TE Vwgh Erkenntnis 2008/4/22 2007/18/0911

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.04.2008
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Asylrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

FrPolG 2005 §55 Abs3 Z1;
FrPolG 2005 §60 Abs1;
FrPolG 2005 §60 Abs2 Z1;
FrPolG 2005 §66 Abs1;
FrPolG 2005 §66 Abs2;
MRK Art8 Abs2;
StVO 1960 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schmidl, über die Beschwerde des D S, (geboren am 2. Dezember 1980), vertreten durch Dr. Wolfgang Weber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wollzeile 12/1/27, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 9. November 2007, Zl. E1/485.184/2007, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 9. November 2007 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen serbischen Staatsangehörigen, gemäß § 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 - FPG, BGBl. I Nr. 100 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer habe erstmals am 25. Jänner 1994 bei der österreichischen Botschaft in Pressburg einen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung gestellt, der jedoch rechtskräftig abgewiesen worden sei. Fünf Jahre später sei der Beschwerdeführer mit einem Visum D der österreichischen Botschaft in Budapest, das vom 25. Jänner 1999 bis zum 24. Juli 1999 Gültigkeit gehabt habe, in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge zunächst Aufenthaltserlaubnisse als Schüler und dann auf Grund der Tatsache, dass seiner Mutter die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen worden sei, Niederlassungsbewilligungen erhalten.

Am 3. November 2002 habe der Beschwerdeführer mit seinem PKW einen Verkehrsunfall in Wien verursacht. Auf Grund überhöhter Geschwindigkeit sei er mit seinem PKW ins Schleudern geraten und mit einem entgegenkommenden Kraftfahrzeug zusammengestoßen, wodurch dessen Lenker schwer verletzt worden sei. Dies habe dazu geführt, dass der Beschwerdeführer am 19. Februar 2003 wegen § 88 Abs. 1 und 4 erster Fall StGB zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sei.

Am 7. November 2006 sei der Beschwerdeführer vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2, 148 zweiter Fall StGB und der Erpressung nach § 144 Abs. 1 StGB sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Gemeinsam mit einem Mittäter habe der Beschwerdeführer im Zeitraum vom 24. September 2004 bis zum 6. Oktober 2004 zahllose schwere Betrugshandlungen begangen, um sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Der Beschwerdeführer und der Mittäter hätten im August 2004 gemeinsam den Entschluss gefasst, eine geeignete Person zu suchen, die eine Kreditkarte beantragen sollte und aus deren Verwendung beide Täter (ohne je mit redlicher Rückzahlungswilligkeit zu agieren) Erlöse im Wert von Handywertkarten, Zigaretten, Getränke u.a. erzielen haben wollen. Diese Person hätte der Beschwerdeführer in seinem Landsmann Deni S. gefunden, der ihm als labile und leicht zu beeinflussende Persönlichkeit bekannt gewesen sei und der sich in der Hoffnung an ihn gewandt gehabt habe, dass der Beschwerdeführer ihm eine redliche Arbeit in einer Reinigungsfirma besorgen könnte. Diesen hätten die beiden Täter insofern getäuscht, als sie ihm unter dem Vorwand, dies für den in Aussicht gestellten Arbeitsplatz zu benötigen, erklärt hätten, seinen Reisepass und die Eröffnung eines Kontos bei der BA/CA brauchen würden. Tatsächlich hätte der Beschwerdeführer die Dokumente dazu benützt, einen Antrag (und Ergänzungsantrag) auf Ausstellung zweier B-Cards mit Kreditkartenfunktion unter Fälschung der Unterschrift des D S. zu stellen. Der Beschwerdeführer und sein Mittäter hätten demnach nicht nur einen Landsmann über ihre vorgegebene Vermittlertätigkeit für dessen Arbeitssuche getäuscht, sondern auch Angestellte der B Bank GmbH über dessen Redlichkeit als Kreditkartenantragsteller und darüber, dass der im Antrag aufscheinende S. diesen ausgefüllt, unterfertigt und seine Zustimmung dazu gegeben hätte. Die auf diese Weise erschlichenen Kreditkarten hätte der Beschwerdeführer gemeinsam mit dem Mittäter in hundertfachen Angriffen, vorwiegend bei Tankstellen, verwendet. Dabei hätten sie S. unter Druck gesetzt und ihn auch geschlagen, damit dieser mit der auf seinen Namen ausgestellten Kreditkarten Waren kaufen würde, wodurch ein Gesamtschaden von mehr als EUR 21.000,-- entstanden sei. Dabei hätten die beiden Täter ihren Landsmann dahingehend bedroht, dass seiner Frau und seinen Kindern etwas passieren würde, würde er sich weigern, weiter mit der Kreditkarte einzukaufen. Darüber hinaus hätten sie S. sinngemäß erklärt, dass sie ihn umbringen würden bzw. seiner Frau und seiner Familie etwas Schlimmes passieren würde, sollte er zur Polizei gehen.

