TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/22 2007/18/0164

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Veröffentlicht am 22.04.2008
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §1;
AVG §56;
AVG §66 Abs4;
FrG 1997 §16 Abs1b;
FrG 1997 §89 Abs1;
FrG 1997 §89 Abs2;
FrG 1997 §94 Abs1;
FrG 1997 §94 Abs4;
NAG 2005 §20 Abs4;
NAG 2005 §3 Abs1;
NAG 2005 §3 Abs2;
NAGDV 2005 §11 Abs3 Z1;
VwGG §42 Abs2 Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des MM in B, geboren am 18. Juli 1956, vertreten durch die Mory & Schellhorn OEG, Rechtsanwaltsgemeinschaft in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Inneres vom 30. Mai 2006, Zl. 314.814/2-III/4/06, betreffend Erlöschen eines Aufenthaltstitels gemäß § 20 Abs. 4 NAG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Die Bezirkshauptmannschaft S hat mit Bescheid vom 10. März 2005 die dem Beschwerdeführer am 20. August 1998 erteilte unbefristete Niederlassungsbewilligung (gemäß § 16 Abs. 1b Fremdengesetz 1997) für ungültig erklärt. Dieser Bescheid ist mit dem Zusatz "Für den Bezirkshauptmann:" vom genehmigenden Organwalter unterzeichnet. Es findet sich kein Hinweis darauf, dass die Bezirksverwaltungsbehörde den Bescheid im Namen des Landeshauptmannes erlässt und von diesem dazu ermächtigt worden ist.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 30. Mai 2006 hat die Bundesministerin für Inneres (die belangte Behörde) die gegen den erstgenannten Bescheid erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 20 Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, abgewiesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 89 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 trifft Entscheidungen im Zusammenhang mit Niederlassungsbewilligungen und Niederlassungsnachweisen der Landeshauptmann (Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Tatbestände gemäß § 89 Abs. 2 Fremdengesetz 1997 liegen nicht vor). Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

1.2. Die Entscheidung, eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 16 Abs. 1b Fremdengesetz 1997 für ungültig zu erklären, wäre ebenfalls vom Landeshauptmann oder von der von ihm ermächtigten Bezirksverwaltungsbehörde zu treffen gewesen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 2006, Zl. 2005/18/0045).

2. Eine vom Landeshauptmann gemäß § 89 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 ermächtigte Bezirksverwaltungsbehörde hat bei Erlassung eines Bescheides im Namen des Landeshauptmannes auf diese Ermächtigung hinzuweisen; geschieht dies nicht, so ist der Bescheid der erlassenden Behörde zuzurechnen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, Zl. 2006/18/0073). Mangels ausreichenden Hinweises auf eine vom Landeshauptmann erteilte Ermächtigung ist der zur Rede stehende erstinstanzliche Bescheid vom 10. März 2005 daher dem Bezirkshauptmann zuzurechnen. Diese Zurechnung wird im Übrigen durch die Unterfertigung "Für den Bezirkshauptmann:" unterstrichen.

3.1. Für die Entscheidung über die Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 10. März 2005 war gemäß § 94 Abs. 1 Fremdengesetz 1997 bis zum Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 die Sicherheitsdirektion zuständig, die die dem erstinstanzlichen Bescheid anhaftende Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit von Amts wegen hätte aufgreifen und den erstinstanzlichen Bescheid ersatzlos beheben müssen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 13. März 2007, Zl. 2006/18/0010, und vom 14. Juni 2007, Zl. 2004/18/0245).

3.2. Ab dem Inkrafttreten des NAG mit 1. Jänner 2006 sind gemäß § 81 Abs. 1 NAG Verfahren auf Erteilung von Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen, die bei In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes zu Ende zu führen. Gemäß § 81 Abs. 2 NAG gelten vor dem In-Kraft-Treten dieses Bundesgesetzes erteilte Aufenthalts- und Niederlassungsberechtigungen innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer und ihres Gültigkeitszwecks insoweit weiter, als sie nach dem Zweck des Aufenthaltes den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes entsprechen. Die dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Fremdengesetz 1997 in der Stammfassung erteilte unbefristete Niederlassungsbewilligung galt daher - ungeachtet der Anhängigkeit des genannten Verfahrens zur Ungültigerklärung des Aufenthaltstitels - ab dem 1. Jänner 2006 gemäß § 11 Abs. 3 Z. 1 NAG-DV als Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" weiter.

3.3. Die nach dem NAG für die Erteilung von Aufenthaltstiteln zuständige Behörde ist gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. der Landeshauptmann. Nach § 3 Abs. 2 NAG entscheidet über Berufungen gegen die Entscheidungen des Landeshauptmannes der Bundesminister für Inneres. Welche Behörde hingegen über Berufungen gegen Bescheide der Bezirksverwaltungsbehörde über Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bzw. über die Ungültigerklärung eines Aufenthaltstitels entscheidet, ist im NAG nicht geregelt. Auf dem Boden der hg. Judikatur ist in solchen Fällen nicht die Zuständigkeit des Bundesministers für Inneres, sondern die Zuständigkeit der Sicherheitsdirektion als Berufungsbehörde gegeben, die freilich nur soweit reicht, den Bescheid der Behörde erster Instanz ersatzlos zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2007, Zl. 2006/18/0148).

4. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 22. April 2008

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Diverses Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 sachliche Zuständigkeit in einzelnen Angelegenheiten Instanzenzug Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Besondere Rechtsgebiete Zurechnung von Bescheiden Intimation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180164.X00

Im RIS seit

10.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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