TE Vfgh Erkenntnis 2003/6/16 V57/00 ua

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Veröffentlicht am 16.06.2003
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art139 Abs1 / Allg
Bgld BauG 1997 §2, §3, §4
Bgld BauV, LGBl 11/1998 §17 Abs1
VfGG §57 Abs1

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung über Einfriedungen in Form eines lebenden Zaunes in einer Bauverordnung; gesetzliche Deckung im Baugesetz auf Grund engen Zusammenhanges von Einfriedungen mit Gebäuden und Bauwerken und des Vorliegens baupolizeilicher Interessen gegeben

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland sind Berufungen gegen Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Oberwart vom 6. Juni 2000 und 5. Dezember 2001 anhängig, mit denen über die Berufungswerber wegen Verletzung des §17 Abs1 zweiter Satz Bauverordnung, LGBl. Nr. 11/1998 iVm §34 Abs1 Burgenländisches Baugesetz, LGBl. Nr. 10/1998, je eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Die Berufungswerber wurden für schuldig erkannt, während des Zeitraums vom 3. Februar 1998 bis 10. April 2000 nicht dafür gesorgt zu haben, dass die entlang der Grundstücksgrenze des als Bauland gewidmeten Grundstücks Nr. 11257, KG Kemeten, bestehende lebende Einfriedung (Fichten und Thujen) eine Höhe von 3 m nicht überschreite. Die derzeitige Höhe dieser lebenden Einfriedung betrage zwischen 4 und 5 m.

Aus Anlass dieser Strafverfahren stellte der durch ein Einzelmitglied einschreitende UVS Burgenland gemäß Art139 Abs1 B-VG die zu V57/00 und V4/02 protokollierten Anträge an den Verfassungsgerichtshof, den letzten Halbsatz des §17 Abs1 zweiter Satz BauVO, LGBl. Nr. 11/1998 und zwar die Worte "wobei lebende Zäune, Hecken und dgl. entlang der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfen" (bzw. zu V4/02: den letzten Halbsatz des §17 Abs1 zweiter Satz BauVO, LGBl. Nr. 11/1998 und zwar die Worte ",wobei lebende Zäune, Hecken u.dgl. entlang der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfen") als gesetzwidrig aufzuheben.

Der UVS Burgenland führt zur Antragslegitimation aus, dass §17 Abs1 zweiter Satz BauVO für die Bestrafung der Berufungswerber maßgeblich sei. Die Bestimmung enthalte das "Verbot", dass lebende Zäune, Hecken und dgl. entlang der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfen. Eine Übertretung dieser Bestimmung sei den Berufungswerbern vorgeworfen worden. Der Unabhängige Verwaltungssenat Burgenland habe daher diese Bestimmung anzuwenden, da er über die Berufungen gegen die Straferkenntnisse der ersten Instanz zu entscheiden habe.

Der UVS Burgenland hegt dahingehend Bedenken, dass die Bauverordnung gegen Art18 Abs2 B-VG verstoße, da eine Durchführungsverordnung nur präzisieren dürfe, was in wesentlichen Konturen bereits im Gesetz vorgezeichnet sei.

Als Rechtsgrundlage für die Erlassung der angefochtenen Verordnungsbestimmung komme lediglich §4 Burgenländisches Baugesetz in Betracht; keine andere Bestimmung dieses Gesetzes enthalte inhaltliche Regelungen über Einfriedungen. §4 Bgld. BauG ermächtige die Landesregierung, Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben durch Verordnung zu erlassen. Aus dem Wortlaut des §4 Bgld. BauG sowie einer Betrachtung des §3 und des §1 Abs1 und §2 leg. cit. ergebe sich, dass sich die Verordnungsermächtigung lediglich auf "Bauvorhaben" beziehe. Zur näheren Erläuterung des Begriffes "Bauvorhaben" sei §2 Abs1 leg. cit. heranzuziehen. Danach seien Bauten Anlagen, die mit dem Boden in Verbindung stünden und zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich seien. Gemäß §2 Abs4 leg. cit. seien Bauvorhaben die Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Bauwerken und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen, die baupolizeiliche Interessen berührten.