Ausgehend nach der von § 60 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 FPG gegebenen Rechtslage könne kein Zweifel daran bestehen, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots vorliegen würden. Zum einen sei auf Grund der zweiten Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG erfüllt. Zum anderen gefährde das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit in Anbetracht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität in hohem Maße, sodass sich (auch) die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme als gerechtfertigt erweise. In einem solchen Fall könne ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn dem nicht die Bestimmung des § 66 FPG entgegenstehe.

Der Beschwerdeführer sei nach der Aktenlage ledig und habe Sorgepflichten für eine Tochter. Auf Grund seines beinahe achtjährigen inländischen Aufenthalts und im Hinblick darauf, dass auch seine Eltern im Bundesgebiet lebten, liege zweifellos ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Dessen ungeachtet sei die Erlassung des Aufenthaltsverbots im Hinblick auf die Vielzahl der vom Beschwerdeführer zu verantwortenden Eingriffe in fremdes Vermögen zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, zum Schutz des Eigentums und der körperlichen Integrität Dritter sowie zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit) als dringend geboten zu erachten und die Zulässigkeit dieser Maßnahme im Grund des § 66 Abs. 1 FPG daher zu bejahen. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers verdeutliche sehr augenfällig, dass er offenbar nicht in der Lage oder gewillt sei, die österreichischen Rechtsvorschriften einzuhalten, habe er doch gemeinsam mit einem Mittäter bedenkenlos in fremdes Vermögen eingegriffen und sei er in diesem Zusammenhang (wie dargelegt) auch nicht davor zurückgeschreckt, einen Landsmann mit dem Umbringen zu bedrohen und diesen zu misshandeln. Die weitere Tatsache, dass der Beschwerdeführer nicht nur im Jahr 2002 einen schweren Verkehrsunfall verschuldet habe, sondern am 15. April 2006 wegen § 4 Abs. 5 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei, dokumentiere, wie sehr der Beschwerdeführer auch maßgebliche Verkehrsvorschriften gering schätzen würde. Eine Verhaltensprognose könne für den Beschwerdeführer schon in Ansehung der gewerbsmäßigen Tatbegehung nicht positiv ausfallen. Dem diesbezüglichen Einwand des Beschwerdeführers, eine Gefährdungsprognose wäre in seinem Fall nicht gegeben, weil er einen engen Familienbezug hätte und von seiner Familie sowohl moralisch als auch finanziell betreut würde, sei entgegenzuhalten, dass diese Umstände den Beschwerdeführer auch in der Vergangenheit nicht davon abgehalten hätten, das oben aufgezeigte Fehlverhalten zu setzen.

Hinsichtlich der nach § 66 Abs. 2 FPG erforderlichen Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass der aus dem bisherigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers ableitbaren Integration insofern kein entscheidendes Gewicht zukomme, als die für jegliche Integration erforderliche soziale Komponente durch die zahllosen Straftaten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt werde. Seine familiären Bindungen erführen einerseits durch die Volljährigkeit des Beschwerdeführers und andererseits durch die Tatsache, dass seine Tochter bei ihrer Mutter leben würde, ebenfalls eine nicht unbeträchtliche Minderung. Von daher gesehen hätten die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers gegenüber den genannten, hoch zu veranschlagenden öffentlichen Interessen in den Hintergrund zu treten.

