TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/2 2006/08/0176

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Veröffentlicht am 02.04.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ASVG §49 Abs3 Z1;
EStG 1988 §26 Z4;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde der Tiroler Gebietskrankenkasse, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann, Dr. Stefan Geiler, Mag. Priska Seeber, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 17-19, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 18. März 2006, Zl. Vd-SV-1001- 13-8/13/Br, betreffend Nachverrechnung von Beiträgen nach dem ASVG (mitbeteiligte Partei: L S in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Gebietskrankenkasse Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den Verwaltungsakten ergibt sich, dass der Mitbeteiligte ein Güterbeförderungsunternehmen betreibt, für das G. als Dienstnehmer abwechselnd mit dem Mitbeteiligten, somit an etwa 15 Tagen im Monat, auf einer festgelegten Route Milch von Milchbauern zur Molkerei transportiert hat und dabei jeweils neun bis elf Stunden unterwegs gewesen ist.

Mit Bescheid vom 20. April 2005 verpflichtete die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse den Mitbeteiligten zur Zahlung von EUR 5.045,06. Begründend führte sie aus, im Zuge einer Beitragsprüfung beim Mitbeteiligten als Dienstgeber im Güterbeförderungsgewerbe sei festgestellt worden, dass für den Dienstnehmer G. im Prüfungszeitraum zwischen dem 1. Jänner 1999 und dem 31. Dezember 2002 lediglich für das Jahr 2001 ordnungsgemäße Lohnkonten vorgelegt worden seien. Die Lohnzahlungen seien der Belegsammlung entnommen worden, wonach dem Dienstnehmer G. monatlich S 16.000,-- und ab dem Jahr 2002 EUR 1.200,-- ausbezahlt worden seien. Dem Lohnkonto für das Jahr 2001 sei die Ermittlung des Auszahlungsbetrages von S 16.000,-

- wie folgt entnommen worden:

"Bruttolohn

20.372,-- ATS

Abzüglich steuerfreie Bezüge

2.222,-- ATS

SV-Bemessungsgrundlage

18.150,-- ATS

Abzüglich SV- Dienstnehmeranteil

3.303,-- ATS

Lohnsteuer-Bemessungsgrundlage

14.847,-- ATS

Abzüglich Lohnsteuer lt. Tarif

1.069,-- ATS

Zuzüglich steuerfreie Bezüge

2.222,-- ATS

Nettoauszahlung

16.000,-- ATS"

S 16.000,-- bzw. EUR 1.200,-- seien monatlich in gleichbleibender Höhe für die gesamte Dauer des Dienstverhältnisses ausbezahlt worden. Es sei von einer Nettolohnvereinbarung auszugehen. Auch bei einer solchen sei eine klare Abmachung zu treffen, was mit diesem Lohn abgegolten würde. Im vorliegenden Fall lägen dazu keine schriftlichen Vereinbarungen vor; es sei daher davon auszugehen, dass der vereinbarte Lohn für die Arbeitsleistung in der Normalarbeitszeit gelte. Die angeführte Lohnabrechnung lasse den Schluss zu, dass es sich bei dem "steuerfreien Bezug" in der Höhe von S 2.222,-- um Tagesgelder im Sinne des § 26 EStG handle. Eine monatlich pauschale Abgeltung von Tagesgeldern ohne eine zumindest einmal jährlich erfolgte Abrechnung sei jedoch nicht beitragsfrei zu behandeln. Darüber hinaus habe der Mitbeteiligte die steuerfreien Bezüge auf den Jahreslohnzetteln an das Finanzamt als steuerfreie Zulage gemäß § 68 EStG angegeben. Da keine ordnungsgemäße Lohnverrechnung für alle Prüfungsjahre vorliege, seien die Lohnabrechnungen ausgehend von einer Nettolohnvereinbarung und unter Berücksichtung von steuerfreien Sonntagszulagen laut Arbeitszeitaufzeichnungen neu berechnet worden. Für den dadurch festgestellten höheren Bruttomonatslohn seien die fehlenden Beträge nachverrechnet worden. Weiter ist im Bescheid von - hier nicht mehr interessierenden - nachverrechneten Beiträgen für Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen die Rede. Dem Bescheid angeschlossen ist eine "Aufstellung der Entgelt- und Beitragsdifferenzen".

Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte nur hinsichtlich der nachverrechneten Beiträge für die Tagesgelder in der Höhe von EUR 3.376,71 Einspruch, in dem er ausführte, der hier anzuwendende Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe sehe bei einer dienstlich bedingten Abwesenheit von mehr als drei Stunden vom Dienstort die Gewährung von Tages- und Nächtigungsgeldern im Inland vor. Es sei ein Tagesgeld von S 28,-- pro Stunde zu bezahlen. Der Mitbeteiligte habe dem Dienstnehmer P. für durchschnittlich 16 Arbeitstage je Monat ein Tagesgeld für fünf Stunden (monatlich somit für 80 Stunden) steuerfrei ausbezahlt. Die Tagesgelder seien in der - weit überkollektivvertraglichen - Nettolohnvereinbarung enthalten gewesen. Der Dienstnehmer G. sei täglich mindestens drei Stunden vom Dienstort abwesend gewesen. Die Angabe des Betrages als steuerfreie Zulage gemäß § 68 EStG sei irrtümlich erfolgt.

In einer Äußerung vom 22. September 2005 ergänzte der Mitbeteiligte sein Einspruchsvorbringen dahin, dass der Dienstnehmer G. abwechselnd mit dem Mitbeteiligten Milchtransporte an jeweils 15 bis 16 Tagen im Monat durchgeführt habe und dabei stets dieselbe Route abgefahren sei. Die Anzahl der monatlichen Arbeitstage und die zu absolvierende Fahrtroute seien immer gleich gewesen. Im Güterbeförderungsgewerbe sei es üblich, Nettolohnvereinbarungen zu schließen.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 2005 teilte das Finanzamt Reutte der belangten Behörde mit, dass bei der Lohnsteuerprüfung für die Jahre 1999 bis 2002 keine Tagesgelder im Sinne des § 26 EStG als nicht steuerbare Einkünfte berücksichtigt worden seien. Die als steuerfrei bezeichneten Bezüge von pauschal S 2.222,-- seien als Sonntagszuschläge für die an Sonntagen erbrachten Arbeitsleistungen berücksichtigt worden.

Bei einer von der belangten Behörde veranlassten Befragung des Dienstnehmers P. gab dieser am 7. Februar 2006 an, er sei vom 1. September bis zum 31. Dezember 1999 und ab 1. April 2000 bis laufend beim Mitbeteiligten beschäftigt. Es sei ein Nettolohn von S 16.000,-- vereinbart worden, "über brutto wurde nicht geredet. Abgegolten sollte meine Tätigkeit sein, und zwar waren dies ca. 170 Stunden/Monat, einmal mehr, einmal weniger." Über Tagesgelder habe es keine Vereinbarung gegeben, dazu könne er nichts sagen. Er sei immer 11 bzw. 9 Stunden unterwegs gewesen und habe abwechselnd eine lange und eine kurze Tour gefahren. Im Sommer sei er immer 11 Stunden unterwegs gewesen. Darüber gebe es im Betrieb keine Aufzeichnungen, privat habe er sich dies aufgeschrieben. Durchschnittlich sei er 15 bzw. 16 Tage im Monat gefahren. Außer ihm habe die täglichen Milchtransporte von den Bauern zur Molkerei niemand durchgeführt.

In einer weiteren Stellungnahme vom 10. Februar 2006 brachte der Mitbeteiligte vor, im Nettolohn von S 16.000,-- hätten neben dem kollektivvertraglichen Lohn sowohl die Sonn- und Feiertagszuschlagschläge als auch die Tagesgelder Deckung gefunden.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde dem Einspruch Folge gegeben und die nachverrechneten Beiträge auf den - der Höhe nach unstrittigen - Betrag von EUR 1.668,65 herabgesetzt.

In der Begründung gab die belangte Behörde das Verwaltungsgeschehen wieder und führte aus, die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse hätte nicht zu dem Schluss kommen dürfen, dass dem Mitbeteiligten der Nachweis der tatsächlichen Durchführung der Dienstreisen nicht gelungen sei. Die Befragung des Dienstnehmers P. habe die Richtigkeit der Darstellung des Mitbeteiligten bestätigt. Die beschwerdeführende Gebietskrankenkasse könne sich nicht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. April 2004, Zl. 2001/08/0147, stützen, da diesem ein anderer Sachverhalt zu Grunde gelegen sei. Auf Grund der Einvernahme des Dienstnehmers P. liege ohne Zweifel der Nachweis für die Durchführung der Dienstreisen vor. Es könne auch als erwiesen angenommen werden, dass in den P. gezahlten Löhnen sowohl die Sonn- und Feiertagszuschläge als auch die strittigen Tagesgelder enthalten gewesen seien, weshalb keine Veranlassung bestehe, die Tagesgelder ein weiteres Mal der Beitragspflicht zu unterwerfen. Zwar habe das Finanzamt Reutte den Betrag von S 2.222,-- als Sonntagszuschlag behandelt, der Mitbeteiligte habe aber glaubhaft gemacht, dass dies missverständlich erfolgt sei und es sich bei diesem Betrag um Tagesgelder gemäß § 26 EStG gehandelt habe. Es sei lediglich die Frage zu klären gewesen, ob dem Mitbeteiligten als Dienstgeber der Nachweis für die behaupteten Dienstreisen gelungen sei. Dies müsse nicht zuletzt wegen der für das Jahr 2001 vorhandenen Stundenaufzeichnungen sowie der Einvernahme des Dienstnehmers P. für den gesamten Prüfungszeitraum bejaht werden. Zudem habe der Dienstnehmer P. selbst Stundenaufzeichnungen über seine Reisetätigkeit geführt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Mitbeteiligte hat ebenfalls eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob der vom Mitbeteiligten geleistete Entgeltbestandteil (von zunächst S 2.222,--) als steuerfreier Bezug und damit auch als sozialversicherungsrechtlich beitragsbefreit zu werten sei. Dies wäre nur dann der Fall, wenn dieser Entgeltbestandteil tatsächlich, wie vom Dienstgeber behauptet, als Taggeld aus einer Dienstreise beitragsfrei im Sinne des § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG wäre. Dies hängt jedoch nicht davon ab, ob das Taggeld nach dem Kollektivvertrag zusteht, sondern ausschließlich davon, ob bei den konkreten Dienstreisen der Dienstreisebegriff des § 26 Z. 4 EStG verwirklicht wurde.

Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) ist bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen nach § 44 Abs. 1 Z. 1 ASVG das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Gemäß § 49 Abs. 3 Z. 1 ASVG in der hier noch anzuwendenden Fassung gelten nicht als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2

"Vergütungen des Dienstgebers an den Dienstnehmer (Lehrling) durch welche die durch dienstliche Verrichtungen für den Dienstgeber veranlassten Aufwendungen des Dienstnehmers abgegolten werden (Auslagenersatz); hiezu gehören insbesondere Beträge, die den Dienstnehmern (Lehrlingen) als Fahrtkostenvergütungen einschließlich der Vergütungen für Wochenend(Familien)heimfahrten, Tages- und Nächtigungsgelder gezahlt werden, soweit sie nach § 26 des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, nicht der Einkommensteuer(Lohnsteuer)pflicht unterliegen. Unter Tages- und Nächtigungsgelder fallen auch Vergütungen für den bei Arbeiten außerhalb des Betriebes oder mangels zumutbarer täglicher Rückkehrmöglichkeit an den ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) verbundenen Mehraufwand, wie Bauzulagen, Trennungsgelder, Übernachtungsgelder, Zehrgelder, Entfernungszulagen, Aufwandsentschädigungen, Stör- und Außerhauszulagen uä.; ..."

Nach § 26 Z. 4 EStG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. I Nr. 45/2007 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Beträge, die aus Anlass einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütungen, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gezahlt werden. Eine Dienstreise liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers seinen Dienstort (Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw.) zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt oder so weit weg von seinem ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) arbeitet, dass ihm eine tägliche Rückkehr an seinen ständigen Wohnort (Familienwohnsitz) nicht zugemutet werden kann. Bei Arbeitnehmern, die ihre Dienstreise vom Wohnort aus antreten, tritt an die Stelle des Dienstortes der Wohnort (Wohnung, gewöhnlicher Aufenthalt, Familienwohnsitz). Enthält eine lohngestaltende Vorschrift im Sinne des § 68 Abs. 5 Z. 1 bis 6 EStG eine besondere Regelung des Begriffes Dienstreise, ist diese Regelung anzuwenden.

§ 26 Z. 4 EStG 1988 kann in verfassungkonformer Auslegung nur die Bedeutung beigemessen werden, dass lohngestaltende Vorschriften - für steuerliche Zwecke - eine Dienstreise nicht anders festlegen können als durch das Abstellen auf das Verlassen des tatsächlichen Dienstortes, sie können aber einzelne Merkmale des im Gesetz festgelegten Dienstreisebegriffes, so etwa das Erfordernis des Arbeitgeberauftrages, modifizieren (vgl. das Erkenntnis vom 20. Juni 2000, Zl. 98/15/0068).

Den Feststellungen ist nicht zu entnehmen, dass der in Rede stehende Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe den Dienstort besonders definiert. Das Vorliegen einer Dienstreise setzt - wie eben dargestellt - jedenfalls voraus, dass der Arbeitnehmer seinen Dienstort zur Durchführung von Dienstverrichtungen verlässt. Fraglich ist im vorliegenden Fall, an welchem Ort bei der von G. durchgeführten Tätigkeit, nämlich auf einer festgelegten Route Milch von Milchbauern zur Molkerei zu transportieren, der Dienstort liegt.