Aus diesen Normen ergebe sich, dass der Begriff des Bauvorhabens nur all jenes umfassen könne, was durch die Hand des Menschen aus toten Materialien erbaut bzw. errichtet würde. Bauvorhaben könnten daher nur künstliche Gebilde sein. Die Anpflanzung von Bäumen und Sträuchern sowie die Bildung von Hecken und lebenden Zäunen aus Pflanzen fielen nicht unter den Begriff "Bauvorhaben".

Im Verfahren V4/02 führt der UVS Burgenland weiter aus, dass mit "im Zusammenhang stehende Maßnahmen, die baupolizeiliche Interessen berühren", gemäß §2 Abs4 Bgld. BauG nur solche gemeint seien, die mit Bauvorhaben in einem engen Zusammenhang stünden. Die Errichtung eines lebenden Zaunes stelle eine eigenständige Maßnahme dar, die nicht unmittelbar und zwingend mit der Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Bauwerken zusammenhänge.

Damit sei die Regelung des §17 Abs1 zweiter Satz, letzter Halbsatz der BauVO nicht von der Ermächtigung des §4 Bgld. BauG umfasst und entbehre somit der gesetzlichen Grundlage.

2. Die Burgenländische Landesregierung erstattete je eine Gegenschrift, in der sie beantragt den Antrag des UVS Burgenland zurück-, in eventu abzuweisen.

2.1. Zur Zulässigkeit bringt sie im Verfahren V57/00 vor, dass der vorliegende Antrag des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland entgegen der zwingenden Vorschrift des §57 Abs1 VfGG keine bestimmte Bezeichnung jener Verordnungsstelle enthalte, deren Aufhebung begehrt werde und somit unzulässig sei. Die im Antragsbegehren unter Anführungszeichen gesetzte Wortfolge finde sich zum einen in der Verordnung nicht in dieser Formulierung. Während nämlich im Text des §17 Abs1 zweiter Satz BauVO die Abkürzung "u.dgl." enthalten sei, werde im Antrag die Wendung "und dgl."

verwendet. Zum anderen unterlasse es der Antrag, den im Verordnungstext vor "wobei" stehenden Beistrich in sein Aufhebungsbegehren einzubeziehen. Bei einer Aufhebung der angefochtenen Verordnungsstelle im Sinne des Antrags würde somit der zweite Satz des §17 Abs1 BauVO mit einem Beistrich und einem unmittelbar folgenden Punkt enden; eine solche gravierende orthografische Fehlleistung könne jedoch dem Verordnungsgeber nicht zugesonnen werden. Dem Verfassungsgerichtshof stehe es nach seiner ständigen Rechtsprechung nicht zu, von einem Aufhebungsantrag nicht umfasste Satzteile (wozu auch Satzzeichen zu zählen seien) von sich aus in die Verordnungsprüfung einzubeziehen, da sich der Gerichtshof nicht als befugt erachte, Verordnungsbestimmungen aufgrund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen(teile) der Antragsteller ins Auge gefasst haben könnte, in Prüfung zu ziehen (s. etwa VfSlg. 8552/1979, 11.152/1986, 11.802/1988).

2.2. Im Verfahren V4/02 bringt die Burgenländische Landesregierung zur Zulässigkeit vor, dass der Antrag dem UVS Burgenland nicht zugerechnet werden könne, da die "Fertigungsklausel" des Antrags lediglich eine Grußformel und den Namen des Mitglieds des Unabhängigen Verwaltungssenates enthalte jedoch nicht den Hinweis "für den Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland". Auch sei ein Antrag auf Prüfung einer Verordnung - entgegen dem Antragsvorbringen - gemäß Art139 Abs1 erster Satz B-VG nicht durch ein Mitglied eines Unabhängigen Verwaltungssenates sondern durch den Unabhängigen Verwaltungssenat selbst zu stellen.