Angesichts des dargestellten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers und im Hinblick auf die Art und Schwere der ihm zur Last liegenden Straftaten habe von der Erlassung des Aufenthaltsverbots auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens Abstand genommen werden können. Dies umso weniger, als der Beschwerdeführer keine besonders berücksichtigungswürdige Umstände vorbringe, die die belangte Behörde hätten veranlassen können, eine Ermessensentscheidung zu seinen Gunsten zu treffen. Darüber hinaus sei auch darauf hinzuweisen, dass eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots nach § 60 Abs. 1 FPG offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes erfolgen würde, wenn der Fremde - wie vorliegend - wegen eines Verbrechens zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 60 Abs. 2 Z. 1 FPG verwirklicht sei, unbekämpft. Gegen diese Beurteilung besteht im Hinblick auf die unbestrittenen Feststellungen zur rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers vom 7. September 2006 durch das Landesgericht für Strafsachen Wien keine Bedenken. Mit dem dieser Verurteilung zugrunde liegenden, ebenfalls nicht in Zweifel gezogenen Fehlverhalten hat der Beschwerdeführer gravierend gegen das große öffentliche Interesse an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und der Gewaltkriminalität verstoßen. Dieses wiederholt und bezüglich des schweren Betrugs auch gewerbsmäßig gesetzte Fehlverhalten liegt noch nicht so lange zurück, dass von einer Minderung oder gar einem gänzlichen Wegfall der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr ausgesprochen werden könnte, zumal der vom Beschwerdeführer seither verbrachte Zeitraum in Haft nicht als eine Zeit des Wohlverhaltens betrachtet werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 13. September 2006, Zl. 2006/18/0111, mwH). Von daher ist für den Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen, es sei ihm durch die verhängte Freiheitsstrafe mit aller Deutlichkeit vor Augen geführt worden, was gesetzwidriges Verhalten bedeute und damit die Annahme nach § 60 Abs. 1 FPG nicht mehr gegeben, nichts gewonnen. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer (ebenfalls unstrittig) wegen der Verwaltungsübertretung gemäß § 4 Abs. 5 StVO 1960 (Nichtmelden des Verkehrsunfalls mit Sachschaden trotz unterbliebener Verständigung des Geschädigten) rechtskräftig bestraft wurde, bei der es sich um einen groben Verstoß gegen eine wesentliche die Sicherheit des Straßenverkehrs betreffende Vorschrift handelt (vgl. das zum Fremdengesetz 1997 ergangene, aber insofern auch vorliegend einschlägige hg. Erkenntnis vom 27. September 2005, Zl. 2003/18/0277). Vor diesem Hintergrund kann die Auffassung der belangten Behörde, dass im Beschwerdefall die in § 60 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2. Bei ihrer Interessenabwägung nach § 66 FPG hat die belangte Behörde die Dauer des rechtmäßigen inländischen Aufenthalts des Beschwerdeführers seit dem Jahr 1999, seine daraus ableitbare Integration sowie seine familiären Bindungen zu seinen Eltern und seiner Tochter berücksichtigt und zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben angenommen. Ebenso zutreffend hat sie aber den Standpunkt vertreten, dass das gegen den Beschwerdeführer erlassene Aufenthaltsverbot gemäß § 66 Abs. 1 FPG zulässig sei, liegt dem Beschwerdeführer doch (wie eben dargelegt, vgl. II.1.) ein vor allem im Licht des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Eigentumskriminalität und Gewaltkriminalität verwerfliches Fehlverhalten zur Last, welches das Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, zur Verhinderung (weiterer) strafbarer Handlungen durch den Beschwerdeführer sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer, somit zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, dringend geboten erscheinen lässt. Auch die Interessensabwägung im Grund des § 66 Abs. 2 FPG fällt nicht zugunsten des Beschwerdeführers aus. Seine Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch sein wiederholtes gravierendes Fehlverhalten eine deutliche Beeinträchtigung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde zu Recht der durch sein Fehlverhalten in Österreich bewirkten Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbots kein geringeres Gewicht beigemessen, als den oben genannten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers. Mit seinem Vorbringen, er habe zu seiner Tochter als auch zu deren Mutter regen Kontakt, vermag der Beschwerdeführer an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

3. Schließlich bestand für die belangte Behörde entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 60 Abs. 1 FPG von der Erlassung des Aufenthaltsverbots Abstand zu nehmen, ist doch bei einer rechtskräftigen Verurteilung eines Fremden wegen einer im § 55 Abs. 3 Z. 1 FPG genannten strafbaren Handlung das Vorliegen der Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltsverbots eindeutig; eine auf einer Ermessenserwägung beruhende Abstandnahme von der Verhängung des Aufenthaltsverbots würde diesfalls offensichtlich nicht im Sinn des Gesetzes (Art. 130 Abs. 2 B-VG) erfolgen (vgl. aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 25. September 2007, Zl. 2007/18/0299).

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 22. April 2008

Schlagworte

Meldepflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2008:2007180911.X00

Im RIS seit

10.06.2008

Zuletzt aktualisiert am

25.01.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten