TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/3 2006/09/0059

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Veröffentlicht am 03.04.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §56;
AVG §58 Abs3;
AVG §59 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;
VVG §1;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler und Dr. Doblinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gubesch, über die Beschwerde der Mag. G G in I, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 27. Jänner 2006, Zl. uvs- 2006/18/0078-1, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Verwaltungsstrafangelegenheit nach dem AuslBG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seiner Anfechtung, das ist insoweit die Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck, datiert mit 21. November 2005 zurückgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 9. November 2005 wurde die Beschwerdeführerin für schuldig erkannt, in der Zeit vom 26. November 2003 bis 25. Februar 2004 in ihrem Gastgewerbebetrieb in Innsbruck einen namentlich bezeichneten kroatischen Staatsangehörigen entgegen § 3 AuslBG als Hilfskraft beschäftigt zu haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde sie mit einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) bestraft.

Dieser Bescheid wurde dem im Verfahren vor der Behörde erster Instanz ausgewiesenen Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin, Dr. A. O., am 11. November 2005 zugestellt.

Mit Eingabe Dris A. O. vom 14. November 2005 teilte dieser der Behörde erster Instanz die zwischenzeitig erfolgte Auflösung des Vollmachtsverhältnisses mit und ersuchte unter Beifügung der an ihn zugestellten Bescheidausfertigung, den Bescheid vom 9. November 2005 neuerlich direkt an die Beschwerdeführerin zuzustellen.

Diesem Ersuchen gab die Behörde erster Instanz insofern Folge, als sie eine - nunmehr mit 21. November 2005 datierte - Ausfertigung ihres Bescheides direkt der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung zustellte. Als erster Tag der Abholfrist wurde der 23. November 2005 genannt.

Gegen diesen Bescheid (vom 21. November 2005) erhob die Beschwerdeführerin, nunmehr vertreten durch die nunmehrigen Beschwerdevertreter, am 23. Dezember 2005 (Datum der Postaufgabe) Berufung.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 27. Jänner 2006 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin als verspätet zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde aus, das Straferkenntnis vom 9. November 2005 sei der Beschwerdeführerin zu Handen ihres damals ausgewiesenen Rechtsvertreters gültig am 11. November 2005 zugestellt worden. Die Mitteilung von der Auflösung des Mandatsverhältnisses sei erst nach Zustellung dieses Straferkenntnisses erfolgt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes werde die Kündigung einer Vollmacht eines Parteienvertreters der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn sie ihr mitgeteilt werde. Somit habe die Erstbehörde zum Zeitpunkt der Zustellung des Straferkenntnisses an die Beschwerdeführerin zu Handen ihrer (damaligen) Rechtsvertreter am 11. November 2005 noch von einem gültigen Vertretungsverhältnis ausgehen können bzw. müssen, sodass die Zustellung des Bescheides vom 9. November 2005 rechtsgültig gewesen sei. Damit wäre eine rechtzeitige Berufung bis spätestens 25. Mai 2005 (richtig: 25. November 2005) einzubringen gewesen. Der Umstand, dass die Erstbehörde, offenbar auf Grund des Schreibens vom 14. November 2005, eine neuerliche Zustellung des vollkommen inhaltsgleichen Straferkenntnisses, welches offenbar lediglich auf Grund der Abfertigung am 21.11.2005 diese Datierung aufweise, an die Beschwerdeführerin selbst durch die postamtliche Hinterlegung am 23. November 2005 vorgenommen habe, habe in Entsprechung des § 6 Zustellgesetz keinen neuerlichen Lauf der Berufungsfrist auslösen können, zumal nach dieser Bestimmung die neuerliche Zustellung des gleichen Dokumentes keine Rechtswirkungen auslöse. Somit sei die Berufung verspätet gewesen.