2.3. In der Sache bringt die Burgenländische Landesregierung vor, dass der Begriff "Bauvorhaben" in §2 Abs4 Bgld. BauG näher definiert werde. Danach seien Bauvorhaben "die Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Bauwerken und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen, die baupolizeiliche Interessen berühren". Diese baupolizeilichen Interessen würden in §3 Bgld. BauG näher dargestellt werden. Eine Wortinterpretation des §2 Abs4 Bgld. BauG ergebe, dass diese Regelung ausdrücklich eine Trennung zwischen der Errichtung von Gebäuden und Bauwerken "(also Werken aus - im Sinne der Antragsbegründung des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland - 'toten Materialien')" einerseits und damit im Zusammenhang stehenden Maßnahmen andererseits treffe. Es liege daher nahe, dass der Gesetzgeber - mögen auch in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Bgld. BauG (abgesehen von dem Hinweis, dass Anschüttungen keine Maßnahmen im Sinne des §2 Abs4 darstellten) keine eindeutigen Aussagen zu dieser Frage enthalten sein - durchaus auch Pflanzungen, die im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden und Bauwerken stehen, als unter den Begriff "Bauvorhaben" einbezogen wissen wollte.

Dieses Ergebnis werde auch dadurch gestützt, dass "Maßnahmen" im Sinne des §2 Abs4 Bgld. BauG aufgrund der ausdrücklichen Anordnung dieser Bestimmung solche seien, die baupolizeiliche Interessen berühren:

Unter den in §3 Bgld. BauG genannten baupolizeilichen Interessen finde sich unter Z4 das Erfordernis, dass durch ein Bauvorhaben das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigt werden dürfe, sowie unter Z5 die Vorschrift, dass durch die bestimmungsgemäße Benützung eines (abgeschlossenen) Bauvorhabens eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht erwartet werden dürften.

Das Orts- und Landschaftsbild könne unter bestimmten Voraussetzungen durchaus auch durch mit der Errichtung von Gebäuden und Bauwerken im Zusammenhang stehenden Pflanzungen beeinträchtigt werden.

Durch eine unangemessene Höhe von lebenden Zäunen, Hecken und ähnlichen Pflanzungen könne sich eine das ortsübliche Ausmaß überschreitende Beeinträchtigung der Nachbarn durch eine mangelnde Belichtung eines Nachbargrundstücks ergeben. Die Verordnungsbestimmung diene somit auch der Vermeidung von Nachbarstreitigkeiten. Die Volksanwaltschaft habe vor Inkrafttreten der Bauverordnung des Öfteren auf das "Fehlen" einer derartigen Regelung hingewiesen.

Die Pflanzung von lebenden Zäunen, Hecken und dgl. führe unter den in §3 Z4 und 5 Bgld. BauG genannten Gesichtspunkten zu "vergleichbaren Beeinträchtigungen". Es sei eine diesbezügliche Gleichbehandlung von gebauten Einfriedungen und lebenden Zäunen und Hecken unter dem Blickwinkel der Verordnungsermächtigung des §4 Bgld. BauG sogar im Hinblick auf den Schutzzweck dieser Gesetzesbestimmungen aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art7 Abs1 B-VG) geboten und eine vom Wortlaut des §2 Abs4 Bgld. BauG abweichende Auslegung des Begriffs "Bauvorhaben" in §4 erster Satz Bgld. BauG somit nicht möglich.

3. Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar:

3.1. §17 der "Verordnung der Burgenländischen Landesregierung vom 2. Feber 1998, mit der Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben erlassen werden (Bauverordnung - BauVO)", LGBl. Nr. 11/1998, lautet:

"§17

Einfriedungen

(1) Einfriedungen im Vorgartenbereich dürfen sowohl gegen die öffentliche Verkehrsfläche als auch nachbarseitig einschließlich Sockel 1,50 m nicht übersteigen und über dem Sockel (höchstens 0,60 m) nicht undurchsichtig ausgeführt werden. Einfriedungen außerhalb des Vorgartenbereiches dürfen nicht höher als 2 m sein und auch undurchsichtig ausgeführt werden, wobei lebende Zäune, Hecken u. dgl. entlang der Grundstücksgrenze nicht höher als 3 m sein dürfen. Bei der Berechnung der Höhe ist vom Gehsteig bzw. vom höher gelegenen Grundstück an der Grundgrenze auszugehen.

(2) Bei Einfriedungen dürfen als oberer Abschluß keine spitzen oder verletzungsgefährdenden Materialien verwendet werden.

