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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
UVPG 2000 §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der L GmbH in Leibnitz, vertreten durch K C & Partner, Rechtsanwälte, der gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 17. November 2007, Zl. US 3B/2006/16-114, betreffend Einwendungen gegen die Änderung bzw. Erweiterung eines Steinkohlekraftwerkes (mitbeteiligte Partei: V GmbH & Co KG, vertreten durch O, O, K, H, Rechtsanwälte GmbH), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:
Spruch
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.
Begründung
Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.
Mit Schriftsatz vom 26. April 2005 beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Steiermärkischen Landesregierung unter Vorlage einer Umweltverträglichkeitserklärung die Genehmigung für die Erweiterung des am Standort M bestehenden Steinkohlekraftwerks durch ein Gas- und Dampfturbinen-Kombinationskraftwerk (in der Folge: GDK- M) mit einer maximalen Brennstoffwärmeleistung von 1.613 MW samt Fernwärmeauskopplung gemäß § 3a Abs. 1 Z. 1, § 5, § 17 und § 39 iVm mit Anhang 1, Spalte 1 Z 4 lit. a Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000.
Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Einwendungen.
Mit Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 31. Mai 2006 wurde der mitbeteiligten Partei die beantragte Bewilligung gemäß § 17 UVP-G 2000 unter Vorschreibung von Nebenbestimmungen erteilt.
In der dagegen erhobenen Berufung führte die Beschwerdeführerin u.a. aus, die Bewilligungsbehörde hätte ihr im Verfahren Parteistellung gemäß § 19 Abs. Z. 1 und 2 UVP- 2000 zuerkennen und damit Schutz vor einer Beeinträchtigung des bei der sog. "K-Quelle" förderbaren (Grund-)Wassers vor einer quantitativen und qualitativen Beeinträchtigung gewähren müssen. Diese Quelle liege rd. 120 Meter südöstlich des Bereiches, der für das Vorhaben der mitbeteiligten Partei vorgesehen sei. Die Beschwerdeführerin sei auf Grund eines mit der Grundeigentümerin abgeschlossenen Dienstbarkeitsvertrages berechtigt, das aus der genannten Quelle austretende Wasser zu fassen, zu beziehen und abzuleiten. Sie verfüge über ein nach § 12 Abs. 2 WRG 1959 geschütztes Recht im Sinne einer rechtmäßig geübten Wassernutzung und über eine Nutzungsbefugnis nach § 5 Abs. 2 leg. cit. Ihr stehe auch ein dingliches Recht gemäß § 19 Abs. 1 Z. 1 UVP-G 2000 zu, das durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei gefährdet werden könne.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Die belangte Behörde bejahte die Parteistellung der Beschwerdeführerin auf Grund einer mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 20. Dezember 2002 erteilten wasserrechtlichen Bewilligung und beurteilte das in diesem Bescheid gewährte Recht als solches im Sinne des § 12 Abs. 2 WRG 1959, das durch das Vorhaben der mitbeteiligten Partei berührt sein kann. Dieses Recht werde jedoch projektsgemäß weder direkt noch indirekt in Anspruch genommen. Weder in quantitativer noch in qualitativer Hinsicht könne eine zumindest spürbare Berührung dieses Rechtes durch das bewilligte Vorhaben festgestellt werden.
Gleichzeitig mit ihrer dagegen erhobenen Beschwerde beantragt die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründet wird dies im Wesentlichen damit, dass mit der Ausübung der der mitbeteiligten Partei erteilten Berechtigung eine qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers, das bei der "K-Quelle" gefördert werden könne, zu erwarten sei. Eine solche "quantitative" (gemeint offenbar: qualitative) Beeinträchtigung wäre - auch wenn sie nur vorübergehend eintrete - irreversibel. Damit wäre für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden. Der Schutz des Grundwassers vor Verunreinigung sei von einem wesentlichen öffentlichen Interesse.
Die mitbeteiligte Partei sprach sich gegen die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aus und wies darauf hin, dass das GDK M das größte und wichtigste kalorische Kraftwerksprojekt Österreichs sei und auf Grund des stark steigenden Strombedarfs eine rasche Realisierung des Vorhabens dringend geboten sei. Der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde stünden zwingende öffentliche Interessen entgegen. Der Beschwerdeführerin entstünde kein unverhältnismäßiger Nachteil aus der Konsumation des Bescheides. Mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wären für die mitbeteiligte Partei auf Grund der Bauverzögerung enorme Mehrkosten verbunden (wird näher begründet).
Vorweg ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde betreffenden Verfahren die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht zu prüfen hat. Mutmaßungen über den voraussichtlichen Ausgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens haben daher bei der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung außer Betracht zu bleiben. Selbst die mögliche Rechtswidrigkeit des Bescheides ist kein Grund für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, 122). Ist daher das in der Beschwerde erstattete Vorbringen in der Beschwerde nach der Aktenlage nicht etwa von vornherein als zutreffend zu erkennen, ist bei der Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung jedenfalls zunächst von den Annahmen der belangten Behörde auszugehen. Unter den "Annahmen der belangten Behörde" sind hierbei die Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid zu verstehen, die nicht von vornherein als unschlüssig zu erkennen sind bzw. die ins Auge springende Mängel nicht erkennen lassen (vgl. etwa die Beschlüsse vom 24. Mai 1978, Zl. 890/78, und vom 2. April 1994, Zl. AW 94/17/0008).
