TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/22 2007/18/0952

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Veröffentlicht am 22.04.2008
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z9;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des A O A in W, geboren am 8. Mai 1979, vertreten durch Jürgen Stephan Mertens, 1080 Wien, Neudeggergasse 1/18 (Einvernehmensrechtsanwalt: Dr. Ullrich Schubert, Rechtsanwalt in Wien), gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. November 2007, Zl. SD 1734/06, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. November 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen syrischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 9 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer habe am 13. Oktober 2000 die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Aufenthaltszweck "Student" beantragt. Ihm sei der Aufenthaltstitel erteilt und in weiterer Folge verlängert worden. Am 16. Oktober 2003 habe er die österreichische Staatsbürgerin C M. geheiratet und anschließend einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "begünstigter Drittstaatsangehöriger-Ö, § 49 Abs. 1 FrG" eingebracht. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe am 25. Jänner 2006 angegeben, gegen Bezahlung von ca. EUR 6.400,-- eine Scheinehe eingegangen zu sein. Mit Beschluss des Bezirksgerichtes S vom 26. April 2006 sei die Ehe einvernehmlich geschieden worden. Der am 6. Juni 2006 einvernommene Beschwerdeführer habe das Eingehen einer Scheinehe und finanzielle Zuwendungen an seine Ehefrau bestritten. Im Berufungsverfahren habe er Zeugen namhaft gemacht, die beweisen könnten, dass er mit seiner damaligen Ehefrau zusammengewohnt und tatsächlich ein Familienleben geführt hätte. Die Motive und Umstände der Aussage seiner Frau würde er sich nicht erklären können. Sie hätte ihm damals mitgeteilt, dass sie unter Druck gestanden wäre und sich während der Aussage in einem psychischen Ausnahmezustand befunden hätte, weil sie befürchtet hätte, dass ihr das Sorgerecht für ihre Tochter entzogen würde.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer würde bestreiten, seiner Ehefrau Geldbeträge gegeben zu haben, und behaupten, aus Liebe geheiratet zu haben. Es sei

"daher unter Bedachtnahme auf die Aussagen seiner österreichischen Gattin und der Erhebungen davon auszugehen, dass die Ehe ausschließlich deshalb geschlossen worden sei, um dem (Beschwerdeführer) die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen."

Die belangte Behörde folge den glaubwürdigen Aussagen der Ehefrau des Beschwerdeführers. Dessen Angaben, insbesondere in seiner Berufung, seien hingegen als bloße Schutzbehauptungen werten. Die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes (§ 60 Abs. 2 Z. 9 iVm § 66 FPG) seien erfüllt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1.1. Als Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer u.a. geltend, dass die belangte Behörde wesentliche Beweisanträge nicht berücksichtigt habe. Die belangte Behörde habe die zum Beweis der Führung eines gemeinsamen Familienlebens namhaft gemachten Zeugen H M., J A., Mag. A E. und N Z. willkürlich nicht vernommen.

1.2. Aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer zum Beweis dafür, dass er und seine Frau ein Hochzeitsfest organisiert haben, dass seine Frau ihn oft von der Arbeit abgeholt habe, dass er mit ihr gemeinsam ihre Freunde in W besucht habe und auch sonst gemeinsam mit ihr unterwegs gewesen sei, u.a. die Zeugen Mag. A E., N Z., H M. und J A. In der Berufung vom 5. Dezember 2006 beantragte er zum Beweis dafür, mit seiner (früheren) Ehefrau zusammengewohnt und ein Familienleben geführt zu haben, nochmals die Zeugen H M. und J A., sowie zum Beweis für die Vornahme gemeinsamer Reisen wiederum die Vernehmung der Zeugen Mag. A E. und N Z. 1.3. Nach ständiger hg. Rechtsprechung dürfen Beweisanträge nur dann abgelehnt werden, wenn die Beweistatsachen als wahr unterstellt werden, es auf sie nicht ankommt oder das Beweismittel - ohne unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung - untauglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2007, Zl. 2004/18/0018, mwN).

Dass die Vernehmung der beantragten Zeugen für die Beantwortung der Frage, ob der Beschwerdeführer mit seiner (früheren) Ehefrau ein gemeinsames Familienleben im Sinn des § 60 Abs. 2 Z. 9 FPG geführt hat, von vornherein untauglich wäre, kann den Beweisthemen nicht entnommen werden.

Der angefochtene Bescheid geht auf die genannten Beweisanträge mit keinem Wort ein und begründet nicht, warum die beantragten Zeugen nicht einvernommen worden sind. Die Unterlassung der Vernehmung der beantragten Zeugen stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, dem auch Relevanz zukommt, weil die Behörde bei Zutreffen der Behauptungen des Beschwerdeführers zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

2. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

3. Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Umsatzsteuer war nicht gesondert zuzusprechen, weil diese bereits im pauschalierten Schriftsatzaufwand enthalten ist.

Wien, am 22. April 2008

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid"Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragBeweiswürdigung antizipative vorweggenommeneAblehnung eines Beweismittels

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180952.X00

Im RIS seit

16.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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