(3) Im Interesse der Sicherheit, des Anrainerschutzes oder der Straßenansicht sind Ausnahmen von den Bestimmungen der Abs1 und 2 zulässig."

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Burgenländischen Baugesetzes 1997, LGBl. Nr. 10/1998, in der Folge: Bgld. BauG, lauten:

"§1

Geltungsbereich

(1) Dieses Gesetz regelt das Bauwesen im Burgenland.

(2) Vom Geltungsbereich dieses Gesetzes sind ausgenommen:

[...]

§2

Begriffsbestimmungen

(1) Bauten sind Anlagen, die mit dem Boden in Verbindung stehen und zu deren werkgerechter Herstellung fachtechnische Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind.

(2) Gebäude sind Bauten, die von Menschen betreten werden können und Räume zum Schutz von Menschen, Tieren oder Sachen allseits umschließen.

(3) Bauwerke sind alle anderen Bauten.

(4) Bauvorhaben sind die Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Bauwerken und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen, die baupolizeiliche Interessen berühren.

[...]

§3

Zulässigkeit von Bauvorhaben (Baupolizeiliche Interessen)

Bauvorhaben sind nur auf für die Bebauung geeigneten Grundstücken zulässig, wenn sie

1. dem Flächenwidmungsplan, dem Bebauungsplan/Teilbebauungsplan oder den Bebauungsrichtlinien nicht widersprechen,

2. den Bestimmungen dieses Gesetzes und den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen entsprechen,

3. nach Maßgabe des Verwendungszweckes dem Stand der Technik, insbesondere bezüglich

a)

Festigkeit und Standsicherheit

b)

Benützungssicherheit und Barrierefreiheit

c)

Wärmeschutz und Energieeinsparung

d)

Schall- und Brandschutz

e)

Feuchtigkeitsschutz, Gesundheit und Hygiene

entsprechen,

4. das Orts- oder Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen,

5. durch ihre bestimmungsgemäße Benützung eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht erwarten lassen sowie

6. verkehrsmäßig erschlossen sind und ihre Ver- und Entsorgung gewährleistet ist.

§4

Bauverordnung

Die Landesregierung hat nach Maßgabe der im §3 Z3 bis 6 festgelegten Kriterien die näheren Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben durch Verordnung zu regeln (Bauverordnung). Diese hat auch Mindestanforderungen für Wohnhausanlagen zu enthalten. Die Landesregierung kann in einer solchen Verordnung auch technische Richtlinien und Bestimmungen, die aus den Erkenntnissen der Wissenschaften und den Erfahrungen der Praxis abgeleitet werden und von einer fachlich hiezu berufenen Stelle herausgegeben worden sind, für verbindlich erklären."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm. §35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.1. Der antragstellende UVS hatte die angefochtene Bestimmung in den bei ihm anhängigen Verfahren denkmöglicherweise anzuwenden.

Die Anträge begehren ausdrücklich die Aufhebung des letzten Halbsatzes des §17 Abs1 zweiter Satz BauVO, LGBl. Nr. 11/1998. Daher geht daraus mit hinreichender Deutlichkeit hervor, in welchem Umfang die Aufhebung begehrt wird. Daran ändert auch nichts, dass der UVS im Antrag zu V57/00 im Zitat des aufzuhebenden Halbsatzes, den im Falle einer Aufhebung sinnlos werdenden Beistrich nicht nennt und entgegen dem Wortlaut der Verordnung "u.dgl." "und dgl." zitiert. Daraus abzuleiten - so die Argumentation der Burgenländischen Landesregierung -, dass der Antrag unzulässig ist, verbietet sich. Insgesamt genügt das Aufhebungsbegehren den Anforderungen des §57 Abs1 VfGG und lässt nicht offen, welche Verordnungsvorschriften nach Auffassung des UVS der Aufhebung verfallen sollen.

