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L34007 Abgabenordnung Tirol;Norm
BAO §116 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hargassner und den Senatspräsidenten Mag. Heinzl sowie die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Zorn und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der A G in I, vertreten durch Mag. Wolfgang Reitschuler, Wirtschaftsprüfer in 6020 Innsbruck, Neuhauserstraße 7/1, gegen den Bescheid der Berufungskommission in Abgabensachen der Landeshauptstadt Innsbruck vom 31. März 2005, Zl. I-Rm-00088e/2004, betreffend Kommunalsteuer für die Jahre 1994 bis 2002, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.171,20 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Den Gegenstand des Beschwerdefalles bildet die Vorschreibung von Kommunalsteuer aus Vergütungen, die den (bis November 1998) zu 70 % (Hermann S) und zu 30 % (Wolfgang T) an der beschwerdeführenden Gesellschaft beteiligten Geschäftsführern und dem (ab November 1998) zu 100 % an der beschwerdeführenden Gesellschaft beteiligten Geschäftsführer (Hermann S) im Zeitraum der Jahre 1994 bis 2002 gewährt wurden. Strittig ist einerseits die Frage, ob die von den Gesellschafter-Geschäftsführern für ihre Tätigkeit bezogenen Vergütungen rechtlich als Einkünfte im Sinne des § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 zu qualifizieren und die Gesellschafter-Geschäftsführer sohin Dienstnehmer im Sinne des § 2 lit. a KommStG 1993 sind, und andererseits die Frage, ob gegenständlich im Hinblick auf die Verjährungsfrist von 10 Jahren bei hinterzogenen Abgaben zutreffend von einer Abgabenverkürzung durch Verletzung einer abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- oder Wahrheitspflicht ausgegangen worden ist.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Kommunalsteuerpflicht der beschwerdeführenden Gesellschaft hinsichtlich der von den Gesellschafter-Geschäftsführern bezogenen Vergütungen ebenso bejaht wie eine entsprechende Abgabenhinterziehung und dementsprechend im Instanzenzug Kommunalsteuer vorgeschrieben. Begründend verwies die belangte Behörde insbesondere darauf, dass beide an der Beschwerdeführerin wesentlich beteiligten Gesellschafter-Geschäftsführer die Funktion des Geschäftsführers über mehrere Jahre hinweg ausgeübt hätten. Sei die entgeltliche Tätigkeit der Gesellschafter-Geschäftsführer wie im Beschwerdefall auf Dauer angelegt, dann lasse sich daraus die Eingliederung in den Betrieb ableiten. Auch Unternehmerwagnis liege vor.
Zur gegenständlich erfolgten Beurteilung des Vorliegens einer Abgabenhinterziehung vertrat die belangte Behörde die Ansicht, dass der von der Beschwerdeführerin eingewandte entschuldbare Rechtsirrtum deswegen nicht vorliege, weil es bei der Einhaltung der einem am Wirtschaftsleben Teilnehmenden obliegenden Sorgfaltspflicht einer Objektivierung durch geeignete Erkundungen bei der für die Abgabenvorschreibung zuständigen Behörde bedürfe. Widrigenfalls trage der Abgabepflichtige das Risiko eines Rechtsirrtums. Auch die von der Beschwerdeführerin (in der Berufung) zitierten maßgeblichen Literaturmeinungen hätten keinen Zweifel an der gesetzlichen Lage gelassen. So habe z.B. Doralt in seinem Aufsatz "Der Gesellschafter-Geschäftsführer - ein Zwitter - § 2 Kommunalsteuergesetz verfassungswidrig?" (RdW 1997, 39) darauf hingewiesen, dass der "Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer in der Einkommensteuer" ab einer bestimmten Beteiligung selbstständig tätig sei, "in der Kommunalsteuer dagegen als Dienstnehmer gilt". Daraus sei abzuleiten, dass es die Beschwerdeführerin schon seit Jahren ernstlich für möglich gehalten habe müsse, dass die an den Gesellschafter-Geschäftsführer ausbezahlten Vergütungen der Kommunalsteuer unterliegen.