Im Beschwerdefall kann im Hinblick auf das nicht als unzutreffend zu erkennende Vorbringen der mitbeteiligten Partei davon ausgegangen werden, dass öffentliche Interessen an der Erweiterung des bestehenden Steinkohlekraftwerks im Sinne des bewilligten Vorhabens gegeben sind. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um zwingende öffentliche Interessen i. S. des § 30 Abs. 2 VwGG, weshalb eine Interessenabwägung vorzunehmen war (vgl. den hg. Beschluss vom 21. November 2006, Zl. 2006/05/0057, m.w.N.; die Gründe, die in den hg. Beschlüssen je vom 27. Juli 2007, Zl. AW 2007/05/0027,Zl. AW 2007/05/0029 und Zl. AW 2007/05/0064, betreffend die 380 kV-Starkstromleitung durch das Burgenland und die Steiermark, zur Annahme des Vorliegens zwingender öffentlicher Interessen geführt haben, sind hier nicht nachgewiesen).
Bei der gebotenen Interessenabwägung ist allgemein davon auszugehen, dass das Rechtsinstitut der aufschiebenden Wirkung im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG als ein die Funktionsfähigkeit des Rechtsschutzsystems der Verwaltungsrechtsordnung stützendes Element anzusehen ist. Die in der Bescheidprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof gegebene Rechtsschutzfunktion soll durch einen Vollzug des angefochtenen Bescheides während der Dauer des Beschwerdeverfahrens nicht ausgehöhlt bzw. ausgeschaltet werden (vgl. hiezu etwa die hg. Beschlüsse vom 25. Februar 1981 - verstärkter Senat -, Slg. Nr. 10.381/A, und vom 2. Jänner 1995, Slg. Nr. 11.632/A). Die Interessenabwägung schlägt daher in der Regel dann zu Gunsten der beschwerdeführenden Partei aus, wenn der ihr durch den Vollzug des angefochtenen Bescheides drohende Nachteil im Falle eines Erfolges der Beschwerde nicht (oder nur schwer) rückgängig gemacht werden könnte, während vom Standpunkt der öffentlichen Interessen oder etwa auch der Interessen eines Mitbeteiligten ein Zuwarten mit der Durchsetzung des normativen Gehaltes des Bescheides hingenommen werden kann (vgl. den hg. Beschluss vom 25. März 2003, Zl. AW 2002/04/0046).
Bei Vornahme der Interessensabwägung war zunächst zu beachten, dass im Falle des Obsiegens der Beschwerdeführerin die mitbeteiligte Partei die Folgen einer dann allenfalls gegebenen Konsenslosigkeit des zwischenzeitig ausgeführten Vorhabens zu tragen hat. Die durch die Ausführung der bewilligten Erweiterung der bestehenden Anlage der mitbeteiligten Partei eintretenden Veränderungen sind grundsätzlich nicht irreversibel. Gegenteiliges wird auch von der Beschwerdeführerin nicht begründet dargelegt.
Aber auch die bei Ausführung des Vorhabens zu erwartenden, von der Beschwerdeführerin als qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers behaupteten Eingriffe in den Grundwasserhaushalt sind als nicht spürbare Berührung des von ihr geltend gemachten Rechts festgestellt. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrem Antrag ist nicht geeignet, die Beweiswürdigung der Behörde von vornherein als unschlüssig zu erkennen. Im Übrigen ist die Beschwerdeführerin mit dem zur Antragsbegründung erstatteten Vorbringen dem Konkretisierungsgebot nicht ausreichend nachgekommen, weil keine Konkretisierung hinsichtlich Art und Ausmaß der befürchteten Grundwasserverschmutzung erfolgte (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 23. Mai 2007, Zl. AW 2007/07/0021). Konkrete, nachvollziehbare Angaben für eine mögliche Beurteilung eines unmittelbar drohenden Nachteils der Beschwerdeführerin, die derzeit aus der genannten Quelle kein Wasser bezieht, für die Dauer des Beschwerdeverfahrens fehlen.
Während die massiven Interessen der mitbeteiligten Partei auf der Hand liegen, lässt sich ein unverhältnismäßiger Nachteil auf Seiten der Beschwerdeführerin durch die Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung nicht erkennen.
Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung war somit abzuweisen.
Wien, am 9. April 2008
Schlagworte
Interessenabwägung Darlegung der Gründe für die Gewährung der aufschiebenden Wirkung Begründungspflicht Besondere Rechtsgebiete Diverses Zwingende öffentliche Interessen Unverhältnismäßiger NachteilEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:AW2008050006.A00Im RIS seit
07.08.2008Zuletzt aktualisiert am
08.08.2008