1.2. Dem Vorbringen der Burgenländischen Landesregierung, dass der Antrag zu V4/02 unzulässig sei, da der UVS - als Behörde der der Antrag zuzurechnen sei - lediglich dem Kopf des Schreibens jedoch nicht der Fertigungsklausel zu entnehmen sei, ist entgegen zu halten, dass die von ihr zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 19. Dezember 2000, Z2000/14/0196) die Zurechnung von Bescheiden einer Behörde betrifft und es sich im vorliegenden Fall um einen auf Art139 B-VG gestützten Antrag an den Verfassungsgerichtshof handelt, dem aus der Bezeichnung des Antragstellers zweifelsfrei zu entnehmen ist, dass er dem Unabhängigen Verwaltungssenat Burgenland zuzurechnen ist.

Darüber hinaus ist der Burgenländischen Landesregierung entgegenzuhalten, dass gemäß §51c VStG der Unabhängige Verwaltungssenat über eine Berufung, wenn weder eine primäre Freiheitsstrafe noch eine 10.000,- S (idF vor der Verwaltungsverfahrensnovelle 2001, BGBl. I Nr. 137/2001) bzw. eine 2.000 € (idF des Verwaltungsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 65/2002) übersteigende Geldstrafe verhängt wurde, durch Einzelmitglied entscheidet. Dieses nach der Geschäftsverteilung zuständige Mitglied ist daher auch im Verfahren nach Art139 Abs1 B-VG zur Antragstellung namens des Unabhängigen Verwaltungssenates berufen (vgl. zu Art140 B-VG VfSlg. 12.845/1991).

2. Die Anträge sind zulässig, jedoch nicht berechtigt:

2.1. Gemäß Art18 Abs1 B-VG darf die gesamte staatliche Verwaltung nur auf Grund der Gesetze ausgeübt werden.

Gemäß Art18 Abs2 B-VG kann jede Verwaltungsbehörde aufgrund der Gesetze innerhalb ihres Wirkungsbereiches Verordnungen erlassen. "Art 18 Abs2 B-VG unterstreicht diese Gesetzesabhängigkeit (auch) der Verordnungen, indem er betont, daß diese nur 'auf Grund der Gesetze' erlassen werden können, was mit anderen Worten heißt, daß eine Verordnung nur präzisieren darf, was in den wesentlichen Konturen schon im Gesetz vorgezeichnet ist" (Ringhofer, Die Österreichische Bundesverfassung, 82, so auch VfSlg. 14.314/1995, 14.630/1996, 15.354/1998).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs sind jedoch bei Ermittlung des Inhaltes einer gesetzlichen Regelung alle der Auslegung zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen. Erst wenn auch nach Heranziehung sämtlicher Interpretationsmethoden noch nicht beurteilt werden kann, wozu das Gesetz die Verwaltungsbehörde ermächtigt, verletzt die Regelung die in Art18 B-VG enthaltenen rechtsstaatlichen Erfordernisse (vgl. VfSlg. 4139/1962, 5923/1969, 5993/1969, 7163/1973, 7521/1975, 8209/1977, 8395/1978, 11.499/1987, 14.466/1996).

2.2. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur stellt sich auch im vorliegenden Zusammenhang in erster Linie die Frage, ob die angefochtene Verordnungsbestimmung, die eine Regelung über Einfriedungen ua. in Form lebender Zäune und Hecken trifft, noch auf das Bgld. BauG gestützt werden kann:

Die Landesregierung hat gemäß §4 Bgld. BauG nach Maßgabe der in §3 Z3 bis 6 leg. cit. festgelegten Kriterien die näheren Vorschriften über die Zulässigkeit von Bauvorhaben durch Verordnung zu regeln (Bauverordnung). Bauvorhaben sind gemäß der Legaldefinition des §2 Abs4 Bgld. BauG die Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Bauwerken und damit im Zusammenhang stehende Maßnahmen, die baupolizeiliche Interessen berühren. Die Gesetzesmaterialien erläutern "Maßnahmen" gemäß §2 Abs4 Bgld. BauG lediglich dahingehend näher, dass damit jedenfalls keine Anschüttungen gemeint seien. Darüber hinaus ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien kein Hinweis über die Bedeutung des Begriffs "Maßnahmen". Auf lebende Hecken gehen die Gesetzesmaterialien (zB zum Unterschied zu jenen zum Begriff der Bauvorhaben gemäß §2 Abs1 lite Vorarlberger Baugesetz) nicht ein.

