Index
L10011 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Burgenland;Norm
BauG Bgld 1997 §18;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der Gemeinde M, vertreten durch S und H Rechtsanwälte OEG, der gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Güssing vom 24. Jänner 2008, Zl. GS-02-04-11-6, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. A und 2. B, beide vertreten durch Rechtsanwälte C OG), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag stattgegeben.
Begründung
Die Gemeindebehörden wiesen ein Bauansuchen der mitbeteiligten Bauwerber wegen der Unvereinbarkeit des Vorhabens mit der Widmung "gemischtes Baugebiet" ab. Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer dagegen erstatteten Vorstellung der Mitbeteiligten Folge und hob den Bescheid des Gemeinderates auf; tragend dafür war, dass die Vorstellungsbehörde das Vorhaben rechtlich anders qualifizierte, weshalb ein weiteres Ermittlungsverfahren erforderlich sei.
Mit ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde verband die beschwerdeführende Gemeinde den Antrag, ihr die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Begründend führt die Beschwerdeführerin aus, der Gemeinderat müsste, wenn der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wird, noch während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens das Vorhaben bewilligen. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes wäre dann "hinfällig", weil die Baubewilligung selbst für den Fall, dass die Gemeinde im gegenständlichen Verfahren in der Sache obsiege, nicht wieder - sei es gemäß § 68 AVG oder gemäß § 33 Bgld BauG - aufgehoben werden könne. Die mitbeteiligten Parteien hätten es jedenfalls durch Zurückziehung ihrer Vorstellung in der Hand, dass selbst nach Aufhebung des angefochtenen Bescheids durch den Verwaltungsgerichtshof kein die Baubewilligung versagender Ersatzbescheid erlassen werden könne. Der entstehende Schaden wäre unwiederbringlich und auch nicht durch Geld ausgleichbar. Dies widerspräche jedoch - wie der Verwaltungsgerichtshof selbst betont - der Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der österreichischen Bundesverfassung.
Dem halten die Mitbeteiligten in ihrer Äußerung entgegen, allein die Berufung einer Gemeinde auf das Recht auf Selbstverwaltung könne nicht dazu führen, dass ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzubilligen wäre. "Unverhältnismäßige" Nachteile zu ihren Lasten gingen aus der Antragsbegründung der Beschwerdeführerin nicht hervor. Insbesondere entspreche es auch nicht der geltenden Rechtslage, dass die Verweigerung der aufschiebenden Wirkung zu einer "nicht mehr aus dem Rechtsbestand zu beseitigenden baubehördlichen Bewilligung" führen würde; ein späteres Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs wäre selbstverständlich von den Behörden zu beachten und umzusetzen.
Die belangte Behörde führte in ihrer Stellungnahme aus, dass der aufschiebenden Wirkung keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen stünden.
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem zwingende öffentliche Interessen nicht entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug des Bescheides für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Der Verwaltungsgerichtshof hat schon im Beschluss vom 23. November 1987, Zl. AW 87/05/0031, BauSlg. Nr. 1009, einer beschwerdeführenden Gemeinde gegen einen aufhebenden Vorstellungsbescheid die aufschiebende Wirkung zuerkannt. Im Rahmen ihrer gesetzlichen Verpflichtungen bzw. zur Vermeidung des Eintrittes einer Säumigkeit seien die Gemeindebehörden nämlich verpflichtet, im Sinne der tragenden Aufhebungsgründe vorzugehen, was zu einer Baubewilligung führen könnte, die auch bei einer den Vorstellungsbescheid behebenden Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht mehr reversibel wäre. Dies widerspräche der Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Bundesverfassung. Dem ist der Verwaltungsgerichtshof mehrfach, beispielsweise in seinen Beschlüssen vom 29. Jänner 2004, Zl. AW 2003/06/0055, und vom 3. Mai 2006, Zl. AW 2006/05/0026, gefolgt.
Ein ganz anderer Sachverhalt lag dem hg. Beschluss vom 1. August 2007, Zl. AW 2007/05/0055, zu Grunde: Die Beschwerde gemäß Art. 119a Abs. 9 B-VG richtete sich gegen einen Vorstellungsbescheid, mit welchem die im innergemeindlichen Instanzenzug erfolgte Erteilung der Baubewilligung aufgehoben worden war. Die Folge, dass die Gemeindebehörden auf Grund der bindenden Rechtsansicht eine Baubewilligung erteilen und damit ein irreversible Entscheidung treffen müssen, konnte bei der dort gegebenen Verfahrenskonstellation nicht eintreten.
Vielmehr besteht auch hier die Gefahr, dass tatsächlich ein irreversibler Zustand geschaffen wird; dies wäre ein größerer Nachteil als derjenige, der den Mitbeteiligten durch eine verzögerte Bauführung entsteht. Der Gefahr des Eintritts des möglicherweise unwiderruflichen Zustandes kann somit nur durch die Gewährung der aufschiebenden Wirkung begegnet werden. Wien, am 3. April 2008
Schlagworte
Besondere Rechtsgebiete BaurechtBindung an die Rechtsanschauung der Vorstellungsbehörde ErsatzbescheidUnverhältnismäßiger NachteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:AW2008050018.A00Im RIS seit
01.08.2008Zuletzt aktualisiert am
10.03.2011