Beschäftigung der Erstmitbeteiligten die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbstständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwogen hätten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Unter dem Aspekt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin die Ablehnung der Einvernahme ihrer beiden Söhne durch die belangte Behörde mit der Begründung, die Aussagen der beiden Zeugen wären nicht unbeeinflusst, weil beide Söhne als Nachfolger des Betriebes der Beschwerdeführerin vorgesehen seien bzw. eingesetzt seien.

Ohne Zweifel liegt in der Ablehnung der Einvernahme der beiden Zeugen der Verfahrensmangel der vorgreifenden Beweiswürdigung, allerdings hat es die Beschwerdeführerin verabsäumt, die Relevanz dieses Verfahrensmangels aufzuzeigen. Die Beschwerdeführerin hätte einen für ein anderes Verfahrensergebnis tauglichen Sachverhalt behaupten müssen, der durch die Aussagen der beiden Zeugen unter Beweis hätte gestellt werden können. Dazu nicht geeignet sind allgemein gehaltene Beweisthemen, wie etwa die "Klärung der Frage der Pflichtversicherung". Auf den behaupteten Verfahrensmangel ist daher mangels Wesentlichkeit nicht einzugehen.

Das Vorbringen zur angeblichen Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde erschöpft sich im Wesentlichen in der Behauptung, dass auch die Feststellung eines anderen Sachverhaltes möglich gewesen wäre. Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung der belangten Behörde allein mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. zum Beispiel das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 2005, Zl. 2003/08/0233). Bemerkt sei zu den Feststellungen über das Fehlen einer Vertretungsbefugnis und der persönlichen Arbeitspflicht, dass die belangte Behörde dies mängelfrei aus der praktischen Durchführung der Tätigkeit der Erstmitbeteiligten abgeleitet und daher, anders als die Beschwerdeführerin meint, auch schlüssig begründet hat.

Soweit die Beschwerdeführerin generell das Ergebnis der Beweiswürdigung bekämpft, nämlich dass die belangte Behörde im Wesentlichen den Angaben der Erstmitbeteiligten folgte und die Angaben der Beschwerdeführerin als weniger überzeugend wertete, ist daraus alleine für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen, solange diese Rüge weder auf konkrete Feststellungen noch auf damit zusammenhängende beweiswürdigende Erwägungen Bezug nimmt und deren Unschlüssigkeit nicht darlegt.

Das Beschwerdevorbringen war insgesamt nicht geeignet, einen Verfahrensfehler des Berufungsverfahrens und der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen.

Eine Rechtsrüge auf der Grundlage des festgestellten Sachverhaltes hat die Beschwerdeführerin nicht ausgeführt. Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unberechtigt und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 2. April 2008

Schlagworte

freie Beweiswürdigung Beweiswürdigung antizipative vorweggenommene

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2005080194.X00

Im RIS seit

06.05.2008

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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