Unter diesen Maßnahmen sind somit gemäß der Wortinterpretation nach dem Bgld. BauG solche zu verstehen, die zwar nicht mit der Errichtung eines Gebäudes oder Bauwerkes gleichzusetzen sind, aber in einem engen Zusammenhang mit einer baulichen Nutzung stehen und baupolizeiliche Interessen berühren. Die Verordnungsermächtigung des §4 Bgld. BauG bestimmt den Verordnungsinhalt insofern näher, als sie auf die in §3 Z3 bis 6 leg. cit. festgelegten Kriterien Bezug nimmt. Zwei dieser gesetzlich festgelegten Kriterien für die Zulässigkeit von Bauvorhaben ("Baupolizeiliche Interessen") sind einerseits, dass sie das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigen (Z4) und andererseits, dass durch die bestimmungsgemäße Benützung eines Bauvorhabens eine Gefährdung oder das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigungen der Nachbarn nicht zu erwarten sind (Z5).

Um zu ermitteln, ob eine Einfriedung in Form eines lebenden Zauns als eine mit der Errichtung oder Änderung von Gebäuden oder Bauwerken im Zusammenhang stehende Maßnahme, die baupolizeiliche Interessen berührt und damit als ein Bauvorhaben, dessen Zulässigkeit durch die BauVO gemäß §4 Bgld. BauG nach Maßgabe der in §3 Z3 bis 6 leg. cit. festgelegten Kriterien näher zu bestimmen ist, angesehen werden kann, muss zunächst der Begriff der Einfriedung näher untersucht werden:

Das Burgenländische Baugesetz definiert den Begriff der Einfriedung nicht; nach dem Bauwörterbuch von Frommhold-Gareiß ist eine Einfriedung ein Abschluss und Schutz eines Grundstückes als Zaun (Latten-Drahtzaun usw.), Mauer, Hecke usw.; nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1995, Zl. 94/06/0246, ist unter einer Einfriedung eine Einrichtung zu verstehen, die ein Grundstück einfrieden, d.h. schützend umgeben soll. Damit setzt eine Einfriedung zwar kein Gebäude auf einem Grundstück voraus, steht jedoch - wenn man von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht - typischerweise in engem Zusammenhang mit einem auf einem Grundstück errichteten Gebäude oder Bauwerk.

Weiters ist zu untersuchen, ob eine lebende Einfriedung geeignet ist, baupolizeiliche Interessen zu berühren. Die baupolizeilichen Interessen ergeben sich aus den in §3 Bgld. BauG aufgezählten Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Bauvorhaben. Darunter fallen die Eignung, das Orts- und Landschaftsbild zu beeinträchtigen (§3 Z4 leg. cit.) oder die mögliche Gefährdung oder die das ortsübliche Ausmaß übersteigende Beeinträchtigung der Nachbarn durch die bestimmungsgemäße Benutzung von Bauvorhaben (§3 Z5 leg. cit.). Es bedarf keiner näheren Begründung, dass nicht nur eine Einfriedung in Form eines Bauwerkes (Sockel mit Umzäunung) sondern auch durch eine lebende Hecke geeignet ist, das Orts- und Landschaftsbild wesentlich zu beeinträchtigen. Außerdem kann eine lebende Hecke infolge ihrer Höhenentwicklung den Lichteinfall auf das Nachbargrundstück beeinträchtigen.

Eine Einfriedung in Form eines lebenden Zauns oder einer Hecke kann somit als eine "damit" - nämlich mit der Errichtung eines Gebäudes oder eines Bauwerkes - "im Zusammenhang stehende Maßnahme", die baupolizeiliche Interessen berührt, auf §4 iVm §3 Z4 und 5 Bgld. BauG gestützt werden. Es ist auch - im Hinblick darauf, dass eine Einfriedung definitionsgemäß auch dem Schutz eines unbebauten Grundstückes dienen kann - nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich, dass es sich um eine "ausschließlich" mit Gebäuden oder Bauwerken im Zusammenhang stehende Maßnahme handelt.

Die Anträge sind daher abzuweisen.

3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Baurecht, Einfriedungen, Unabhängiger Verwaltungssenat, VfGH / Formerfordernisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2003:V57.2000

Dokumentnummer

JFT_09969384_00V00057_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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