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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und den Hofrat Mag. Nedwed, die Hofrätin Dr. Pollak sowie die Hofräte Dr. N. Bachler und MMag. Maislinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des C, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Glacisstraße 69/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 22. Dezember 2006, Zl. 305.698-C1/E1- VI/17/06, betreffend §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als damit Spruchpunkt III. des erstinstanzlichen Bescheides bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der mj. Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Moldau, ist der Sohn von J (hg. Zl. 2007/19/0036), die bereits am 28. Oktober 2002 einen Asylantrag gestellt hatte. Den Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers hat das Bundesasylamt mit Bescheid vom 10. April 2003 gemäß § 7 Asylgesetz 1997 (AsylG) idF vor der Asylgesetz-Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Moldau gemäß § 8 AsylG für zulässig erklärt.
Der Beschwerdeführer selbst gelangte am 28. Dezember 2005 in das Bundesgebiet. Am 24. Februar 2006 stellte seine Mutter als gesetzliche Vertreterin für den Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei machte sie für ihn keine eigenen Fluchtgründe geltend. Mit Bescheid vom 19. September 2006 wies das Bundesasylamt diesen Asylantrag gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Moldau nicht zu (Spruchpunkt II.) und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Moldau aus (Spruchpunkt III.). Diese Entscheidung erging im Rahmen eines Familienverfahrens gemäß § 34 AsylG 2005.
Die gegen diese Entscheidung erhobene Berufung wies die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der die Mutter des Beschwerdeführers befragt worden war, mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 22. Dezember 2006 "gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1 Z 1 und § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG" ab. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf ihre Entscheidung vom 5. Dezember 2006, mit der die Berufung der Mutter des Beschwerdeführers "gem. §§ 7 und 8 Abs. 1 AsylG" abgewiesen wurde. Deren Angaben zu ihren behaupteten Fluchtgründen seien "völlig unglaubwürdig".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen hat:
1. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde liegt den Verwaltungsakten eine Übersetzung der Berufung der Mutter des Beschwerdeführers aus der russischen Sprache bei. Eine solche wurde bereits am 5. Juni 2003 von der Übersetzerin persönlich bei der belangten Behörde abgegeben. Auch existiert ein Protokoll über die Verhandlung vom 29. November 2006 vor der belangten Behörde, welches nach Rückübersetzung durch den Dolmetscher von der Mutter des Beschwerdeführers eigenhändig unterfertigt ist. Die von der Beschwerde relevierten Verfahrensmängel liegen somit nicht vor (vgl. den hg. Ablehnungsbeschluss vom heutigen Tag, Zl. 2007/19/0036). Die belangte Behörde ist daher zutreffend vom Fehlen einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr und eines Refoulementhindernisses auch für den Beschwerdeführer ausgegangen, sodass die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestätigungen der Spruchpunkte I. und II. des erstinstanzlichen Bescheides richtet, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
2. Mit der durch den angefochtenen Bescheid erfolgten Bestätigung des Spruchpunktes III. des erstinstanzlichen Bescheides (Ausweisung des mj. Beschwerdeführers ohne seine Mutter nach Moldau) hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt:
3. Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten wie folgt:
"Verbindung mit einer Ausweisung
§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn
...
2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;
...
(2) Ausweisungen nach Abs. 1 sind unzulässig, wenn
...
2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden.
...
Familienverfahren im Inland
§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger (§ 2 Z 22) von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist, oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Familienangehörigen in einem anderen Staat nicht möglich ist.
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines im Bundesgebiet befindlichen Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, es sei denn,
1. dass die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Angehörigen in einem anderen Staat möglich ist, oder
2. dem Asylwerber der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen und es erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Statuts des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen.
Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (952 BlgNR
XXII. GP, 54) heißt es zu § 34 AsylG 2005 auszugsweise:
"Der vorgeschlagene § 34 - er entspricht im Wesentlichen dem
§ 10 Asylgesetz 1997 - dient der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband; das durch die AsylG-Nov 2003 geschaffene Regelungssystem ersetzt die so genannte 'Asylerstreckung'. ... Die Asylverfahren einer Familie sind unter einem zu führen, wobei jeder Antrag auf internationalen Schutz gesondert zu prüfen ist; es erhalten alle Familienmitglieder einen eigenen Bescheid, mit dem über die Asylgewährung oder die subsidiäre Schutzgewährung abgesprochen wird. Jener Schutzumfang, der das stärkste Recht gewährt, ist auf alle Familienmitglieder anzuwenden. Das gemeinsame Führen der Verfahren hat den Vorteil, dass möglichst zeitgleich über die Berechtigungen, die Österreich einer Familie gewährt, abgesprochen wird. ..."
4. Daraus ist die Intention des Gesetzgebers klar ersichtlich, das mit § 10 AsylG idF der AsylG-Novelle BGBl. I Nr. 101/2003 geschaffene Familienverfahren in das AsylG 2005 zu übernehmen.
Beschwerdefallbezogen bedeutet dies, dass die Erwägungen im hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 2007, Zl. 2007/19/1054, auf welches gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, auch in der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation Platz zu greifen haben. Der Asylantrag der Mutter des Beschwerdeführers wurde vor Inkrafttreten der AsylG-Novelle 2003 gestellt. Dabei wurde keine Ausweisung verfügt. Der mj. Beschwerdeführer stellte seinen Asylantrag nach Inkrafttreten des AsylG 2005. Eine Ausweisung des Beschwerdeführers durch die Asylbehörden nach dem AsylG 2005 hat daher in einem Fall wie dem vorliegenden zu unterbleiben. Die belangte Behörde hätte die erstinstanzliche Ausweisung des Beschwerdeführers ersatzlos beheben müssen. Die gegenständliche Ausweisung war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in der Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das durch die genannte Verordnung nicht gedeckte Mehrbegehren (darüber hinausgehende Umsatzsteuer) war abzuweisen.
Wien, am 16. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2007190037.X00Im RIS seit
17.06.2008Zuletzt aktualisiert am
26.01.2009