Von den gesetzlichen Bestimmungen abweichende Rechtsauffassungen müssten von der Abgabenbehörde außer Acht gelassen werden, da diese auf Grund des Legalitätsprinzips "an die Vollziehung des Gesetzes" gebunden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
In Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof betreffend einen zu 90 % an einer GmbH beteiligten Geschäftsführer im Erkenntnis vom 10. November 2004, 2003/13/0018, durch einen verstärkten Senat ausgesprochen, dass bei der Frage, ob Einkünfte nach § 22 Z. 2 Teilstrich 2 EStG 1988 erzielt werden, entscheidende Bedeutung dem Umstand zukommt, ob der Geschäftsführer bei seiner Tätigkeit in den betrieblichen Organismus des Unternehmens der Gesellschaft eingegliedert ist. Weiteren Elementen, wie etwa dem Fehlen eines Unternehmerrisikos oder einer als "laufend" zu erkennenden Lohnzahlung, kann nur in solchen Fällen Bedeutung zukommen, in denen die Eingliederung des für die Gesellschaft tätigen Gesellschafters in den Organismus des Betriebes nicht klar zu erkennen wäre. Vom Fehlen einer solchen Eingliederung sei aber nach dem in ständiger Judikatur entwickelten Verständnis zu diesem Tatbestandsmerkmal in aller Regel nicht auszugehen (vgl. auch das Gesellschafter-Geschäftsführer, deren Beteiligung 50 % nicht erreicht und die auch nicht über eine Sperrminorität verfügen, betreffende hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2007, 2007/15/0095).
Die nach dieser Rechtsprechung entscheidende Eingliederung in den geschäftlichen Organismus der Gesellschaft wird durch jede nach außen hin als auf Dauer angelegt erkennbare Tätigkeit hergestellt, mit welcher der Unternehmenszweck der Gesellschaft verwirklicht wird (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 1. Juni 2006, 2006/15/0029).
In der Beschwerde wird nicht bestritten, dass die Gesellschafter-Geschäftsführer (bzw. der ab 1998 alleinige Gesellschafter-Geschäftsführer) der Beschwerdeführerin kontinuierlich über einen längeren Zeitraum die Aufgaben der Geschäftsführung wahrgenommen haben. Dadurch ist für sie im Sinne des zitierten Erkenntnisses das Merkmal der Eingliederung in den betrieblichen Organismus der beschwerdeführenden Gesellschaft zweifelsfrei gegeben.
Dennoch erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig. Hinsichtlich der Verjährungsfrist wertete die belangte Behörde die hinsichtlich der Geschäftsführerbezüge nicht entrichtete Kommunalsteuer als hinterzogene Abgabe und ging insofern von einer Verjährungsfrist von 10 Jahren aus.
Gemäß § 154 Abs. 1 TLAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen der in Abs. 2 umschriebenen Verjährung.
Nach § 154 Abs. 2 TLAO beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre, bei hinterzogenen Abgaben zehn Jahre.
Die Frage der Hinterziehung einer Abgabe wird grundsätzlich in einem eigenen Verfahren, insbesondere in einem gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahren entschieden. Liegt hierüber eine Entscheidung der zuständigen Behörde nicht vor, hat die Abgabenbehörde diese Frage als Vorfrage in eigener Verantwortung zu beurteilen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2169, zur vergleichbaren Rechtslage des § 207 BAO).
Im Anwendungsbereich der Tiroler Landesabgabenordnung (TLAO) regelt deren § 93 Abs.1 ausdrücklich, dass die Abgabenbehörden berechtigt sind, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zu Grunde zu legen.
Im Beschwerdefall liegt eine Entscheidung einer Behörde, welche die Frage der Abgabenhinterziehung in Bezug auf die Kommunalsteuer zu entscheiden hätte, nicht vor. Die belangte Behörde hatte die Frage daher in eigener Verantwortung als Vorfrage zu beurteilen. Bei dieser Beurteilung hätte die belangte Behörde aber berücksichtigen müssen, dass in der TLAO wie auch im Kommunalsteuergesetz hinsichtlich der streitgegenständlichen Kommunalsteuer ein der Abgabenhinterziehung vergleichbarer Tatbestand nicht besteht.
Die gesetzgeberische Wertentscheidung, für die Verkürzung von Kommunalsteuer kein Delikt "Hinterziehung" zu statuieren, muss daher das Unterbleiben einer Verlängerung der Verjährung zur Folge haben.
Da die belangte Behörde die Kommunalsteuer für die Jahre 1994 bis 2002 mit einem einheitlichen Betrag festgesetzt hat, erweist sich der Spruch des angefochtenen Bescheides als nicht teilbar, der angefochtene Bescheid war daher in seiner Gesamtheit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. April 2008
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2008:2008150084.X00Im RIS seit
25.06.2008Zuletzt aktualisiert am
26.09.2008