Index
62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §10 Abs1 Z1 idF 2004/I/077;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Müller und die Hofräte Dr. Strohmayer und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Marzi, über die Beschwerde des N D in Wien, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Taborstraße 23, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 12. Februar 2007, Zl. LGSW/Abt. 3-AlV/05661/2006-10910, betreffend Verlust des Anspruches auf Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem in Bezug von Notstandshilfe stehenden Beschwerdeführer wurde vom Arbeitsmarktservice Wien, Regionale Geschäftsstelle Redergasse (in der Folge AMS Redergasse), am 18. Oktober 2006 eine Stelle als Lagerarbeiter bei der S GmbH zugewiesen. Im Stelleninserat war als Voraussetzung unter anderem ein "Hubstaplerschein mit Praxis" angegeben.
In einer vor dem AMS Redergasse aufgenommenen Niederschrift vom 31. Oktober 2006 ist eine Stellungnahme der S GmbH wiedergegeben, wonach der Beschwerdeführer angegeben habe, keinen Hubstaplerschein zu besitzen. Daher komme er für die Stelle nicht in Frage. Außerdem findet sich in der Niederschrift die Aussage des Beschwerdeführers, er habe einen Staplerschein, glaube aber, der Hubstaplerschein sei ein anderer Schein. Der Niederschrift ist eine Kopie eines auf den Beschwerdeführer lautendenden "Staplerführerausweis" angeschlossen.
Mit Bescheid des AMS Redergasse vom 23. November 2006 wurde dem Beschwerdeführer die Notstandshilfe für den Zeitraum vom 1. November bis zum 12. Dezember 2006 entzogen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers ab. In der Begründung stellte sie zunächst - soweit wesentlich - fest, dass dem Beschwerdeführer eine Beschäftigung als Lagerarbeiter bei der S GmbH mit zumindest kollektivvertraglicher Entlohnung zugewiesen worden sei. Unter anderem sei ein Hubstaplerschein Voraussetzung für eine Anstellung gewesen. Der Beschwerdeführer habe einen Staplerschein. Das Dienstverhältnis sei deshalb nicht zu Stande gekommen, weil der Beschwerdeführer angegeben habe, keinen Hubstaplerschein zu haben. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer, selbst wenn er davon ausgegangen sei, dass zwischen einem Staplerschein und einem Hubstaplerschein ein Unterschied bestehe, im Zuge des Bewerbungsgespräches zumindest hätte anführen müssen, dass er einen Staplerschein besitze. Dadurch, dass er dies unterlassen habe, habe er bewusst in Kauf genommen, dass ein Beschäftigungsverhältnis nicht zu Stande komme.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, eine Gegenschrift erstattet und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 9 Abs. 1 AlVG ist arbeitswillig, wer (unter anderem) bereit ist, eine durch die regionale Geschäftsstelle vermittelte zumutbare Beschäftigung anzunehmen.
Gemäß § 9 Abs. 2 AlVG in der zeitraumbezogen anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 77/2004 ist eine Beschäftigung zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können. Als angemessene Entlohnung gilt grundsätzlich eine zumindest den jeweils anzuwendenden Normen der kollektiven Rechtsgestaltung entsprechende Entlohnung.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG idF BGBl. I Nr. 77/2004 verliert eine arbeitslose Person, wenn sie sich weigert, eine ihr von der regionalen Geschäftsstelle zugewiesene zumutbare Beschäftigung anzunehmen oder die Annahme einer solchen Beschäftigung vereitelt, für die Dauer der Weigerung, mindestens jedoch für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen, den Anspruch auf Arbeitslosengeld.
Gemäß § 10 Abs. 3 AlVG ist der Anspruchsverlust in berücksichtigungswürdigen Fällen wie z.B. bei Aufnahme einer anderen Beschäftigung nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.
Diese Bestimmungen sind gemäß § 38 AlVG sinngemäß auch auf die Notstandshilfe anzuwenden.
Die Bestimmungen der §§ 9 und 10 AlVG sind Ausdruck des dem gesamten Arbeitslosenversicherungsrecht zu Grunde liegenden Gesetzeszweckes, den arbeitslos gewordenen Versicherten, der trotz Arbeitsfähigkeit und Arbeitswilligkeit nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keinerlei Beschäftigung gefunden hat, möglichst wieder durch Vermittlung in eine ihm zumutbare Beschäftigung einzugliedern und ihn so in die Lage zu versetzen, seinen Lebensunterhalt ohne Zuhilfenahme öffentlicher Mittel zu bestreiten. Wer eine Leistung der Versichertengemeinschaft der Arbeitslosenversicherung in Anspruch nimmt, muss sich daher darauf einstellen, eine ihm angebotene zumutbare Beschäftigung anzunehmen, d.h. bezogen auf eben diesen Arbeitsplatz arbeitswillig zu sein (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, Zl. 2006/08/0157).