In der Regel wird der Dienstort mit dem Betriebsort des Arbeitgebers zusammenfallen. Wird jedoch der Arbeitnehmer an diesem Betriebsort dienstlich nicht tätig, weil seine tatsächliche ständige Arbeitsstelle außerhalb des Betriebsortes liegt, ist nach der Rechtsprechung jene regelmäßige Einsatzstelle und nicht der Betriebsort als Dienstort des Arbeitnehmers anzusehen (vgl. das Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2006/15/0038, mit Nachweisen aus dem Schrifttum). Ist ein Bauarbeiter während des Jahres jeweils durch längere Zeit an verschiedenen Baustellen eingesetzt, ist die jeweilige Baustelle Dienstort (vgl. das Erkenntnis vom 25. Juni 1985, Zl. 85/14/0028).

Zur Frage etwa, welcher Ort bei Taxilenkern als Dienstort anzusehen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof die Ansicht vertreten (vgl. das Erkenntnis vom 10. Februar 1976, Slg. Nr. 4939/F), dass die schon in § 19 Abs. 2 Z. 2 EStG 1967 (einer Vorgängerbestimmung des § 26 Z. 4 EStG 1988) angeführten Beispiele ("Büro, Betriebsstätte, Werksgelände, Lager usw."), erkennen lassen, dass als Dienstort der regelmäßige Mittelpunkt des tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens des Arbeitnehmers anzusehen ist. Werden Taxichauffeure ausschließlich von einem bestimmten Standort aus tätig (im damaligen Beschwerdefall beim Flughafen Schwechat), stellt diese ständige Einsatzstelle "den zentralen Mittelpunkt ihres tatsächlichen dienstlichen Tätigwerdens" dar. Ob die einzelnen Fahrten der Chauffeure von Schwechat aus und zurück zum Flughafen als Dienstreise aufzufassen sein könnten, hat der Verwaltungsgerichtshof im genannten Erkenntnis ausdrücklich dahingestellt sein lassen, weil auf Grund der von der belangten Behörde aus den Aufzeichnungen des damaligen Beschwerdeführers für den in Frage stehenden Zeitraum getroffenen Sachverhaltsfeststellungen die einzelne Reisebewegung nie länger als drei Stunden gedauert hat und daher auch schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für die steuerfreie Auszahlung von Tagesgeldern an die Taxichauffeure nicht gegeben waren.

Erstreckt sich eine Tätigkeit auf mehrere Orte in der Weise, dass jeder Ort - für sich betrachtet - Mittelpunkt der Tätigkeit sein könnte, dann ist jeder dieser Orte als Mittelpunkt der Tätigkeit zu qualifizieren und der Aufenthalt an ihm keine Reise. So kann das gesamte Ortsgebiet von Wien als einheitlicher Mittelpunkt der Tätigkeit angesehen werden; eine weitere Einengung muss nicht vorgenommen werden (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. März 2002, 99/14/0317). Weiter hat der Verwaltungsgerichtshof ein mehrmals täglich befahrenes "Gebiet der ständigen Patrouillentätigkeit" als Mittelpunkt der beruflichen Tätigkeit beurteilt (vgl. das Erkenntnis vom 18. Oktober 1995, 94/13/0101). Bei einer Fahrtätigkeit, die in der Durchführung von Behindertentransporten im Gemeindegebiet von Wien bestanden hat, hat der Verwaltungsgerichtshof Wien als regelmäßigen Mittelpunkt der Tätigkeit und damit als Dienstort im Sinne des § 26 Z. 4 EStG 1988 angesehen (vgl. das schon zitierte Erkenntnis vom 19. Dezember 2006, Zl. 2006/15/0038).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung und in Anbetracht der Tätigkeit des G., die ausschließlich in Fahrten - immer auf derselben Route - von Milchbauern zur Molkerei besteht, stellt diese Route auch seinen Dienstort dar. Es kann daher nicht davon die Rede sein, dass der Betriebsstandort des Mitbeteiligten für G. den Dienstort darstellt. Davon ging aber offenbar die belangte Behörde bei der Annahme aus, sämtliche Fahrten stellten Dienstreisen dar. Im Sinne der zitierten Rechtsprechung ist vor dem Hintergrund der Feststellungen als Dienstort des G. das gesamte von ihm befahrene Gebiet bzw. die von ihm befahrene Route anzusehen. Damit stellen aber seine Fahrten auch ab der dritten Stunde ihrer Dauer keine Dienstreisen dar, die beitragsrechtlich begünstigt wären. Dies hat die belangte Behörde verkannt, weshalb sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat. Dieser war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH - Aufwandersatzforderung 2003 BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 2. April 2008

Schlagworte

Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006080176.X00

Im RIS seit

06.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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