Die Beschwerde richtet sich nach ihrem erkennbaren Inhalt nur insoweit gegen den angefochtenen Bescheid, als dadurch die Berufung gegen das Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Innsbruck vom 21. November 2005 zurückgewiesen wurde. Sie macht die Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf inhaltliche Behandlung ihrer Berufung sowie in ihrem Recht, nicht wegen derselben Tat zweimal bestraft zu werden verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in welcher die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin bringt vor, entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde sei der Bescheid vom 9. November 2005 nicht ident mit dem vom 21. November 2005. Selbst wenn der Bescheid vom 9. November 2005 wegen der rechtmäßigen Zustellung am 11. November 2005 mit Ablauf des 25. November 2005 in Rechtskraft erwachsen sei, könne die Berufung gegen den Bescheid vom 21. November 2005 nicht mit Hinweis auf die bereits mit 25. November 2005 abgelaufene Berufungsfrist als verspätet zurückgewiesen werden. Richtigerweise hätte die belangte Behörde der Berufung gegen den Bescheid vom 21. November 2005 stattgeben und diesen wegen entschiedener Sache ersatzlos beheben müssen, weil in dieser Sache bereits am 9. November 2005 ein Bescheid ergangen sei. So sei die Beschwerdeführerin auf Grund desselben Sachverhaltes nunmehr durch den rechtskräftigen Bescheid vom 9. November 2005 sowie durch den rechtskräftigen Bescheid vom 21. November 2005 mit einer Strafe von jeweils EUR 1.500,-- samt Verfahrenskosten belastet worden, beide Bescheide könnten unabhängig voneinander vollstreckt werden. Dies verstoße gegen das Doppelbestrafungsverbot und mache den angefochtenen Bescheid rechtswidrig.

Mit diesem Vorbringen ist die Beschwerdeführerin im Ergebnis im Recht.

Die der Beschwerdeführerin am 21. November 2005 zugestellte "Ausfertigung" des erstinstanzlichen Straferkenntnisses ist nicht als bloße weitere Ausfertigung des - rechtswirksam am 11. November 2005 zugestellten - Straferkenntnisses vom 9. November 2005 anzusehen, sondern als ein gesonderter Bescheid. Dies resultiert insbesondere aus der unterschiedlichen Datierung der beiden Straferkenntnisse. Sowohl das Datum als auch die genaue Bezeichnung des(r) Bescheidadressaten sind gesetzlich zwingende Bestandteile eines jeden Bescheides (§ 58 Abs. 3 in Verbindung mit § 18 Abs. 4 erster Satz AVG; vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1995, Zl. 95/11/0333). Auf Grund der mit unterschiedlichen Daten versehenen Straferkenntnisse könnte gemäß § 1 VVG auch - wie in der Beschwerde zutreffend geltend gemacht wird - die verhängte Strafe doppelt vollstreckt werden, weil im Vollstreckungsverfahren eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Titelbescheides nicht mehr aufgerollt werden kann (vgl. etwa die in Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2, E 148 zu § 1 VVG abgedruckte hg. Rechtsprechung).

Die Behörde erster Instanz hat daher durch den am 23. November 2005 zugestellten (zweiten) Strafbescheid neuerlich in einer schon bescheidmäßig abgeschlossenen Verwaltungsstrafsache ein - wenngleich materiell gleichlautendes - Straferkenntnis erlassen. Sie hat damit aber rechtswidrig gehandelt und gegen die materielle Rechtskraft des bereits erlassenen, mit 9. November 2005 datierten, am 11. November 2005 zugestellten Straferkenntnisses verstoßen. Dies hätte zur Aufhebung des (zweiten) Strafbescheides vom 21. November 2005 wegen Verletzung des Grundsatzes ne bis in idem führen müssen. Die am 23. Dezember 2005 erhobene Berufung ist im Hinblick auf die bis 8. Dezember 2005 dauernde Ortsabwesenheit gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG jedenfalls als rechtzeitig erhoben zu betrachten.

Dadurch, dass die belangte Behörde dies nicht erkannt hat, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH- Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 3. April 2008

Schlagworte

Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle ErfordernisseInhalt des Spruches Anführung des BescheidadressatenInhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)Datum

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2006090059.X00

Im RIS seit

30.04.2008

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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