Um sich in Bezug auf eine von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vermittelte zumutbare Beschäftigung arbeitswillig zu zeigen, bedarf es grundsätzlich einerseits eines auf die Erlangung dieses Arbeitsplatzes ausgerichteten, unverzüglich zu entfaltenden aktiven Handelns des Arbeitslosen und andererseits auch der Unterlassung jedes Verhaltens, welches objektiv geeignet ist, das Zustandekommen des konkret angebotenen Beschäftigungsverhältnisses zu verhindern. Das Nichtzustandekommen eines die Arbeitslosigkeit beendenden zumutbaren Beschäftigungsverhältnisses kann vom Arbeitslosen - abgesehen vom Fall der ausdrücklichen Weigerung, eine angebotene Beschäftigung anzunehmen - somit auf zwei Wegen verschuldet, die Annahme der Beschäftigung also auf zwei Wegen vereitelt werden: Nämlich dadurch, dass der Arbeitslose ein auf die Erlangung des Arbeitsplatzes ausgerichtetes Handeln erst gar nicht entfaltet (etwa durch Unterlassen der Vereinbarung eines Vorstellungstermins oder Nichtantritt der Arbeit), oder dadurch, dass er den Erfolg seiner (nach außen zu Tage getretenen) Bemühungen durch ein Verhalten, welches nach allgemeiner Erfahrung geeignet ist, den potentiellen Dienstgeber von der Einstellung des Arbeitslosen abzubringen, zunichte macht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0209, mwN).
Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten eines Vermittelten als Vereitelung im Sinne des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, kommt es zunächst darauf an, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Ist die Kausalität zwischen dem Verhalten des Vermittelten und dem Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen, dann muss geprüft werden, ob der Vermittelte vorsätzlich gehandelt hat, wobei bedingter Vorsatz (dolus eventualis) genügt. Ein bloß fahrlässiges Handeln, also die Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt, reicht zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht aus (vgl. z.B. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0209, mwN).
Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er über einen "Staplerführerausweis" verfügt. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie aufgrund der in der Niederschrift vom 31. Oktober 2006 wiedergegebenen Stellungnahme der S GmbH, der Beschwerdeführer käme mangels Hubstaplerschein nicht für die Beschäftigung in Frage, annahm, dass die Unterlassung der Erwähnung des Staplerführerausweises ursächlich für das Nicht-Zustandekommen der Beschäftigung war.
Soweit der Beschwerdeführer angibt, er habe geglaubt, der Staplerführerausweis sei etwas anderes als ein Hubstaplerschein, ist ihm entgegenzuhalten, dass es bei allfälligen Zweifeln, ob der Staplerführerausweis auch die Berechtigung zum Führen von Hubstaplern umfasst, an ihm gelegen wäre, sich durch entsprechende Rückfragen Klarheit zu verschaffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, Zl. 97/08/0536, zu Zweifeln an der kollektivvertragsentsprechenden Entlohnung). Dem Besitzer eines Staplerführerausweises kann aber unterstellt werden, dass ihm die Berechtigung zur Führung eines Hubstaplers wohl bekannt ist. Verneinte er dennoch, einen "Hubstaplerschein" zu besitzen, so stellt dies daher eine Vereitelungshandlung dar. Dolus eventualis im Sinne der oben genannten Judikatur lag somit vor.
Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde erstmals als Verfahrensmangel geltend, dass die Behörde aufgrund seiner mangelhaften Deutschkenntnisse einen Dolmetscher hätte beiziehen müssen. Dieses neue Vorbringen ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtlich.
Ferner moniert der Beschwerdeführer, es hätte ihm Nachsicht gemäß § 10 Abs. 3 AlVG erteilt werden müssen. Eine solche Nachsicht käme aber nur in Frage, wenn der Leistungsverlust den Beschwerdeführer aus bestimmten Gründen unverhältnismäßig härter träfe, als dies sonst ganz allgemein der Fall ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2006, 2004/08/0265). Solche Gründe nennt der Beschwerdeführer allerdings nicht und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 2. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007080106.X00Im RIS seit
06.05.2008Zuletzt aktualisiert am
22.09.2008